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# taz.de -- Dokumentarfilm „Krieg & Spiele“: Ferngesteuerte Waffensysteme
> Drohnen und Computergames: In „Krieg & Spiele“ entlockt Filmemacherin
> Karin Jurschick ihrem Material essayistische Freiräume.
Bild: Kein Spielzeug: Drohne Predator B in der Werkhalle von General Atomics.
Auf der diesjährigen Berlinale wurde in einem Special der von der ARD
koproduzierte Dokumentarfilm „National Bird“ von Sonia Kennebeck
vorgestellt, der mit Hilfe dreier Whistleblower den Folgen der von Barack
Obama stark ausgeweiteten tödlichen Drohnenattacken im Mittleren Osten
nachspürt. Ein Krieg, bei dem viele der Täter auch zu Opfern werden.
Nicht weit entfernt scheint das Sujet von Karin Jurschicks neuem Film. Denn
auch „Krieg & Spiele“ knüpft an den beängstigenden Boom unbemannter
Luftfahrzeuge an (so die offizielle Bezeichnung) und lässt sich gleich zu
Beginn von dem Amateur-Drohnen-Piloten und ehemaligen DDR-Modellflugmeister
Dietrich Oepke hinter dem Haus stolz einen Multicopter mit selbst
gebastelter Kameravorrichtung vorführen.
Dann reist die Regisseurin nach Israel, um bei Profis den Einsatz unter
Kriegsbedingungen zu studieren. Die Miniflieger-Pioniere um Exdirektor
David Harari bei Israel Aerospace Industries sind stolz, mit der
Entwicklung der zielgenauen Technik „auf beiden Seiten“ viele Menschenleben
gerettet zu haben, und eröffnen mit diesem Kerntopos der Drohnen-Apologetik
auch in diesem Film direkt die Ethik-Debatte, die seit Jahrzehnten den
Einsatz ferngesteuerter Waffensysteme begleitet.
Theoretisch unterfüttert werden sie von Moralphilosoph Daniel Statman und –
zurück in Deutschland – Herfried Münkler, der die „feigen“ Distanzwaffen
als durchaus stimmigen Ausdruck eines postheroischen Zeitalters sieht.
Doch dann tut Jurschicks Film einen großen begrifflichen Schritt und
erweitert das Diskursfeld konsequent zu anderen autonomen Kampfmaschinen
und ihren eng verbändelten zivilen Gegenstücken im Gaming-Bereich. Und geht
vom Ausbildungscockpit zum Joystick und von Israel in die USA, wo
Wissenschaftler an den rasant expandierenden Grenzen künstlicher
Intelligenz forschen und ein Mann wie Dave Anthony vom
Kriegsspiel-Entwickler („Call of Duty“) zum Politikberater geworden ist.
## Hochintelligente Feinde
Euphorie und Ängste liegen da so nah beieinander wie Genialität und blanker
Wille zur Macht. Und wenn am Ende die deutsche Big-Data-Unternehmerin
Yvonne Hofstetter vor einer Welt warnt, in der die selbst programmierten
Waffensysteme uns als hochintelligente Feinde gegenüberstehen könnten,
kommt einem als bizarres Gegenbild der derzeitige dumpfe
Steinzeit-Terrorismus mit Axt und Machete in den Sinn.
Jurschick hatte einst das Internationale Frauenfilmfestival Feminale in
Köln mitgegründet und viele Jahre als Journalistin gearbeitet, bevor sie
2001 mit ihrem preisgekrönten Langfilmdebüt „Danach hätte es schön sein
können“ auch als erfreulich eigenwillige Autorin Aufmerksamkeit erregte.
Nach diesem ebenso persönlichen wie allgemeingültigen Blick auf eine
Kindheit in den patriarchal geprägten deutschen 50er Jahren, erhielt sie
2004 für die Erforschung des Machtfelds von Frauenhandel und
UN-Hilfseinsätzen in Exjugoslawien („Die Helfer und die Frauen“) den
Grimme-Preis.
## Interviews und Kommentar
Als ZDF/3Sat/WDR-Koproduktion kommt „Krieg &Spiele“ in der derzeit
populären Form der Presenter-Reportage mit Interviews und Kommentar. Doch
der erfahrenen Filmemacherin Jurschick gelingt es, der klassischen
Konstellation in der Montage essayistische Freiräume zu entlocken; und
gemeinsam mit Kameramann Johann Feindt auch bei den Gesprächen, etwa durch
eine präzise Mise en Scène der unterschiedlichen Räume, Akzente zu setzen.
Der Musikeinsatz ist für das Genre eher sparsam. Überhaupt enthält sich
„Krieg & Spiele“ erfreulicherweise der beim Thema üblichen Aufgeregtheit
und eröffnet lieber Denkbewegungen als Ängste zu schüren. Bewundernswert
dabei, wie es der Filmemacherin in jahrelanger Vorarbeit gelungen ist,
Vertreter und Orte des öffentlichkeitsscheuen Gewerbes überhaupt vor die
Kamera zu bekommen und so im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn
unbekannte Einsichten zu liefern.
19 Aug 2016
## AUTOREN
Silvia Hallensleben
## TAGS
Dokumentarfilm
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Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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