# taz.de -- Fernwärme aus Biomasse in Berlin: Das Holz im Wald stehen lassen | |
> Umwelt- und KlimaschützerInnen warnen davor, bei der Erzeugung von | |
> Fernwärme für Berlin künftig massiv auf Biomasse zu setzen. | |
Bild: Auch aus „Sägenebenprodukten“ soll künftig Wärme erzeugt werden | |
BERLIN taz | Die Fernwärme, die Vattenfall über seine Netze verteilt, wird | |
zu 95 Prozent mit den fossilen Brennstoffen Erdgas und Steinkohle erzeugt. | |
Weil Berlin bis 2045 klimaneutral werden muss, hat der schwedische Konzern | |
wenige Monate vor dem Verkauf der Fernwärmesparte an das Land Berlin einen | |
„Dekarbonisierungsfahrplan“ vorgelegt. Der sieht nicht nur den Bau großer | |
Wärmepumpen und die Umstellung auf Wasserstoff vor, sondern auch den | |
massiven Ausbau der Verbrennung von Holz. | |
Am Donnerstag schlugen Umwelt- und Klimaschutzorganisationen Alarm und | |
warnten vor dieser „irrsinnigen Expansion“. Nabu, BUND, Deutsche | |
Umwelthilfe, Robin Wood, Greenpeace, das Bürgerbegehren Klimaschutz, | |
PowerShift und biofuelwatch kritisierten „klimaschädliche oder | |
unrealistische Scheinlösungen“ und forderten den Senat auf, eine Wärmewende | |
einzuleiten, „die ohne die Zerstörung von Wäldern und Klima auskommt“. | |
Die Rekommunalisierung der Fernwärme biete dazu die Gelegenheit, so die | |
Organisationen, die auch [1][ein Infopapier vorlegten, das ihre Argumente | |
untermauern soll]. Sie verweisen auf die erklärte Absicht von Vattenfall, | |
bis 2030 ganze 17 Prozent der zur Wärmeerzeugung benötigten Energie in | |
Biomassekraftwerken zu erzeugen. Heute beträgt der Anteil nur 1 Prozent. | |
Die Pläne für den Bau von Biomassekesseln an den Standorten Klingenberg in | |
Rummelsburg (bis 2027) und Reuter-West in Siemensstadt (bis 2026) seien | |
weit fortgeschritten. | |
Dort würden dann – nach Rechnung der KritikerInnen – rund 900.000 Tonnen | |
Holz im Jahr verfeuert (sogenanntes atro, also „absolut trockenes“ Holz). | |
Laut Michaela Kruse vom Nabu ergibt sich aus dem angepeilten Anteil von 17 | |
Prozent an allen Energieträgern jedoch rechnerisch ein Bedarf von 1,6 | |
Millionen Tonnen – je nach Jahresertrag wären das zwei Drittel oder sogar | |
der Gesamtheit der jährlichen Brandenburger Holzernte. | |
## Auch Holz produziert CO2 | |
Weil überall in Deutschland Holz als Alternative zu fossilen Brennstoffen | |
angestrebt werde, sei das gar nicht darstellbar, so Kruses Fazit. Es trage | |
aber darüber hinaus auch nicht zur Klimaneutralität bei: Denn Wälder und | |
Forsten benötigten immerhin viele Jahrzehnte, um das CO2 wieder zu | |
speichern, das bei der Verbrennung freigesetzt wird. | |
Vattenfall selbst operiert mit anderen Zahlen: „Bis Ende der 2030er Jahre“, | |
heißt es in einem Papier des Konzerns, rechne man mit einem jährlichen | |
Verbrauch von „etwa 450.000 bis 480.000 Tonnen“ Biomasse in Reuter-West, | |
Klingenberg sowie einem bereits bestehenden kleinen Kraftwerk im Märkischen | |
Viertel. Das wäre weniger als ein Drittel der vom Nabu errechneten Menge. | |
Vattenfall verweist darauf, dass die neuen Anlagen durch Rückgewinnung von | |
Wärme aus dem Rauchgas sehr effizient seien. | |
Der Konzern betont auch, dass er sich an die bestehende | |
Nachhaltigkeitsvereinbarung mit dem Land Berlin halte und „hauptsächlich | |
Waldrestholz und Agrarholz“ einsetze. Bei dem „Agrarholz“ handelt es sich | |
um sogenannte Kurzumtriebsplantagen (KUPs), auf denen vor allem schnell | |
wachsende Pappeln nach wenigen Jahren geerntet und zu Hackschnitzeln | |
verarbeitet werden. | |
[2][Vattenfall betreibt einige solcher Flächen in Brandenburg] und Polen | |
und will das in den kommenden Jahren „stark ausweiten“. Zudem sollen | |
Altholz, „Landschaftspflegematerial“ aus Parks oder Straßengrün sowie | |
Sägenebenprodukte eingesetzt werden. | |
## Zu trocken für Pappeln? | |
Almuth Ernsting von biofuelwatch erteilt den Kurzumtriebsplantagen eine | |
Absage: Sie verbrauchten viel Fläche, die etwa mit Photovoltaik effizienter | |
energetisch genutzt werden könne, sie benötigten für einen wirtschaftlichen | |
Betrieb aber auch günstige Bedingungen wie ausreichende Niederschläge. | |
Darum seien in den vergangenen extrem trockenen Jahren die Erträge deutlich | |
zurückgegangen. Europaweit wendeten sich Landwirte von diesem Modell wieder | |
ab. | |
Für Matthias Krümmel vom BUND ist auch Altholz keine Lösung: Dessen | |
Verbrennung auszuweiten, führe nur dazu, dass etwa die Spanplattenindustrie | |
noch mehr frisches Holz verbrauche. Vielmehr müsse so viel Altholz wie | |
möglich recycelt, also etwa zu Spanplatten verarbeitet werden. Diese | |
„stoffliche Verwertung“ belaufe sich in Deutschland derzeit nur auf gut ein | |
Viertel des anfallenden Altholzes, in Italien etwa mache sie über 80 | |
Prozent aus. Ein [3][Altholzkraftwerk plant derzeit übrigens auch die BSR | |
in Neukölln]. | |
1 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/energie/240220-nabu-holzverbr… | |
[2] /Biomasse-Plantagen/!5486227 | |
[3] /Geplante-Muellverbrennung/!5982155 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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