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# taz.de -- Bauernproteste in Polen: Putins polnisches EU-Einfallstor
> Polnische Bauern blockieren sechs Grenzübergänge aus der Ukraine für
> Lkws. Über die polnisch-russische Grenze kommen Waren aus Russland in die
> EU.
Bild: Protest polnischer Landwirte in Świecko, unweit der polnisch-deutschen G…
Zosin/Braniewo/Dorohusk taz | Den polnisch-ukrainischen Grenzübergang
Ustyluh-Zosin können seit Kurzem nur noch Pkws passieren. Die wenigen
Menschen, die in Leuchtwesten als Protestierende erkennbar sind,
interessiert der private Personenverkehr nicht. Sie blockieren lediglich
die Spur für Lastwagen.
Auch ukrainisches Getreide wird nicht, wie Anfang März, aus den Lkws geholt
und auf der Straße verstreut. Nach Warschau durften sie nicht mit ihren
Traktoren, blockierten jedoch die Ausfallstraßen der polnischen Hauptstadt.
Die Forderungen der polnischen Landwirte aber sind überall die gleichen:
Sie sehen die [1][Getreideimporte aus der Ukraine] als Ursache für den
Preisverfall und fordern eine Grenzschließung für ukrainische Lkws.
Außerdem soll die EU den „Green Deal“ aufkündigen, das Reformpaket, um die
EU bis 2050 klimaneutral zu machen.
An den Traktoren sieht man auf einem Transparent noch einen weiteren
Protest-Slogan: „Ukrainisches Getreide vergiftet unsere Kinder.“ Dies ist
eine Anspielung auf einen Skandal, der in den sozialen Medien kursierte:
Ukrainisches Getreide, das angeblich in eine polnische Geflügelfarm gelangt
war, habe anschließend bei Kindern, die das Geflügelfleisch gegessen
hatten, zu Vergiftungen geführt.
## Nur noch vier Züge
Ortswechsel: In der nordpolnischen Stadt Braniewo nahe der Grenze zur
russischen Exklave Kaliningrad gibt es keine Blockaden durch polnische
Bauern. Auch Parolen für ein Einfuhrverbot russischer Waren nach Polen und
in die restliche EU sind hier nicht zu sehen.
Früher kamen Russen aus Kaliningrad gerne nach Braniewo. Aber seit dem
Herbst 2023 ist der Grenzübergang für Pkws aus Russland geschlossen, heute
stehen dort Panzersperren. Vom Bahnhof fahren aktuell nur noch vier
Passagierzüge täglich in andere polnische Städte. Auf den Gleisen stehen
Waggons der russischen Eisenbahn, die von Diesellokomotiven hin und her
manövriert werden.
Auf den Terminals für Flüssigerdgas (LNG) stehen Namen russischer Firmen:
des größten russischen Petrochemiekonzerns Sibur und INK (Irkutsk Oil
Company). Eigentümer von Sibur ist die russische Novatek, deren
Anteilseigner sind unter anderem die russischen Oligarchen Leonid Michelson
und Gennadi Timtschenko.
Europa importiert aktiv russisches Flüssigerdgas. 2023 stieg der LNG-Import
in die EU um 40 Prozent. Anders als die USA hat die EU diese Importe nicht
[2][mit Sanktionen belegt]. „Nach wie vor geht die Hälfte der russischen
LNG-Exporte in die EU, die dafür jeden Monat eine Milliarde Dollar nach
Russland schickt“, schrieben Experten des Centre for Research on Energy and
Clean Air (CREA) und der NGO Business for Ukraine (B4Ukraine) im Dezember
2023.
## Resolution des polnischen Parlaments
In der Nähe von Braniewo befindet sich ein weiterer Grenzübergang,
gegenüber der russischen Stadt Bagrationowsk. Ein Teil des von Russland in
die EU exportierten Getreides kommt hier über die Grenze. Gerade hat das
polnische Parlament eine Resolution über die Verhängung von Sanktionen
gegen die Einfuhr russischer und belarussischer Agrarprodukte in die EU
verabschiedet. „Es ist unsere moralische Verpflichtung, den Handel zu
unterbinden, der direkt oder indirekt dazu beiträgt, dass Russland und das
es unterstützende Belarus ihren Krieg gegen die Ukraine fortsetzen können“,
heißt es darin.
Schon seit Längerem hatte die ukrainische Regierung ihren Kollegen in
Warschau erklärt, dass es eben die Importe aus Russland seien, die die
Preise in Polen drückten. Zuvor hatte Premier Donald Tusk gefordert, die EU
solle den Getreidehandel mit Russland einstellen.
Von der Idylle nahe der Ostseeküste ist am polnisch-ukrainischen
Grenzübergang Jahodyn-Dorohusk nichts zu spüren. Auf acht Kilometer reihen
sich die Lkws aneinander. Im ukrainischen Jahodyn – Leere. Am Übergang –
für 1.000 Lkws pro Tag ausgelegt – kommen an diesem Tag nur 70 über die
Grenze in die Ukraine.
Noch haben Polens Landwirte keine Einigung mit der Regierung erzielt. Für
den 20. März haben sie neue Proteste angekündigt, wollen die Grenze zur
Ukraine bis Ende April blockieren. Dann finden in Polen Kommunalwahlen
statt – vielleicht für die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und die
prorussische Konföderation eine Chance zur Revanche.
Aus dem Ukrainischen Gaby Coldewey
18 Mar 2024
## LINKS
[1] /Ukraine-Exporte-ueber-das-Schwarze-Meer/!5994885
[2] /Wirtschaftssanktionen-gegen-Russland/!5989382
## AUTOREN
Juri Konkewitsch
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