# taz.de -- Zivile Opfer im Drohnenkrieg: „Wir fühlen uns alleingelassen“ | |
> Die Angehörigen der Opfer der US-Drohnenangriffe finden in Pakistan kein | |
> Gehör – trotz starker Zweifel an den Opferzahlen der US-Regierung. | |
Bild: Protest gegen zivile Drohnenopfer gibt es auch im Jemen: Graffiti in Sana… | |
BERLIN taz | „Die amerikanische Regierung hat meinen Bruder getötet. Ich | |
weiß nicht, welche Personen im Einzelnen dafür verantwortlich sind, aber | |
ich will, dass sie eine gerechte Strafe erhalten“, meint Mohammed Kasim. | |
Sein 26-jähriger Bruder Mohammed Asam wurde im Mai durch einen | |
US-Drohnen-Angriff in der pakistanischen Provinz Belutschistan getötet. | |
Asam war Taxifahrer. Als die Drohne auf seinen Wagen zielte, war Asam nicht | |
allein. Der Angriff galt dem Fahrgast, Mullah Akhtar Mohammed Mansur, dem | |
damaligen Führer der afghanischen Taliban. Die Drohne tötete auch ihn. | |
Später wurde bekannt, dass der Taliban-Chef einen gefälschten Reisepass | |
hatte. Ob Asam von der wahren Identität seines Fahrgastes wusste, ist | |
unklar. Seine Familie behauptet, er sei ahnungslos gewesen. | |
## Opfer war Hauptversorger der Familie | |
„Mein Neffe war unschuldig und sehr arm. Er versorgte allein die ganze | |
Familie. Wie viele andere Drohnenopfer hatte er keinerlei Verbindungen zu | |
extremistischen Gruppierungen“, meint Asams Onkel Hadschi Khuda-i-Nasar. | |
Bereits im Mai erstattete Kasim Anzeige gegen die USA bei einer | |
Polizeistelle im Distrikt Noshki. Darin beschrieb er Asams letzte Stunden | |
vor seinem Tod sowie die Ansicht der Familie, dass er unschuldig gewesen | |
sei. | |
Doch Kasim bekam keinerlei juristische oder politische Unterstützung. Die | |
Medienberichte fokussierten sich auf den Taliban-Chef, Asam geriet in den | |
Hintergrund. | |
„Niemand interessiert sich für meinen toten Bruder. Kein einziger Politiker | |
sprach sein Beileid aus. Wir fühlen uns total alleingelassen“, sagt Kasim, | |
der aus sehr ärmlichen Verhältnissen stammt. | |
## Auch Oppositionspolitiker unternehmen nichts | |
Seine Familie kann sich keinen Anwalt leisten. Auch Oppositionspolitiker, | |
die früher Drohnenangriffe kritisierten, unternahmen jetzt nichts. | |
Im Juli veröffentlichte das Weiße Haus erstmals Zahlenangaben zu zivilen | |
Opfern des Drohnenkriegs während der Präsidentschaft Barack Obamas: Von | |
2009 bis 2015 hätten 473 Drohnenangriffe in Pakistan, Libyen, Somalia und | |
dem Jemen stattgefunden. Dabei wurden angeblich 2.372 bis 2.581 | |
„terroristische Kämpfer“ sowie 64 bis 116 Zivilisten getötet. | |
Beobachter bezweifeln diese Zählung. Selbst die konservativsten Schätzungen | |
über zivile Drohnenopfer übertreffen die Angaben des Weißen Hauses weit. | |
Laut The Bureau of Investigative Journalism (TBIJ), einer in London | |
ansässigen Journalistengruppe, wurden in dem Zeitraum in den besagten | |
Staaten über 800 Zivilisten bei Drohnenangriffen der USA getötet. | |
Nimmt man die Zeit der Bush-Regierung hinzu, würde die Zahl ziviler | |
Todesopfer bei über 1.000 liegen. Laut TBIJ waren in Pakistan mehr als 80 | |
Prozent der identifizierten Drohnenopfer Zivilisten. | |
## Offizielle Zahlen nicht überprüfbar | |
„Die Veröffentlichung der Daten ist ein willkommener Schritt zu mehr | |
Transparenz. Doch haben wir weiterhin keine Informationen über einzelne | |
Angriffe, speziell jene, die laut unserer Beobachtung eine hohe Zahl von | |
Zivilisten getötet haben. Das macht es für uns unmöglich, unsere Zahlen mit | |
denen des Weißen Hauses zu vergleichen“, meint Jack Serle vom TBIJ. | |
„Das Weiße Haus hat seine Angaben nicht einmal nach Jahr oder Land | |
geordnet. So können wir weiterhin nicht einschätzen, inwiefern der | |
Drohnenkrieg seit Obamas erstem Angriff am 23. Januar 2009, bei dem | |
mindestens neun Zivilisten getötet wurden, fortgeführt wird.“ | |
31 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Emran Feroz | |
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