| # taz.de -- Drogen im digitalen Untergrund: Wie ich auf der Silk Road Gras kauf… | |
| > Der bekannteste Drogenumschlagplatz im Darknet heißt Silk Road. | |
| > Rauschmittel gibt es dort listenweise wie auf eBay. Kommen sie auch an? | |
| Bild: Bisher nur in Uruguay legal zu bekommen. | |
| Ich brauche also erst einmal diese Bitcoins, die digitale Währung von der | |
| man gerade überall liest. Wenn ich auf der [1][Silk Road], einem der | |
| größten Drogenumschlagplätze im Untergrund des Internets, Gras kaufen will, | |
| muss ich mir irgendwoher diese digitalen Münzen besorgen. | |
| Der Schritt kommt mir deutlich weniger verrucht vor als noch vor einigen | |
| Monaten. Immerhin haben ja sowohl der Chef der Notenbank der USA als auch | |
| der Chef des Online-Bezahldienstes PayPal gerade erst mehr oder weniger | |
| verklausuliert erklärt, dass es Sinn machen könnte, die Bitcoins ernst zu | |
| nehmen. | |
| Das macht die Sache für mich allerdings nicht einfacher. Ich kann zwar ganz | |
| gut erklären, wie Bitcoins theoretisch funktionieren, wieso sie | |
| unkompliziert sind und schnelles Bezahlen ermöglichen, wie sie auf | |
| speziellen Rechnern digital gedruckt werden und warum sie Anonymität | |
| gewährleisten. Aber so ist das bei Journalisten ja oft. Theoretisch hat man | |
| die Sache ganz gut im Griff, praktisch aber wenig Ahnung. | |
| Der Gras-Einkauf soll ein Realitätscheck sein. Ich habe mich einige Wochen | |
| lang durch die Seiten des Darknets geklickt, durch jenen Bereich des | |
| Internets, den Suchmaschinen wie Google nicht anzeigen. Ich habe mir dafür | |
| den Tor-Browser heruntergeladen und über das Adressverzeichnis des „Hidden | |
| Wiki“ - einer Wikipedia-artigen Liste mit Darknet-Homepages – nach | |
| interessanten Seiten gesucht. | |
| Es wird dort ja alles angeboten, was man sich vorstellen kann, vieles, was | |
| man sich noch nie vorgestellt hat und manches, was man sich gar nicht | |
| vorstellen möchte. Drogen, Twitter-Follower, die Dienste von Hackern, | |
| unterschiedlichste Waffen und widerlichste Kinderpornografie. | |
| ## „I will 'neutralize' the ex you hate“ | |
| Und oft fragt man sich, gerade bei kriminell billigen Angeboten wie „Alle | |
| Amazon-Artikel zum halben Preis“, auf welche Art nun diese Abzocke | |
| funktioniert. Werden da gestohlene Produkte verkauft oder wird am Ende nur | |
| derjenige reingelegt, der glaubt, es gebe wirklich alle Amazon-Artikel zum | |
| halben Preis und naiv Bitcoins überweist, ohne das Diebesgut je zu | |
| empfangen. | |
| Es gibt Seiten, da will man das lieber nicht ausprobieren. Sie heißen | |
| „Quick Solution“ oder „Hitman Network“. „I will 'neutralize' the ex y… | |
| hate, your bully, a policeman that you have been in trouble with, a lawyer, | |
| a small politician...“, verspricht da jemand. „I am SERIOUS“, steht dabei. | |
| Ein Mord in Europa kostet 12.000 Dollar, man kann die Menge wählen, wie bei | |
| DVDs. Eine besonders morbide Art des Betrugs? Ein Witz? Man möchte es nicht | |
| darauf ankommen lassen. | |
| Ein Gramm Gras zu bestellen, wirkt dagegen ziemlich praktikabel. Zumal es | |
| seit einigen Wochen wieder eine neue Version der Seite Silk Road gibt. Der | |
| angeklagte junge Mann, den das FBI für den Gründer dieses | |
| Drogenumschlagplatzes hält, sitzt in New York im Gefängnis. Sein Nachfolger | |
| allerdings hat den Marktplatz für Marihuana, Ecstasy, Kokain oder | |
| Burberry-Mäntel längst wiedereröffnet. | |
| Ein Gramm „Dutch Super Amnesia / Strawberry Haze“ kostet bei dem Händler | |
| namens sugarwand 0,042 Bitcoins. Das sind Ende Dezember umgerechnet etwa 30 | |
| Euro. Ziemlich teuer. Es gibt aber ganz appetitliche Bilder von diesem | |
| Gras. Wie verschicken sie das wohl, damit es kein Spürhund riecht? Wie auch | |
| immer, ich brauche jetzt 0,042 Bitcoins. | |
| ## Wie komme ich schnell an Bitcoins? | |
| Ich probiere es zunächst auf [2][//www.bitcoin.de/:bitcoin.de], merke dann | |
| aber schnell, dass das eine ganze Weile dauern kann, weil ich erst auf die | |
| Bitcoins zugreifen kann, wenn das Geld per Überweisung wirklich angekommen | |
| ist. Das hieße mehrere Tage Wartezeit, ich wäre wieder von der Bank | |
| abhängig, von der mich die Bitcoins eigentlich emanzipieren sollen. Ein | |
| anderer Dienst, der verspricht, das über Kreditkarte schneller zu regeln, | |
| funktioniert in Deutschland noch nicht. Irgendwann empfiehlt mir jemand | |
| [3][//localbitcoins.com/:localbitcoins.com]. | |
| Dort wirkt alles sehr übersichtlich. Man sieht, zu welchem Kurs bestimmte | |
| Verkäufer ihre Bitcoins anbieten und wie man ihnen das Geld zukommen lassen | |
| kann. Als ich beginne, mich umzusehen, werden noch 700 Euro für einen | |
| Bitcoin verlangt, zwei Tage später sind es nur noch 600, dann um die 500. | |
| Und so weiter. Über PayPal, einen anderen Dienst namens OKPay oder per | |
| Bank-Überweisung kann ich bezahlen. PayPal klingt am wenigsten umständlich, | |
| wird allerdings für kleinere Beträge gerade nicht angeboten. Bei einem | |
| Verkäufer aus Tschechien könnte ich 30 Euro umtauschen, per Überweisung. | |
| Soll ich mich darauf einlassen? Was, wenn er von mir das Geld bekommt und | |
| damit abhaut? Er hat ein paar positive Bewertungen, aber vielleicht bin ich | |
| der erste, den er linkt? Andererseits: wegen 30 Euro? Ich überweise ihm das | |
| Geld. Wenige Tage später besitze ich 0,0498 Bitcoins. | |
| Eigentlich müsste ich das Geld nun waschen und von hier an eine digitale | |
| Geldbörse, ein Wallet, überweisen, damit die Bitcoins nicht mehr mit meinem | |
| Namen verbunden sind. Aber das wird mir langsam zu umständlich, ich schicke | |
| die Bitcoins also einfach auf die Silk Road. | |
| Dafür muss ich nur den Link meiner Silk-Road-Geldbörse bei | |
| [4][//localbitcoins.com/:localbitcoins.com] eingeben. Wenige Minuten später | |
| sind die 0,0498 Bitcoins auf der Silk Road angekommen. Ich kann die | |
| Bestellung des „Dutch Super Amnesia / Strawberry Haze“ beenden. | |
| Das Geld liegt jetzt auf dem Silk-Road-Konto. Der Verkäufer kann noch nicht | |
| darauf zugreifen. Erst wenn die Ware verschickt wurde, bestätige ich, dass | |
| sie angekommen ist, und die Bitcoins fließen nach Großbritannien, wo das | |
| Gras herkommt. Der Versand dauert angeblich fünf Tage. | |
| ## Nach drei Tagen: nichts. Nach sieben: immer noch nichts | |
| Während ich warte, klicke ich mich weiter durchs Darknet. Mir fällt auf, | |
| dass es auch einen deutschen Grasshop gibt, das wäre vielleicht ein | |
| bisschen einfacher gewesen. Aber gut. | |
| Nach drei Tagen: nichts. Nach fünf Tagen: nichts. Nach sieben Tagen: immer | |
| noch nichts. | |
| Dann ist Weihnachtspause auf der Silk Road. Und drei Mitarbeiter in den | |
| USA, in Irland und Australien [5][werden festgenommen]. Haben die | |
| Lieferschwierigkeiten damit zu tun? | |
| Ich werde warten, bis der Marktplatz wieder öffnet. Dann werde ich | |
| versuchen, meine Bitcoins zurückzubekommen. Falls das Gras nicht vorher | |
| ankommt. | |
| Die Ganze Geschichte "Die Parallelgesellschaft" über den Silk-Road-Gründer | |
| mit dem Decknamen "Dread Pirate Roberts", über seine Utopie und die Morde, | |
| die er in Auftrag gegeben haben soll, lesen Sie in der [6][taz.am | |
| wochenende vom 28./29. Dezember 2013]. | |
| 27 Dec 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.forbes.com/sites/andygreenberg/2013/11/06/silk-road-2-0-launches… | |
| [2] http://https | |
| [3] http://https | |
| [4] http://https | |
| [5] http://www.forbes.com/sites/andygreenberg/2013/12/20/at-least-two-moderator… | |
| [6] /Ausgabe-vom-28/29-Dezember-2013/!130001/ | |
| ## AUTOREN | |
| Johannes Gernert | |
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