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# taz.de -- Hanfverbandschef bei der „Millionärswahl“: Gebt das Hanf frei
> Die TV-Sendung „Millionärswahl“ ist ein großer Flop. Doch für die
> Cannabis-Lobby und ihren Vorreiter Georg Wurth kann sie einen großen Sieg
> bedeuten.
Bild: Georg Wurth bei seinem ersten Auftritt bei der „Millionärswahl“.
BERLIN taz | Verlierer gibt es viele bei der Fernsehsendung
„Millionärswahl“, dem größten Show-Flop, den das deutsche Fernsehen seit
langem gesehen hat: Die Sender Pro7 und Sat.1 sowie die Produktionsfirma
Brainpool, die aufgrund der kaum messbaren Quoten vier der geplanten sieben
Shows ersatzlos strichen, die Zuschauer, die schon in der ersten Sendung
ihrem Unmut freien Lauf ließen und die Moderatoren, denen das Konzept der
Sendung sichtbar zu schaffen machte.
Doch einen Gewinner wird die nur noch [1][im Netz übertragene Finalsendung
am Samstagabend (20.15 Uhr)] dennoch hervorbringen. Beste Chancen auf den
Sieg hat Georg Wurth, der Vorsitzende des [2][Deutschen Hanfverbandes].
Sein Ziel und das seiner vielen Unterstützer: eine Million Euro für die
Marihuana-Legaliserung in Deutschland.
Die Idee, sich an der Sendung zu beteiligen, sei aus dem Verband an ihn
herangetragen worden, sagt Wurth. Das Konzept der Show ermöglichte es jedem
sich zu bewerben, ohne Vorgaben und redaktionellen Einfluss. Viele sangen
und tanzten oder zeigten sportliche Kunststücke, Wurth hielt eine Rede.
Jetzt gehört er zu den letzten sieben, die um die Million streiten. Diese
verteilen untereinander Punkte, entscheidend wird jedoch das Voting der
verbliebenden Zuschauer sein. Zu Wurths Gegnern gehören eine
Ostfriesenband, ein Breakdancer und einer der Mitbegründer von Viva con
Agua. Das Wasserprojekt darf sich aufgrund seiner Verwurzelung in der
Fanszene des FC St. Pauli ebenfalls Chancen auf den Sieg ausrechnen.
## Die Community hinter sich
Doch die Hanf-Community scheint fest entschlossen, sich die Chance, das
Thema in eine breite Öffentlichkeit zu tragen, nicht nehmen zu lassen.
Wurth will das Geld dazu nutzen, um mit dem Verband „richtig zu rocken“.
Bei dem Gedanken daran sprudelt es nur so aus ihm heraus: den ersten
Marihuana-TV-Spot in Deutschland, Zeitungsanzeigen, einen Rechtshilfefonds
für Patienten, die für ihre Cannabisbehandlung kämpfen und ein bis zwei
neue Mitarbeiter im Verband.
Dafür legen sich viele in der Community richtig ins Zeug. In den Foren ist
der bevorstehende Auftritt heiß diskutiert, Werbebanner werden entworfen,
Unterstützer mobilisert und Public Viewings organisiert. Man darf davon
ausgehen, dass viele Hanf-Freunde dann auch am Samstag die kostenpflichtige
Hotline wählen, um ihrem Vorreiter zum Sieg zu verhelfen.
Wenige Tage vor seinem Auftritt schaut Wurth das letzte mal bei seinen
Mitstreitern im Büro des Hanfverbandes in Berlin-Prenzlauer Berg vorbei.
Für zufällige Passanten ist das Ladenlokal leicht zu übersehen. Braune
Holz-Rolläden verdecken das Schaufenster, kein Schild weist auf die größte
Lobbyorganisation der Hanfbewegung hierzulande hin. Lediglich am
Glasfenster der Eingangstür hängen ein paar Flyer.
Wurth selbst ist das Aushängeschild des Verbandes, den er seit 2004
anführt. Mit seinen jungenhaften Gesichtszügen und den raspelkurzen Haaren
entspricht der Diplom-Finanzwirt so gar nicht dem Kiffer-Klischee. Wurth
ist kein Außenseiter und hebt das auch heraus, eben weil der Konsum von
Marihuana für so viele Menschen zum Alltag gehört. 14 Millionen Deutsche
haben ihre Erfahrungen mit der Droge, vier Millionen konsumieren
regelmäßig. Dass alle Konsumenten Rastas tragen und sich Jamaica-Aufnäher
anpappen, glauben wohl selbst diejenigen nicht mehr, die noch nie an einem
Joint gezogen haben.
## Selbstanzeige wegen Marihuana-Besitzes
Erstmals in Berührung kam Wurth mit dem Thema in seiner Zeit als Stadtrat
der Grünen in Remscheid. Im Rahmen einer Kampagne zeigte er sich damals
selbst an, wegen des Besitzes von vier Gramm Marihuana. Er war
gelegentlicher Konsument, begriff sich aber als „staatstragenden,
gesetzestreuen Bürger“. Er rechnete mit einer Einstellung des Verfahrens,
doch dazu kam es nicht wegen des angeblich öffentlichen Interesse an der
Strafverfolgung und weil er das Dope nicht für den Eigengebrauch besaß. Der
Rechtsstreit endete vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Geldstrafe
auf Bewährung; 200 DM, die er bis heute nicht zahlen musste.
So verschlossen das Büro des Hanfverbandes nach außen wirkt, so geschäftig
geht es hinter der Tür zu. Zwei Mitarbeiter sitzen zwischen Bergen von
Papier und auch von Wurths Schreibtisch ist kaum noch etwas zu sehen. „Es
ist unglaublich, was seit dem Auftritt bei der Millionärswahl über uns
hineingebrochen ist“, zeigt sich Wurth trotz des Arbeitsaufkommens
begeistert. Über einhundert neue Verbandsmitglieder, eine Steigerung von
mehr als zehn Prozent, sowie über zehntausend neue Freunde auf Facebook
sind die Bilanz seit seinem ersten TV-Auftritt vor knapp zwei Wochen.
## Argumente gegen Ängste
„Die Argumente sprechen alle für die Legalisierung, auf der Gegenseite
bestehen vor allem Ängste“, zeigt sich Wurth überzeugt. Zu sehen war das
bei Angela Merkel, die in einem kurzen Gespräch mit dem Lobbyisten Wurth
vor der Abhängigkeit der „Einstiegsdroge“ Cannabis warnte und Alkohol
dagegen als ungefährlich beschrieb. „Sie hat sich überhaupt nicht mit
Fachleuten unterhalten. Wenn man sich die Fakten anguckt, kommt man zu
anderen Ergebnissen“, hält Wurth entgegen. Auch der Befürchtung, eine
Freigabe des Verkaufs würde den Konsum steigern, widerspricht er energisch:
„In Holland wird auch nicht mehr gekifft als jetzt schon in Deutschland“.
Damit ist das Schlüsselargument der Prohibitions-Befürworter, mit dem
Verbot den Konsum zu senken, hinfällig. Wurth sieht dagegen viele gute
Argumente für eine Freigabe, wie jüngst in [3][Uruguay] oder dem
[4][US-Bundesstaat Colorado] geschehen. Er spricht von Steuereinnahmen für
den Staat, der Behandlung von Schmerzpatienten, verbesserter Qualität oder
der Entlastung für die Justiz.
Aber er leugnet auch nicht die Probleme, die durch übermäßigen Konsum
entstehen können und tritt entschieden für den Jugendschutz ein: „Ich will
keinen Hype auslösen, will nicht, dass Jugendliche sich auf mich berufen
und morgens vor der Schule erstmal eine Bong rauchen.“
Ob es zur Million reicht oder nicht, das Thema hat durch seinen
TV-Auftritt, den circa eine Million Zuschauer verfolgten, an Auftrieb
gewonnen. „Du hast sogar meine Eltern überzeugt“, schrieb ihm ein
Zuschauer. Die „Leute verlieren ihre Angst vor dem Thema“ sagt Wurth. Kein
schlechtes Ergebnis für eine Sendung, die sonst nur Verlierer kennt.
24 Jan 2014
## LINKS
[1] http://www.millionaerswahl.de/
[2] http://hanfverband.de/
[3] /Legalisierung-von-Marihuana/!129166/
[4] /Marihuana-Legalisierung-in-den-USA/!131414/
## AUTOREN
Erik Peter
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