# taz.de -- Der Weg zum Vergesellschaftungsgesetz: „Jeden Stein dreimal umdre… | |
> Aktivist Achim Lindemann verrät, wie Deutsche Wohnen Enteignen zu einem | |
> wasserdichten Gesetz kommen will – und was die großen Knackpunkte sind. | |
Bild: Die Gespenster der Enteignung sind zurück | |
taz: Herr Lindemann, wieso will die Initiative [1][das | |
Vergesellschaftungsgesetz] erst in einem Jahr vorlegen, einen Entwurf dafür | |
haben Sie doch längst in der Schublade? | |
Achim Lindemann: Unser Entwurf von 2021 hat den damaligen Stand der | |
Wissenschaft, erarbeitet von Ehrenamtlichen, festgehalten. Das war ein | |
erster Debattenaufschlag für die Diskussion. Normalerweise werden Gesetze | |
von ganzen Senatsverwaltungen geschrieben. Angesichts der Erkenntnisgewinne | |
aus der Arbeit der Expertenkommission werden wir den damaligen Entwurf als | |
Ausgangspunkt für ein ganz neues Gesetz nehmen, das den aktuellen | |
Wissensstand abbildet. | |
Wer wird das Gesetz schreiben? | |
Wir müssen zu einem rechtssicheren, 100 Prozent wasserdichten Gesetz kommen | |
und wollen uns dafür fachkundiger juristischer Expertise bedienen. Wir | |
werden eine Kanzlei beauftragen, das Gesetz zu schreiben, und zusätzlich | |
einen wissenschaftlichen Beirat gründen, der hochkarätig besetzt sein wird. | |
Beide werden Hand in Hand für die redaktionelle Erarbeitung verantwortlich | |
sein. Und weil das alles Geld kostet, starten wir jetzt ein Crowdfunding. | |
Wir brauchen 100.000 Euro. | |
Welche zentralen Ergebnisse haben Sie aus der Arbeit der Expertenkommission | |
mitgenommen? | |
Der [2][Abschlussbericht] zeigt, dass wir richtig gelegen haben: | |
Vergesellschaftung ist rechtssicher möglich, finanzierbar und der beste | |
Weg, um den Mietenwahnsinn zu stoppen. Das ist die Hauptmessage. Zugleich | |
zeigt der Bericht auch die Knackpunkte und politischen Spielräume, die | |
bestmöglich in einem Gesetz reflektiert werden müssen. | |
Die Bestimmung der Entschädigungssumme ist der größte Knackpunkt. Über den | |
Weg dahin waren sich die Kommissionsmitglieder nicht einig. | |
Wichtig ist, dass der Kommissionsbericht bestätigt hat, dass eine | |
Entschädigung der Konzerne deutlich unter Marktwert erfolgen kann und muss. | |
Aber die Bestimmung der Summe muss genau austariert werden. Spannend ist, | |
dass die Kommission noch ein neues Kriterium eingeführt hat: die | |
Leistbarkeitsgrenze des Landes. Das bedeutet, Vergesellschaftung darf nicht | |
so teuer sein, dass Berlin sie sich nicht leisten kann. Denn sonst würden | |
finanzielle Vorgaben die Anwendung eines Grundgesetzartikels verhindern. | |
Deutsche Wohnen & Co enteignen hat bislang argumentiert, dass sich die | |
Entschädigungssumme an den späteren Mieten orientieren soll. Ist das jetzt | |
vom Tisch? | |
Nein, der Bericht hat grundlegend grünes Licht für unser | |
Faire-Mieten-Modell gegeben. Das geht davon aus, dass an die Konzerne nur | |
so viel Entschädigung zu zahlen ist, wie sich an Mieterträgen aus den | |
Beständen realisieren lässt – bei fairen Miethöhen. Aber es gibt auch noch | |
weitere Wege, wie man zu der Entschädigungshöhe kommt. Wir werden den | |
rechtssichersten bestimmen. | |
Wird es bei der Grenze von 3.000 Wohnungen, ab der vergesellschaftet werden | |
soll, bleiben? | |
Die Kommission hat diese Grenze als Kriterium für die Vergesellschaftung | |
ausdrücklich bestätigt. Aber sie hat auch hier politische Spielräume | |
aufgezeigt, sodass die Grenze ebenso bei 2.000 Wohnungen liegen könnte. | |
Möglich ist zudem, unabhängig von der Bestandsgrenze zu vergesellschaften | |
und sich an der Rechtsform zu orientieren; dann würde man auf alle | |
kapitalmarktorientierten Unternehmen zielen. Wir müssen schauen, was nicht | |
nur auf dem Papier, sondern auch bei der konkreten Umsetzung die beste | |
Lösung ist. | |
Halten Sie an dem Ziel fest, die vergesellschafteten Bestände in eine | |
Anstalt öffentlichen Rechts zu überführen? | |
Darauf haben wir uns frühzeitig festgelegt und auch schon ein umfassendes | |
Konzept vorgelegt, das wir ebenfalls noch mal einer kritischen Überprüfung | |
unterziehen werden. Wir wollen die bestmögliche Verwaltung und | |
demokratische Mitbestimmung der Mieter:innen garantieren und dafür | |
sorgen, dass Veräußerungsmöglichkeiten durch zukünftige Senate | |
ausgeschlossen werden, die Bestände also ewig in den Händen der | |
Berliner:innen bleiben. | |
Gehen Sie nicht ein großes Risiko ein, wenn schlussendlich Ihr Gesetz vor | |
den Gerichten beurteilt wird? Ein Scheitern würde auf Sie zurückfallen und | |
den Weg für Vergesellschaftungen verbauen. | |
Wir werden mit diesem Gesetzesvolksentscheid den Artikel 15 voranbringen. | |
Wenn wir diesen Grundgesetzartikel, der noch nie zur Anwendung gekommen | |
ist, nicht anfassen, um ihn nicht kaputtzumachen, dann haben wir auch | |
nichts gewonnen. Wir müssen jetzt mutig vorangehen, denn dieser ungehobene | |
Schatz im Grundgesetz kann für viele Krisen, denen wir gerade begegnen, | |
eine erfolgversprechende Lösung sein. Wir werden ein Gesetz erarbeiten, das | |
der Prüfung vor den obersten Gerichten standhalten wird. Das ist unser | |
Anspruch. Wir werden auf dem Weg dahin jeden juristischen Stein dreimal | |
umdrehen. | |
26 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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