# taz.de -- EU-Ökolabel für Atomkraft und Gas: Greenwashing statt Energiewende | |
> Gas und Atomenergie als nachhaltig zu labeln, ist Unsinn, spielt aber für | |
> die Energiewende keine Rolle. Investiert wird immer – wenn Profite | |
> winken. | |
Bild: Jetzt mich Nachhaltigkeitslabel: Atomkraftwerk | |
Natürlich ist es erstaunlicher Unsinn, dass die EU-Kommission [1][Gas und | |
Atomkraft als „nachhaltige Energien“ labeln] will. Gas ist ein fossiler | |
Brennstoff und emittiert sehr viel CO2, und über [2][Atomkraft] muss man | |
gar nicht erst reden: Sichere Endlager fehlen bis heute, und | |
Nuklearkatastrophen sind jederzeit möglich. Dennoch ist es kein politisches | |
Desaster, dass das EU-Parlament dieser absurden „Taxonomie“ jetzt | |
zugestimmt hat. | |
Denn im Kern handelt es sich nur um Symbolpolitik, die die Energiewende | |
weder befördern noch lähmen wird. Die Umweltverbände haben zwar recht, dass | |
es in der Finanzbranche demnächst zu einem munteren „Greenwashing“ kommen | |
dürfte. Wenn Gas erst mal als „nachhaltig“ gilt, werden Fonds und Anleger | |
gern damit werben, dass ihre fossilen Investitionen „grün“ seien. | |
Aber die eigentliche Sorge ist falsch: Die Umweltverbände fürchten, dass | |
die nötigen Gelder für die erneuerbaren Energien fehlen könnten, weil die | |
Anleger fortan nur noch in Gaskraftwerke investieren. Implizit unterstellen | |
die Aktivisten also, dass das Geld knapp sein könnte. Dies ist ein | |
grandioser Irrtum. Geld gibt es im Überfluss – jedenfalls bei den | |
Wohlhabenden. Sie wissen gar nicht, wohin mit ihrem Vermögen. | |
Auch in [3][Windräder] würden die Anleger gern investieren. Leider gibt es | |
momentan jedoch gar nicht genug Flächen für die Rotoren, weil viele | |
Bundesländer den Ausbau torpedieren. Das zentrale Problem taucht an einer | |
anderen Stelle auf, als es die gesamte Taxonomie-Debatte nahelegt. Anleger | |
investieren nur, wenn sie Gewinne erwarten. Große Teile der Energiewende | |
sind aber so teuer, dass sich dort kein einziger Investor finden wird – es | |
sei denn, dass üppige Staatssubventionen fließen. | |
Dies gilt für [4][Wasserstoff-Elektrolyseure] genauso wie für grünen Stahl. | |
Viele EU-Staaten wollen Gas und Atomkraft als „nachhaltig“ einstufen, weil | |
sie nicht wissen, wie sie sonst die Energielücken schließen sollen. Es wird | |
schon schwer genug, auf Kohle, Benzin und Diesel zu verzichten. Da will man | |
wenigstens Gas behalten. Auch die deutsche Politik hat in Wahrheit keine | |
Antwort, wie sie jemals klimaneutral werden will. | |
Eine kleine Zahl macht die Herausforderungen deutlich: Die Windenergie | |
deckt derzeit etwa 4,7 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs ab. Sie | |
kann Gas gar nicht ersetzen. Grüne und Umweltverbände tun so, als wäre die | |
EU-Taxonomie eine wichtige Ursache, warum es zur Klimakatastrophe kommt. | |
Doch in Wahrheit ist die Taxonomie nur ein Symptom für den Mangel an echten | |
Lösungen. Sie zeigt, wie schwer die Energiewende tatsächlich wird. | |
6 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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