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# taz.de -- Dokumentarfilm über das Dark Web: Was seit 1984 im Netz geschah
> Drogen, Waffen, Kinderpornos, aber auch Schutz vor totalitärer
> Repression. „Down the Deep, Dark Web“ erkundet virtuelle Anonymität.
Bild: Manche Dinge bespricht man besser anonym
Internetkommunikation ohne Big Brother im Nacken? Das Darknet macht es
möglich. Ein Download des Tor-Browser-Pakets reicht für die Reise in die
Anonymität. Wer will, kann hier Drogen, Diebesgut und Sprengstoff erstehen
oder YouTube mit Tierquälerei und Kinderpornografie gucken, ohne dass er
polizeiliche Verfolgung fürchten müsste. Das „Abgefahrenste“ für den
amerikanisch-israelischen Journalisten Yuval Orr war die Webseite „Cannibal
Cafe“, die mit dem Werbeslogan „Serving Humanity“ Frischfleisch per
Knopfdruck vermarktet.
„Down the Deep, Dark Web“ feierte beim Jerusalemer Filmfestival vergangenen
Samstag Premiere. Zusammen mit den beiden israelischen Regisseuren Duki
Dror und Tzahi Schiff lässt Orr die Zuschauer für knapp 60 Minuten
abtauchen in die Welt des Darknet, das nicht nur düstere Seiten hat. Für
Regimekritiker in totalitären Staaten ist es die einzige Chance zur
Kommunikation im Internet vorbei an staatlicher Überwachung.
Tor (Initialwort für The Onion Router) „schützt Sie davor, Ihren
Nachrichtenaustausch preiszugeben“, heißt es auf der Webseite. „Es
verhindert, dass jemand Ihre Internetverbindung beobachtet und in Erfahrung
bringt, welche Webseiten Sie besuchen.“ Der Absender bleibt im Verborgenen,
weil Tor die Nachrichten über eine Unzahl von Rechnern in verschiedenen
Ländern umleitet, bevor sie ihr Ziel erreichen. „Privatsphäre ist wichtig�…
erklärte einst Whistleblower Edward Snowden, denn sie „lässt uns darüber
entscheiden, wer wir sind und wer wir sein wollen.“ „Wir können nicht 100
Prozent Sicherheit haben und dann auch 100 Prozent Privatsphäre und null
Unannehmlichkeiten“, zitiert der Film US-Präsident Barack Obama.
In Israel, wo es fast täglich zu Terrorattacken kommt, läuft momentan die
öffentliche Debatte in eine andere Richtung. Facebook, so heißt der neue
Feind. Facebook ist ein „Instrument zum Mord von Juden“, kommentierte die
Jerusalem Post diesen Monat, und im Justizministerium wird derzeit über ein
„Facebook-Gesetz“ nachgedacht, das hetzerische Inhalte in den sozialen
Netzwerken verbieten würde.
## Gewaltaufrufe über Facebook
„Es gab schon Fälle, in denen Palästinenser verhaftet wurden, weil sie über
Facebook oder Twitter zur Gewalt aufriefen“, erinnert Orr. Datenschutz ist
kaum ein Thema im Land. Wenn es der Sicherheit nützt, stellt sich niemand
dem Shin Beth, dem inländischen Nachrichtendienst, in den Weg. Dass auch
das Darknet den Sicherheitsapparat beschäftigt, ist Insider-Information.
Orr findet während der Dreharbeiten heraus, dass die Cyber-Abteilung von
Israels Polizei „weltweit bei der Untersuchung des Darknet führend ist“ und
„sogar einmal dem FBI dabei half“, eine der großen Webseiten im Darknet zu
schließen.
Mehr und mehr, so berichtet ein führender Beamter der Cyber-Abteilung,
rücken Verbrechen von der physischen Welt ins Internet. „Die Leute glauben,
dass sie online anonym bleiben können und für Verbrechen nicht belangt
werden“, erklärt der Polizist im Film. Ido Naor, führender Mitarbeiter der
IT-Sicherheitsfirma Kaspersky, kontert im Verlauf einer Diskussion nach der
Filmvorführung. „Wir arbeiten zum Wohl von Recht und Ordnung in der Welt“,
sagt er. Das russische Unternehmen Kaspersky ist bekannt für seine
Antivirenprogramme und den Hackern auf den Fersen, um die eigenen Kunden zu
schützen. Das Darknet bezeichnet Naor als „Waffe“ allein durch die
Tatsache, dass „Terroristen es nutzen können, ohne erwischt zu werden“.
In einer Szene des Films läuft Yuval Orr über den Alexanderplatz, sieht die
Kameras und fragt sich, ob wirklich alles ans Licht muss. „George Orwell
war optimistisch“, sagt ein Hacker aus Berlin, der sich im Film
„Schmuggler“ nennt und das Gesicht mit Sonnenbrille und Mundschutz
verbirgt. „Aus technologischer Sicht ist es heute viel schlimmer“ als
Orwells Perspektive für 1984. Wenn es einen Knopf gäbe, der alle
Regierungen verschwinden lassen würde, sagt er, „dann würde ich jetzt
sofort auf diesen Knopf drücken“.
## Regierung ohne Land
Orr lernt „Schmuggler“ in Prag kennen bei einer internationalen Konferenz
der Krypto-Anarchisten, die auf eine Dezentralisierung abzielen, weg von
Bürokratie, Steuern und staatlicher Kontrolle. Für Martin Leskovjan,
Gründungsmitglied des Kryptoanarchie-Instituts in Prag, haben nationale
Grenzen keinen Sinn im Darknet, wo es völlig egal ist, aus welcher Ecke der
Welt man dazustößt. Das zentrale Projekt der Krypto-Anarchisten ist ein
virtueller Staat: Bitnation. „Wir sollten die Krypto-Anarchisten sehr ernst
nehmen“, sagt Orr. Schließlich hätten sie „schon vor 20 Jahren
Entwicklungen wie Wikileaks oder Bitcoin“ vorausgesehen. Bitcoin ist eine
digitale Währung, die es ermöglicht, Handel vorbei an Banken und Zöllen zu
treiben – auch mit Medikamenten, die im Darknet möglicherweise billiger zu
erstehen sind als in der Apotheke an der Ecke.
Orr trifft auch die Bitnation-Gründerin Susanne Tarkowski Tempelhof, die
von einem „staatenlosen Staat“ spricht, in dem sich Menschen „mit gleichen
Wertvorstellungen treffen“. Eine Regierung ohne Land müsse keine Angst
haben, die Regierung zu verlieren, sagt sie. Nie mehr Krieg? Bitnation
würde staatliche Institutionen ersetzen, eigene Botschaften unterhalten und
mit Hilfe von Block Chain, der Technik, die auch Bitcoin nutzt, und
digitaler Unterschrift Pässe ausstellen können. „Schon jetzt gibt es
Eheverträge, die tatsächlich von einem existierenden Land, von Estland,
anerkannt werden“, sagt Orr.
Am Ende des Films stellt er sich selbst die Frage, was passieren würde,
wenn es keine Staaten mehr gäbe. „Wäre es Chaos oder ein neuer Anfang? Der
Staat wolle uns glauben machen, dass es allein um Sicherheit ginge. „Wenn
wir die Grenzen nicht setzen und Fragen stellen, wer sollte es dann tun?“
21 Jul 2016
## AUTOREN
Susanne Knaul
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Tor-Netzwerk
Anarchie
Bitcoin
Duma
Lesestück Recherche und Reportage
Datenschutz
Dokumentarfilm
Biometrie
Internet
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Silk Road
Drogen
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