# taz.de -- Ukraine-Exporte über das Schwarze Meer: Der Seeweg ist wieder offen | |
> Militärische Erfolge ermöglichen der Ukraine deutlich mehr Exporte über | |
> das Schwarze Meer. Dabei geht es auch um Getreidelieferungen. | |
Bild: Getreide in Sicht: Die ukrainische Küstenwache kontrolliert die Zufahrt … | |
ODESSA/KYJIW taz | Im Winterdunst ist zwar nicht viel zu sehen von der | |
Bucht von Odessa, aber dass Passanten überhaupt wieder zu Fuß an das obere | |
Ende der großen Treppe über dem Hafen dürfen, ist durchaus symbolisch: Der | |
Weg übers Meer ist wieder offen. Weiter geht es an der Treppe jedoch nicht. | |
Eine Polizistin wacht über das Flatterband. Ein Schild weist an, dass | |
fotografieren verboten ist. | |
Der ukrainische Getreideexport über das Schwarze Meer hat im Januar 2024 | |
wieder Vorkriegsniveau erreicht. Und auch im Februar wurden insgesamt „über | |
8 Millionen Tonnen verschiedener Produkte exportiert, davon mehr als 5 | |
Millionen Tonnen Agrargüter“, sagte Denis Marchuk, stellvertretender | |
Vorsitzender des ukrainischen Agrarverbands, Anfang März in Kyjiw. | |
Dies sei eine der stärksten Exportleistungen seit Beginn der russischen | |
Invasion. „Wir beobachten einen erheblichen Aufschwung der | |
Geschäftstätigkeit, der auf das Vertrauen und die Sicherheit zurückzuführen | |
ist, die die Streitkräfte der Ukraine im Schwarzen Meer vermittelt haben.“ | |
Inzwischen verschiffe die Ukraine wieder 80 Prozent ihrer Agrargüter über | |
das Schwarze Meer. Rund 10 Prozent würden über die Donauhäfen abgewickelt. | |
Nur noch etwa 3 bis 5 Prozent dieser Produkte würden über Polen | |
transportiert. Das entspreche einer Menge von etwa 300.000 bis 350.000 | |
Tonnen pro Monat. An den polnischen Grenzübergängen zur Ukraine gibt es | |
[1][seit Monaten Proteste polnischer Bauern] gegen eine angebliche | |
Überflutung des Marktes mit billigerem ukrainischem Getreide. | |
## Russische Schwarzmeerflotte hat teils die Kontrolle verloren | |
Verglichen mit der Situation von 2022, als die Ausfuhr aus den ukrainischen | |
Schwarzmeerhäfen praktisch blockiert war, ist das ein riesiger Unterschied. | |
Seinerzeit war die Nahrungsmittelsicherheit von Hunderten Millionen | |
Menschen direkt bedroht. Die Preise stiegen. Eine Zwischenlösung bot der | |
unter türkischer Vermittlung vereinbarte Getreidedeal: Russland erlaubte | |
eine begrenzte Zahl von Schiffen auf festgelegten Routen. Die Türkei sollte | |
mit Inspektionen garantieren, dass nichts Kriegswichtiges transportiert | |
wird. Doch im Juli 2023 [2][kündigte der Kreml einseitig den Deal] und | |
drohte damit, alle Schiffe zu versenken, die ukrainische Häfen anlaufen. | |
Die russische Schwarzmeerflotte hat jedoch die Kontrolle über den | |
westlichen Teil des Schwarzen Meeres verloren und gerät auch im zentralen | |
Teil immer mehr unter Druck. Und das gegen einen Kriegsgegner, der | |
praktisch keine Marine besitzt. | |
Verluste häufen sich. Schon zum Jahreswechsel waren nach ukrainischen | |
Angaben rund 20 Prozent der russischen Schiffe außer Gefecht gesetzt. | |
Seitdem sind weitere gesunken. Nun soll laut einem Bericht der kremlnahen | |
Zeitung Iswjestija wohl der russische Marinechef Nikolai Jewmenow seinen | |
Posten verlieren. Kremlsprecher Dmitri Peskow wollte das nicht | |
kommentieren. Es gebe geheime Dekrete, sagte er. | |
Am 5. März versenkte die Ukraine die Korvette „Sergei Kotow“ vor Feodossija | |
auf der Krim. Mitte Februar hatte es das Landungsschiff „Zesar Kunikow“ | |
rund 17 Kilometer von Jalta entfernt erwischt. In beiden Fällen kamen wohl | |
Überwasserdrohnen zum Einsatz. Auch in den Häfen sind die russischen | |
Schiffe nicht sicher: So blieb vom Landungsschiff „Nowotscherkassk“ nicht | |
viel übrig, nachdem es offenbar von einem Marschflugkörper im Hafen von | |
Feodossija getroffen wurde. Videos von einer enormen Explosion deuteten | |
darauf hin, dass das Schiff wohl Munition geladen hatte. | |
## Die Exporte bringen dem Staat Steuern | |
Besonders schmerzhaft dürften auch die Angriffe auf Sewastopol gewesen | |
sein: Dort wurden im Trockendock liegend das U-Boot „Rostow am Don“ und die | |
„Minsk“ zerstört. Außerdem wurde das Hauptquartier der Flotte selbst | |
getroffen. Anfang September hatte die Ukraine auch mehrere | |
Gasförderplattformen im Schwarzen Meer südlich von Odessa wieder unter ihre | |
Kontrolle gebracht, auf denen die Russen Radarsysteme installiert hatten. | |
In der ukrainischen Regierung ist man entsprechend positiv gestimmt. „Von | |
Juli bis Januar haben mehr als 660 Schiffe den neuen Getreidekorridor | |
bereits passiert und rund 20 Millionen Tonnen Fracht in 32 Länder der Welt | |
transportiert“, so Premierminister Denys Shmyhal. | |
Im Januar beliefen sich die gesamten ukrainischen Exporte demnach auf einen | |
Wert von 3,1 Milliarden Dollar, davon seien 1,9 Milliarden Dollar Exporte | |
auf dem Seeweg gewesen. Das bringt dem Staat Steuern. „Für eine bessere | |
Unterstützung des Militärs, für Drohnen und Munition, für innovative | |
militärische Verteidigungsprodukte und vieles mehr“, so Shmyhal. | |
## Auch in der Luft hat Russland Verluste | |
Auch die russische Luftwaffe erlebt derzeit schwierige Zeiten. Und das, | |
obwohl die Ukraine noch keinen einzigen der versprochenen F16-Jets bekommen | |
hat. Wie Präsident Selenskyj Anfang März in einer seiner Videobotschaften | |
mitteilte, seien in der zweiten Februarhälfte allein 13 russische Flugzeuge | |
abgeschossen worden. | |
Oft geschah das bei Einsätzen in Frontnähe, wo die russischen Streitkräfte | |
ihre lokale Luftüberlegenheit für Bombenangriffe auf die Frontstellungen | |
der Ukrainer nutzten. Das Kyjiwer Center for Defense Strategies geht davon | |
aus, dass die russischen Piloten höhere Risiken eingehen mussten, weil | |
Awdijiwka unbedingt eingenommen werden sollte. | |
Möglicherweise folgenreich dürfte für Russland auch der Verlust von | |
inzwischen drei A50-Flugzeugen sein. Diese Maschinen sind das russische | |
Äquivalent zu den amerikanischen Awacs und dienen der Luftraumüberwachung. | |
Mit ihrem auf den Rumpf montierten Radarteller können die A50 Hunderte | |
Kilometer weit sehen. | |
Das ist wichtig, um gegnerische Flugzeuge oder Raketen frühzeitig zu | |
erkennen, aber auch, um die eigenen zu koordinieren. Die A50 sind nicht nur | |
teuer, sondern auch selten, auch sind ihre Crews schwierig zu ersetzen. | |
Beobachter gehen davon aus, dass die russische Luftwaffe nur eine niedrige | |
zweistellige Anzahl besitzt und davon auch nicht alle einsatzfähig waren. | |
12 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Marco Zschieck | |
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