# taz.de -- Aufweichung des Klimaschutzgesetzes: Anton Hofreiter sagt Nein | |
> Der ehemalige Grünen-Fraktionschef nimmt Volker Wissing in die | |
> Verantwortung. Deshalb stimmt er im Bundestag gegen die Aufweichung der | |
> Klimaziele. | |
Bild: Will bei der Abstimmung zum Klimaschutzgesetz am Freitag mit Nein stimmen… | |
Berlin taz | Bei der Aufweichung des Klimaschutzgesetzes muss die | |
Ampel-Koalition im Bundestag einen prominenten Abweichler verkraften: Der | |
ehemalige Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wird nach taz-Informationen | |
am Freitag entgegen der Parteilinie mit Nein stimmen. | |
„Das bisher geltende Klimaschutzgesetz hat den aktuellen Verkehrsminister | |
unter Druck gesetzt, endlich effektive Klimaschutzmaßnahmen vorzulegen“, | |
heißt es zur Begründung in einer persönlichen Erklärung Hofreiters, die der | |
taz vorliegt. Dass man den Minister „jetzt durch eine Gesetzesänderung aus | |
der Verantwortung entlässt, kurz bevor ihn das Gesetz zum Handeln gezwungen | |
hätte, ist aus zweierlei Hinsicht fatal.“ | |
Erstens werde das Verkehrsministerium nun wohl weiter kein [1][wirksames | |
Programm zur Senkung des CO2-Ausstoßes] vorlegen. Zweitens sende die | |
Aufweichung die Botschaft, „dass für Minister, die sich nicht an geltendes | |
Recht halten, einfach die Gesetze geändert werden“. Zur Begründung verweist | |
Hofreiter außerdem auf [2][ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für | |
Menschenrechte]. Es hat den Klimaschutz Anfang April zu einem einklagbaren | |
Menschenrecht erklärt und die Vertragsstaaten zu gesetzlichen Zielvorgaben | |
verpflichtet. | |
Ausdrücklich lobt Hofreiter, der dem EU-Ausschuss des Bundestags vorsitzt, | |
dass die Grünen „in Regierungsverantwortung in den letzten zweieinhalb | |
Jahren viel für den Schutz unseres Klimas geleistet“ hätten. Konkret nennt | |
er unter anderem den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Vorgaben zur | |
„Wärmewende im Heizungskeller“. | |
## „Notfalls vor Gericht“ | |
Es reiche aber nicht aus, wenn nur einzelne Ministerien | |
Klimaschutzmaßnahmen umsetzen. „Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, | |
müssen alle verbindlich ihren Beitrag leisten. Wer sich als Minister dem | |
verweigert, muss dafür zur Verantwortung gezogen werden, notfalls vor | |
Gericht“, so Hofreiter weiter. | |
Das alte Klimaschutzgesetz hatte 2021 die Große Koalition beschlossen. Es | |
schrieb der Regierung genau vor, wie viel CO2 einzelne Sektoren wie | |
Industrie, Wohnen oder Verkehr einsparen müssen. Wird eines der Ziele | |
verfehlt, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm vorlegen, um | |
die Lücke für die folgenden Jahre zu schließen. Aktuell würde das vor allem | |
das Verkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) betreffen. | |
Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich [3][die Spitzen der | |
Ampelfraktionen vergangene Woche aber auf eine Reform] geeinigt. Auf dem | |
Papier bleiben die Sektorziele demnach bestehen. Wer sie verfehlt, muss | |
jedoch nicht mehr zwingend ein Sofortprogramm vorlegen. Stattdessen kann | |
der CO2-Ausstoß verschiedener Jahre und Sektoren miteinander verrechnet | |
werden. Selbst wenn die Gesamtbilanz dauerhaft nicht stimmt, muss nur die | |
Regierung insgesamt nachsteuern und nicht speziell das schuldige | |
Ministerium. | |
Der grüne Klimaminister Robert Habeck sagte nach der Einigung, die | |
Klimaschutzpolitik werde durch die Gesetzesänderung „vorausschauender, | |
flexibler und dadurch effizienter“. Die Bundesregierung trage künftig noch | |
stärker eine Gesamtverantwortung für die Einhaltung der Klimaziele. | |
Ein Bündnis aus Jurist*innen, Klimaaktivist*innen und | |
Umweltverbänden appelliert dagegen am Donnerstag an die | |
Bundestagsabgeordneten, gegen die Reform zu stimmen. | |
Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer nannte die Aufweichung eine | |
„gravierende politische Verantwortungslosigkeit“. | |
Unklar war zuletzt noch gewesen, ob die Abstimmung über die Novelle | |
tatsächlich schon am Freitag stattfinden würde. Der CDU-Abgeordnete Thomas | |
Heilmann hatte mit einem Eil-Antrag an das Bundesverfassungsgericht | |
versucht, die Entscheidung aufzuschieben. Er argumentierte, nach ihrer | |
Einigung habe die Ampel dem Parlament zu wenig Zeit gelassen, den finalen | |
Gesetzestext gründlich zu prüfen. Heilmanns Antrag auf einstweilige | |
Anordnung wies das Gericht allerdings am Donnerstag zurück. | |
26 Apr 2024 | |
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[1] /Verkehrssektor-verfehlt-Klimaziele/!6004123 | |
[2] /Klima-Urteil-des-EGMR/!6001342 | |
[3] /Reform-des-Klimaschutzgesetzes/!6002993 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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