# taz.de -- DW Enteignen plant neues Volksbegehren: Das Gesetz aus der Schublad… | |
> Noch im Juni wird die Expertenkommission ihren Abschlussbericht | |
> vorstellen. Verweigert sich der Senat weiter, könnte ein neues | |
> Volksbegehren folgen. | |
Bild: Noch hat die Enteignungsparty nicht begonnen | |
Berlin taz | Man könnte denken, die Luft ist raus: Doch die [1][Initiative | |
Deutsche Wohnen & Co enteignen] könnte sich schon bald dafür entscheiden, | |
einen zweiten Volksentscheid anzugehen. Und der hätte dann ein konkretes | |
Vergesellschaftungsgesetz zur Grundlage. Wie die taz von mehreren | |
Mitgliedern der Initiative erfuhr, laufen die Gespräche darüber auf | |
Hochtouren, eine förmliche Abstimmung des zuständigen Koordinierungskreises | |
aber gibt es noch nicht. Abgewartet werden soll zunächst der | |
Abschlussbericht der Enteignungskommission, die Ende Juni ihre | |
voraussichtlich letzte Sitzung hat sowie die Reaktion des schwarz-roten | |
Senats darauf. | |
Die Idee indes kursiert unter den Aktivist:innen schon lange: Wenn die | |
Regierung die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids von September | |
2021 torpediert, will man selbst ein Gesetz zur Abstimmung stellen. Der | |
bisherige Volksentscheid beinhaltete lediglich einen Appell an den Senat, | |
ein Gesetz zur Vergesellschaftung der großen privaten Immobilienkonzerne | |
auf den Weg zu bringen. | |
Rouzbeh Taheri, Mitbegründer der Initiative, vertritt diese Option schon | |
lange; er sagt: „Wenn es der Senat nicht macht, muss es die Bevölkerung | |
machen.“ Rechtlich möglich ist ein neues Volksbegehren, auch zum selben | |
Thema. Einzige Einschränkung: es geht nicht zwei Mal in derselben | |
Legislaturperiode. | |
Dass die neue Regierung aus CDU und SPD nicht vor hat, den Mehrheitswillen | |
der Berliner:innen umzusetzen und die Wohnungsbestände der Konzerne zu | |
vergesellschaften, gilt bei den Aktivist:innen als ausgemacht. | |
Im Koalitionsvertrag haben sich die beiden Parteien um eine konkrete | |
Aussage herumgedrückt. Stattdessen planen sie ein | |
[2][Vergesellschaftungsrahmengesetz], um „einen Rechtsrahmen und objektive | |
qualitative Indikatoren“ für Vergesellschaftungen in Bereichen der | |
Daseinsvorsorge zu beschreiben. Inkraft treten soll es zwei Jahren nach | |
Beschlussfassung und nach einer Prüfung durch das Landesverfassungsgericht. | |
Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) sagte im Inforadio: „Wir | |
werden das in dieser Wahlperiode umsetzen.“ | |
## Ein Rahmen enteignet nicht | |
DW Enteignen lehnt ein Rahmengesetz als unsinnig ab. Es werde für ein | |
konkretes Gesetz, das die Vergesellschaftung der Wohnungsbestände regelt, | |
nicht gebraucht und diene lediglich dazu, Zeit zu gewinnen. Dagegen stehen | |
Absichtserklärungen aus der SPD, dass beides gleichzeitig erfolgen soll. So | |
beschloss der Parteitag Ende Mai ohne Kontroverse, dass „parallel zur | |
Erarbeitung eines Rahmengesetzes ein spezifisches Gesetz für den | |
Wohnungssektor“ erarbeitet werden soll. | |
Nur: Die Initiative traut der SPD nicht mehr, zu oft hat sich [3][deren | |
Führung gegen eine Enteignung ausgesprochen]. Auch der neue Senator Gaebler | |
ist kein Enteignungsbefürworter; sein Ziel sind Eigentümer, die der | |
„Gemeinwohlorientierung Rechnung tragen“. Und dann ist da auch noch die | |
CDU. | |
Schon in wenigen Wochen aber wird das Thema erneut hoch schwappen und den | |
Senat unter Rechtfertigungsdruck setzen. Die vom Vorgänger-Senat | |
eingesetzte Expertenkommission Vergesellschaftung unter Führung von Herta | |
Däubler-Gmelin ist in ihren letzten Zügen. Ihren Abschlussbericht wird sie | |
voraussichtlich noch Ende Juni vorstellen – weitere Termine nach Juni seien | |
nicht vorgesehen, heißt es aus der Geschäftsstelle. | |
Viel spricht dafür, dass dieser Bericht die These des im Dezember | |
[4][vorgestellten Zwischenberichts] stärkt: Vergesellschaftung ist möglich | |
und unter dem Marktwert realisierbar. Die Reaktion auf ein positives Votum | |
der Kommission hat der Senat aber bereits im Koalitionsvertrag | |
vorweggenommen: In diesem Fall folge das Rahmengesetz. Ergo: Man beerdigt | |
das Thema bis zum Ende der Legislatur 2026. | |
Achim Lindemann, Sprecher von Deutsche Wohnen & Co enteignen, sagt: | |
„Senator Gaebler wird versuchen, den Bericht im Sommerloch untergehen zu | |
lassen und das Thema abzumoderieren. Aber das werden wir ihm und der | |
Regierung nicht durchgehen lassen – Berlin braucht ein echtes | |
Vergesellschaftungsgesetz.“ | |
## Viel Geduld nötig | |
DW Enteignen wird demnach versuchen, politischen Druck zu erzeugen. Wenn | |
der nicht fruchtet, bleibt eigentlich nur der Start eines neuen | |
Volksbegehrens, diesmal mit einem fertigen Gesetz. Beim ersten | |
Volksbegehren hatte die Initiative darauf verzichtet, weil das jahrelange | |
Arbeit an einem komplizierten juristischen Thema bedeutet hätte. | |
Nun aber ist man weiter: Ein eigener Gesetzesentwurf liegt in der | |
Schublade. Eine unabdingbare Überarbeitung kann auf Grundlage der | |
Ergebnisse der Expertenkommission erfolgen. Das könne man selbst versuchen | |
oder auch in die Hände einer Anwaltskanzlei legen. Intern heißt es, bis | |
Ende des Jahres könne ein möglichst wasserdichtes Gesetz stehen. | |
Der Weg aber wäre weit: Anfang nächsten Jahres könnte DWE die 20.000 | |
Unterschriften für die erste Stufe des Volksbegehrens sammeln. Trotz der | |
zuletzt schwindenden Kraft der Mieter:innenbewegung gilt das kaum als | |
Hürde. Noch immer ist die Initiative gut organisiert, viele Kiezteams | |
arbeiten bis heute, ein neues Begehren würde zudem neuen Schwung bringen. | |
Was dann folgt: Eine Prüfung durch die Innenbehörde, nach einer | |
Gesetzesänderung auf fünf Monate begrenzt, nachdem die Behörde die Prüfung | |
des ersten DWE-Begehrens 15 Monate in die Länge gezogen hatte. | |
Wahrscheinliches Szenario dabei: Der Senat betrachtet das Gesetz als | |
verfassungswidrig – und legt es dem Landesverfassungsgericht zur Prüfung | |
vor. Selbiges passierte im Mai vergangenes Jahres schon mit dem | |
Volksbegehren Berlin Autofrei. Beim Gericht liegt die Prüfung noch immer | |
auf dem Stapel. | |
Auch für DWE könnte dies weitere ein bis zwei Jahre Wartezeit bedeuten. | |
Erst danach könnte die zweite Phase des Volksbegehrens starten, bei der sie | |
wieder 190.000 Unterschriften sammeln müssten und der bei Erfolg dann ein | |
nächster Volksentscheid folgt. Die Enteignung braucht also einen sehr | |
langen Atem. DW Enteignen holt gerade erst Luft. | |
8 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!t5764694 | |
[2] /Enteignung-unter-Schwarz-Rot-in-Berlin/!5919640 | |
[3] /Debatte-um-Giffey-und-DW-Enteignen/!5906340 | |
[4] /Debatte-um-Enteignungen-in-Berlin/!5899360 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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