| # taz.de -- Wärmewende in Hamburg: Auf dem Holzweg | |
| > Hamburg will bis 2030 den Kohleblock eines Heizkraftwerks auf Holz | |
| > umrüsten. Umweltschützer befürchten, dass das auch aus Urwäldern kommen | |
| > könnte. | |
| Bild: Verbrannt werden sollte hier allenfalls Restholz: Projektion an die Wänd… | |
| Osnabrück taz | Es ist eines der Zauberworte unserer Tage: | |
| [1][Kohleausstieg. Auch die Hamburger Energiewerke (HEnW)] nutzen es. Der | |
| Kohleblock ihres Heizkraftwerks Tiefstack am Elbe-Nebenfluss Bille soll bis | |
| 2030 auf die Verbrennung von Holz-Pellets und Hackschnitzeln umgerüstet | |
| werden, als Teil eines neuen „Energieparks“, der auch | |
| Flusswasserwärmepumpen und Industrieabwärme nutzt. Hört sich ja erst mal | |
| umweltfreundlich an. | |
| Aber ist es das auch? Jana Ballenthien, Waldreferentin bei der [2][Umwelt- | |
| und Naturschutzorganisation Robin Wood, hat da ihre Zweifel und befürchtet, | |
| dass Holz aus Urwäldern für die Hamburger Wärmeproduktion verfeuert werden | |
| könnte]. Zwar hatten die HEnW einen „Nachhaltigkeitskodex für den Einsatz | |
| von Biomasse in Tiefstack“ erstellt, doch den hält sie für unzureichend. | |
| Der Nachhaltigkeitskodex, den die HEnW Anfang des Jahres erstellt haben, | |
| will zwar vieles beim Kauf der Biomasse beachten, etwa dass es eine | |
| nachhaltige Walderneuerung auf den Ernteflächen gibt, dass keine Ernte in | |
| Schutzgebieten stattfindet und dass die Bodenqualität und die biologische | |
| Vielfalt erhalten bleibt. | |
| Doch zusammen mit der Umweltschutzorganisation Biofuelwatch hält Robin Wood | |
| den Kodex nach einer gemeinsamen Analyse für „unzureichend“. Er bestätige, | |
| so Ballenthien, „unsere schlimmsten Befürchtungen“. Ein umgerüstetes | |
| Tiefstack-Kraftwerk dürfe „Holzpellets aus dem Raubbau an besonders | |
| artenreichen und gefährdeten Wäldern aus aller Welt verbrennen“. | |
| ## Minimalanforderungen der EU schwach | |
| Der Kodex erlaube, jegliche Art Holzpellets zu verbrennen, solange sie die | |
| gesetzlichen Minimalanforderungen aus der EU-Richtlinie für Erneuerbare | |
| Energien erfüllen. Diese jedoch, betont Ballenthien, untersagen den Einsatz | |
| von Frischholz aus dem Wald und Holz aus der Rodung von Urwäldern zurzeit | |
| nicht. | |
| Hinzu kommt: Aus dem Kodex gehe hervor, dass auch Holzpellets, die | |
| Zertifikate wie das des Sustainable Biomass Program (SBP) tragen, in | |
| Tiefstack verbrannt werden dürften. Eine Transparenz bei den | |
| Holzlieferketten sei demnach nicht vorgesehen: Das | |
| SBP-Zertifizierungsprogramm biete wegen lascher Kriterien und Kontrollen | |
| keinerlei Gewähr für Umweltverträglichkeit. | |
| „Es wurde von Energie- und Pelletunternehmen ins Leben gerufen und | |
| zertifizierte bereits sogar Pellets aus Holz von gerodeten Urwäldern im | |
| kanadischen British Columbia“, kritisieren Robin Wood und Biofuelwatch in | |
| ihrem Fazit. Ohnehin sei mindestens naiv, wer an die Wirkung von | |
| Zertifikaten glaubt: „Auf dem internationalen Pelletmarkt ist | |
| Nachhaltigkeit nur ein Greenwashing-Slogan“, sagt Almuth Ernsting von | |
| Biofuelwatch. | |
| Auch vom Kodex abgesehen sind die Umweltverbände mit den Umrüstungsplänen | |
| für Tiefstack kaum zufrieden: „Holz statt Kohle zu verbrennen, macht die | |
| Sache nicht besser“, sagt Ballenthien. „Verbrennung führt immer zu | |
| Emissionen.“ Und bei Holz stiegen diese Emissionen im Zweifel noch, denn: | |
| „Pro Energieeinheit muss man davon mindestens genauso viel, zum Teil sogar | |
| mehr, verbrennen als von Kohle“, so Ballenthien. | |
| Und das sei nicht das einzige Problem: „Es geht dabei ja auch um die | |
| Biodiversität“, sagt Ballenthien. [3][„Entnimmt man zu viel Holz, womögli… | |
| noch aus den letzten Urwäldern unserer Erde, ist das am Ende genauso letal | |
| wie die Klimakrise.“] | |
| Die HEnW will die harschen Vorwürfe so nicht gelten lassen.„Der Ersatz von | |
| Tiefstack, um Hamburger Haushalte mit Fernwärme zu beliefern, erfolgt zu 70 | |
| bis 80 Prozent durch klimaneutrale Wärmequellen und nicht durch fossile | |
| Brennstoffe oder Holzeinsatz“, sagt eine HEnW-Sprecherin der taz. „Für die | |
| verbleibenden 20 bis 30 Prozent werden wir nur bedarfsabhängig und damit | |
| vorwiegend im Winter nachwachsende Biomasse oder Erdgas einsetzen.“ | |
| Bei der Biomasse soll es sich aber um „Rest- und Schadholz“ handeln, | |
| versichert die HEnW-Sprecherin. „Der Einsatz zertifizierter nachhaltiger | |
| Biomasse stellt sicher, dass insgesamt weniger Biomasse entnommen wird, als | |
| nachwächst.“ Bei gleicher Eignung werde Biomasse mit kurzen Transportwegen | |
| der Vorzug gegeben. | |
| Die Lieferanten stehen noch nicht fest. Aber grundsätzlich gelte für | |
| [4][die HEnW], „dass wir über eine Zertifizierung und die konkrete | |
| Vertragsgestaltung mit den Lieferanten sicherstellen, dass die eingesetzte | |
| Biomasse über die gesamte Lieferkette unsere strengen | |
| Nachhaltigkeitskriterien erfüllt.“ | |
| 25 Apr 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Shell-springt-bei-Hamburger-Projekt-ab/!5915703 | |
| [2] /Energiewende-in-Hamburg/!5878900 | |
| [3] /Holz-aus-Afrika-fuer-die-Energiewende/!5754571 | |
| [4] https://www.hamburger-energiewerke.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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