| # taz.de -- Landesweite Aktionen: Bauern protestieren in Polen | |
| > Straßenblockaden vor Grenzübergängen: Polnische Landwirte wehren sich | |
| > gegen den Preisverfall. Anti-ukrainische Töne sind kaum zu hören. | |
| Bild: Bauernprotest in Lublin | |
| Warschau taz | In Kattowitz, der Hauptstadt Oberschlesiens in Polen, | |
| verschenken Bauern Äpfel, Kohlköpfe, Lauch, Eier, Milch und Honig. Neben | |
| auf Hochglanz polierten Treckern steht dort auch ein schwarzer Sarg. „Stopp | |
| dem [1][Green Deal]“ ist auf der daneben hängenden blauen EU-Flagge mit den | |
| goldenen Sternen zu lesen. Außerdem „Stopp dem Öko-Terrorismus“. | |
| Jacek Sznajder, der Wert darauf legt, keiner der großen | |
| Bauernorganisationen anzugehören, erklärt: „Wir wollen niemandem mit | |
| Straßenblockaden das Leben schwer machen, sondern zeigen, was wir | |
| herstellen: gesunde Lebensmittel!“ [2][Aber den polnischen Bauern gehe es | |
| schlecht.] Die Verkaufspreise lägen unter den Produktionskosten. „Da in dem | |
| Sarg“, sagt Sznajder, „liegt einer von uns. Wenn es so weitergeht, werden | |
| wir bald alle in so einem Sarg liegen. Das war es dann mit der polnischen | |
| Landwirtschaft.“ | |
| Ähnliches sagen die Bauern in ganz Polen. Am Mittwoch demonstrieren sie in | |
| fast 600 Orten. Meist blockieren sie wichtige Zufahrtsstraßen zu größeren | |
| Städten und Grenzübergänge. Doch die Polizei hat alles im Griff, lenkt den | |
| Verkehr über Umleitungen an den Blockaden vorbei. Nur wenige Autofahrer | |
| sind genervt. Zwar haben die gigantischen Traktoren und hochmodernen | |
| Landmaschinen bei vielen Städtern den Verdacht geweckt, dass die Bauern, | |
| die sich solche Trecker im Wert von bis zu 250.000 Euro leisten können, | |
| wohl nicht so bitterarm sind, wie sie behaupten. Doch die meisten Polen | |
| sympathisieren nach wie vor mit den Bauern und ihren Protesten. | |
| ## Wer ist Schuld am Preisverfall? | |
| Auffällig ist, dass in Kattowitz keine antiukrainischen Töne zu hören sind. | |
| Im Gegenteil: neben der weißroten Nationalfahne Polens hängt oft auch die | |
| blaugelbe der Ukraine sowie die gelbblaue Oberschlesiens. Was sich in den | |
| letzten Tagen aber ändert, sind die Argumente und Forderungen der Bauern an | |
| die Regierung. Denn Wissenschaftler und Journalisten haben sich die | |
| Import-Export-Zahlen landwirtschaftlicher Produkte genauer angesehen. Sie | |
| sind zu dem Schluss gekommen, dass der Transfer oder auch Import von | |
| ukrainischem Getreide nicht schuld sein kann am Preisverfall. | |
| Polen produzierte 2023 über 35 Millionen Tonnen Getreide, die ganze EU 280 | |
| Millionen Tonnen. [3][Aus der Ukraine kam 2023 eine Million Tonnen und 2022 | |
| vier Millionen Tonnen Getreide über die ukrainisch-polnische Grenze in die | |
| EU] – zu wenig, um einen signifikanten Einfluss auf den Preis zu haben. Der | |
| wird weltweit durch Angebot und Nachfrage auf Getreidebörsen wie etwa der | |
| MATIF in Paris gebildet. | |
| „Wir hatten 2023 eine Nachfrage nach 25 Millionen Tonnen Getreide“, sagt | |
| Slawomir Kalinowski, einer der Autoren der Studie „Das Korn des Streits“ | |
| dem Radiosender TOk FM. „Wir haben in Polen eine Überproduktion von zehn | |
| Millionen Tonnen Getreide, die exportiert oder eingelagert werden muss“, so | |
| Kalinowski. Allerdings zeigten die Zahlen, die das Warschauer Institut für | |
| Öffentliche Finanzen zusammengestellt habe, dass die Ernten weltweit sehr | |
| gut gewesen seien und die Verkaufspreise wohl in absehbarer Zeit nicht | |
| steigen würden. „Es ist völlig sinnlos, ein Handelsembargo gegen die | |
| Ukraine zu fordern. Es würde an den Weltmarktpreisen nichts ändern.“ | |
| Sznajder scheint diese Analyse zu kennen. Er fordert mehr Schutz für | |
| polnische Bauern und ihre Produkte vor der Billigkonkurrenz aus | |
| Nicht-EU-Staaten und die [4][Abmilderung der Green-Deal-Auflagen] durch | |
| Brüssel. Zudem eine Länder-Kennzeichnungspflicht für alle Lebensmittel | |
| sowie die Angabe, wie viel Kilo Pestizide auf einem Hektar ausgebracht | |
| wurden. Dann wisse jeder, was er auf dem Teller habe. | |
| 20 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
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