| # taz.de -- Drohnenkrieg in Afghanistan: Zu Taliban umdeklariert | |
| > Viele zivile Opfer von US-Angriffen mit Drohnen werden in Afghanistan | |
| > posthum einfach zu Extremisten erklärt. Und präzise sind die Angriffe | |
| > auch nicht. | |
| Bild: Ein Mann im Jemen passiert Graffiti gegen Drohnenangriffe. | |
| BERLIN taz | Der Lebensmittelstand ist völlig zerstört. Daneben liegen | |
| zerfetze Körperteile des Besitzers, des 21-jährigen Sadiq Rahim Jan. Das | |
| Leben des jungen Afghanen nahm im Juli 2012 durch einen Drohnenangriff ein | |
| jähes Ende. | |
| Seine Familie verlor nicht nur ihren Hauptversorger – Sadiq kümmerte sich | |
| um seine Eltern wie um seine drei Geschwister, sondern musste auch erleben, | |
| wie er von mehreren afghanischen Medien posthum zum „Taliban-Kommandeur“ | |
| erklärt wurde. | |
| Sadiq Rahim Jan führte den einzigen Lebensmittelstand im Ort Gardda Zarrai | |
| in der ostafghanischen Provinz Paktia. Viele dort kannten ihn, vor allem | |
| Kinder, denen er gern Süßigkeiten zusteckte. | |
| Warum er zum Ziel eines Drohnen-Piloten wurde, der vielleicht im | |
| amerikanischen Langley oder im deutschen Ramstein saß, weiß niemand. In | |
| Gardda Zarrai gab es an jenem Tag nur einen Drohnenangriff und ein einziges | |
| Opfer. | |
| ## Alltägliche Drohnenangriffe | |
| Die Zahl der Drohnenangriffe ist unbekannt. Das US-Militär macht keine | |
| Angaben dazu. Doch die Bedrohung durch Drohnen gehört mittlerweile zum | |
| Alltag vieler Menschen in Afghanistan, vor allem im Süden und Osten. | |
| Das Bureau of Investigative Journalism (TBIJ) – eine Journalistengruppe in | |
| London – nennt das Land am Hindukusch das „am meisten von Drohnen | |
| bombardierte Land der Welt“. | |
| An Sadiqs Tod zeigt sich auch, dass viele Medien in Kabul wie Khaama Press | |
| oder der US-finanzierte Radiosender Radio Azadi (früher Radio Free | |
| Afghanistan) nicht seriös arbeiten. Sie berichteten von einem von einer | |
| Drohne in Gardda Zarrai getöteten Taliban-Kommandanten. | |
| Sadiqs Familie war empört. Kein einziger Journalist war zu ihnen gekommen. | |
| Stattdessen hatte man Sadiq einfach zum Extremisten erklärt. Aus Protest | |
| wandte sich die Familie an Armee und Polizei. Warum sein Sohn getötet wurde | |
| und warum man ihn nun als Talib bezeichnet, wollte der Vater vergeblich | |
| wissen. | |
| Wie kann ein junger Mann ohne jegliche Verbindung zu den Taliban oder | |
| anderen Extremisten als solcher bezeichnet werden? Recherchen zeigen, dass | |
| dies kein Einzelfall ist. Drohnen-Opfer aus Afghanistan oder dem | |
| Grenzgebiet mit Pakistan werden oft willkürlich als „Extremisten“, | |
| „mutmaßliche Terroristen“ oder „Militante“ bezeichnet. | |
| ## Lange Haare + Bart = Talib | |
| Der Fotojournalist Noor Behram aus dem pakistanischen Waziristan, das zu | |
| den Hauptschauplätzen des US-Drohnenkriegs gehört, kam nach Gesprächen mit | |
| pakistanischen Journalisten zu dem Schluss, dass es für viele Medien | |
| ausreicht, wenn Opfer lange Haare und einen Bart hatten. Da dies auf fast | |
| jeden Afghanen und vor allem Paschtunen zutrifft, ließe sich jeder als | |
| „Terrorist“ bezeichnen. Auch Sadiq Rahim Jan hatte Bart und lange Haare. | |
| Recherchen in Gebieten mit Drohnenangriffen sind schwierig, da die Gebiete | |
| oft umkämpft sind. Genaue Zahlen lassen sich kaum ermitteln. Selbst die | |
| Mitarbeiter des erwähnten TBIJ, die zu den wenigen Journalisten in | |
| Waziristan gehören, erklären, dass nur ein Bruchteil des Geschehens | |
| recherchiert werden könne. | |
| Die britische Menschenrechtsorganisation Reprieve kalkuliert auf der Basis | |
| der Auswertung von Medienberichten sowie der TBIJ-Recherchen für die Zeit | |
| von November 2002 bis November 2014 für 41 Zielpersonen in Pakistan und dem | |
| Jemen 1.147 durch Drohnen getötete Zivilisten. Zu den Zielen gehören | |
| Al-Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri sowie Dschalaluddin Haqqani, Gründer des | |
| berüchtigten Haqqani-Netzwerks. | |
| Sie leben noch, andere wurden angeblich schon mehrfach mit Drohnen getötet. | |
| Dies zeigt: Die gern gelobte „Präzision“ der Drohnenangriffe gibt es nicht | |
| und die Tötung von Zivilisten wird dabei in Kauf genommen. | |
| 18 Dec 2014 | |
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