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# taz.de -- Demos gegen rechts: Die autoritären Einschläge kommen näher
> CDU-Fraktionsvize Mathias Middelberg stellt nach Protesten gegen rechts
> die Gemeinnützigkeit von Vereinen infrage. Diese verteidigen sich.
Bild: Was darf man eigentlich noch? Die CDU droht, nach Demokratie-Demos NGOs d…
Berlin taz | Über 1,5 Millionen Menschen haben seit Jahresbeginn gegen
rechts demonstriert. Seit dem Tabubruch von CDU-Chef Friedrich Merz, bei
einem Antrag auch auf die Stimmen der AfD zu setzen, richten sich
zahlreiche Demonstrationen auch gegen den Eklat der Union und ihren
Kanzlerkandidaten.
Organisiert und aufgerufen zu den Protesten haben gemeinnützige Vereine,
aber auch zivilgesellschaftliche Initiativen,
Nichtregierungsorganisationen, dezentrale Antifa-Gruppen, Fridays for
Future, Gewerkschaften, Kirchen und viele mehr.
Seither macht nicht nur in extrem rechten Echokammern die [1][absurde
„Demogeld-Legende“] mal wieder die Runde, nach der sinngemäß die Antifa v…
Staat finanziert würde. In ähnlicher Form mittlerweile wird sie nun auch
von Erzeugnissen des Springer-Verlags und des rechtsradikalen
Populismus-Portals „Nius“ propagiert.
Der „Ressortleiter Meinungsfreiheit“ der Welt schrieb gar – offenbar von
Trumps autoritärem Durchgreifen inspiriert – von einem „Deep State“ der
NGOs von verfassungswidrigen Institutionen, die man brechen müsste.
Das Problem an dem haltlosen Geraune: Es verfängt als willkommene
Verschwörungslegende, nicht zuletzt sogar in gewissen Teilen der CDU, der
im Wahlkampf alles daran gelegen ist, die breiten und bundesweiten Proteste
umzudeuten oder gar zu diskreditieren – obwohl ja auch Kirchen, viele
(ehemalige) CDU-Mitglieder mitlaufen oder sich wie die Ex-Kanzlerin Angela
Merkel gegen den Merz-Deal mit der AfD ausgesprochen haben.
## „Demokratie leben“ soll sterben
So könnte das Geraune sogar zu konkreten politische Maßnahmen nach der Wahl
führen. So drohte Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) am
Donnerstag tatsächlich in der Neuen Osnabrücker Zeitung, ohnehin prekär
finanzierten gemeinnützigen Organisationen wegen „parteipolitischen
Aktionen gegen CDU, CSU und den Kanzlerkandidaten Merz“ den Geldhahn
abzudrehen: „Ein solches Agieren ist ganz sicher nicht mehr gemeinnützig
und auch nicht förderungswürdig durch Steuermittel der Allgemeinheit“,
sagte Middelberg.
Middelberg, selbst Haushaltspolitiker, kündigte an, entsprechende
Förderprogramme des Bundes „sehr scharf“ prüfen zu wollen – „und
gegebenenfalls auch ganz zu streichen“. Als Beispiel nannte er unter
anderem das Programm „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums von
Lisa Paus (Grüne). Das Programm unterstützt nicht nur
zivilgesellschaftliche Initiativen in Gegenden Ostdeutschland, die längst
unter einer antidemokratischen Hegemonie leiden.
Das Vorgehen erinnert an die AfD, die das Neutralitätsgebot [2][seit Jahren
überinterpretiert und gemeinnützige Vereine beim Finanzamt anzeigt], die
sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus oder für Klima und jeweils
damit auch die gegen AfD positionieren. Die Ampelregierung wollte das
Gemeinnützigkeitsrecht zwar reformieren, um derartige Angriffe auf Vereine
zu verhindern, ist damit aber gescheitert – [3][unter anderem wegen der
blockierenden FDP].
Stefan Diefenbach-Trommer ist der Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit
für politische Willensbildung“ aus mehr als 200 Vereinen und Stiftungen. Er
setzt sich seit Jahren für eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ein.
Angesichts des autoritären Sounds in den letzten Tagen und Wochen machten
sich die gemeinnützigen Vereine große Sorgen um die Demokratie, sagt er:
„Mir tut das Herz weh, wenn ich solchen Vorschlägen zuhöre. Die Einschläge
vom autoritären Regieren kommen näher. Das fasst mich wirklich an – auch
als Mensch“, so Diefenbach-Trommer zur taz am Telefon, hörbar bewegt.
## „Die treten uns in die Beine“
Man kenne die Angriffe der AfD schon lange, aber besonders besorgen
Diefenbach-Trommer nun die heftigen Gegenreaktionen auf die Demos von CDU
und FDP: „Die treten uns in die Beine, anstatt uns inhaltlich zu
kritisieren. Anstatt mit Argumenten auf die legitime Kritik durch Demos
einzugehen, wollen sie uns offensichtlich mundtot machen.“
Die aktuellen Demos gegen rechts nimmt er in Schutz: „Natürlich darf ich
als gemeinnütziger Verein für meine Interessen demonstrieren. Wenn ein
Bürgermeister einer Partei Radwege in meiner Stadt abreißt, kann ich doch
auch als Verein für die Verkehrswende gegen dessen Politik protestieren –
und natürlich muss ich benennen, wer diese Politik macht.“
Auch Zuspitzungen gegen die CDU seien [4][gemäß Rechtsprechung erlaubt] –
solange die Kritik sachlich zu rechtfertigen sei. Das gelte insbesondere
für die hunderttausenden Menschen, die derzeit auf die Straße gingen: „Im
Kern sind das Demonstrationen gegen ein bestimmtes Verhalten und für
unserer Demokratie. Sie kritisieren die CDU inhaltlich und sachlich für
eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD.“
Die Union müsse inhaltlich darauf eingehen und mit den Argumenten
auseinandersetzen, fordert Diefenbach-Trommer – „stattdessen schießen Leute
wie Middelberg in ihrer Parteilogik scharf zurück und vergaloppieren sich
dabei völlig: Sie ziehen gemeinnützige Organisationen in einen
Parteienstreit hinein. Und bei derartigen politisch einschüchternden
Drohungen muss man sich schon fragen, ob man sich damit eigentlich noch auf
dem Boden des Rechtsstaates befindet“, so Diefenbach-Trommer.
Zur freiheitlichen Demokratie gehöre die Kritik zivilgesellschaftlicher
Organisationen an inhaltlichen Entscheidungen und politischen Plänen – noch
mehr sogar, wenn Prinzipien der Verfassung geschleift werden. „Die
Fachleute nennen das die Wächterfunktion der Zivilgesellschaft. Diese
Kritik macht die Demokratie stabil und lebendig“, so Diefenbach-Trommer.
## „So was kennen wir sonst nur aus autoritären Staaten“
Ähnlich äußerte sich Felix Kolb, Vorstand der Kampagnen-Plattform Campact,
die mit einer riesigen Mailing-Liste zu Kundgebungen aufruft: „Die
Drohungen der Union, NGOs bei einer Beteiligung an Merz-kritischen Demos
den Gemeinnützigkeitsstatus aberkennen zu wollen, sind finstere Methoden.
So was kennen wir sonst nur aus autoritären Staaten wie Ungarn.“
Man erlebe hier zutiefst „undemokratische Einschüchterungsversuche
gegenüber einer engagierten Zivilgesellschaft“, so Kolb: „Mit ihrer Hetze
gegen die aktuellen Kundgebungen versucht die CDU/CSU, die Meinungsfreiheit
– ein demokratisches Grundrecht – massiv einzuschränken.“ Auch
gemeinnützigen Vereinen stehe es zu, das Handeln von Parteien und ihren
Vertreter*innen zu kritisieren.
Doch es gibt auch kritische Stimmen gegen das Geraune innerhalb der CDU:
Der ehemalige Generalsekretär Ruprecht Polenz [5][kritisierte auf Bluesky]
den Welt-Herausgeber Ulf Poschardt für die Verbreitung des raunenden
Artikels: „Deep state – die Standard-Geschichte der
Verschwörungsmythologen, neu erzählt vom Herausgeber der Welt. Mit dieser
Geschichte soll das Vertrauen in die Demokratie des Grundgesetzes
erschüttert werden. Trump hat damit vorbereitet, was er jetzt macht: einen
Staatsstreich.“
13 Feb 2025
## LINKS
[1] /Proteste-gegen-Pegida-und-Co/!5020381
[2] https://www.blaetter.de/ausgabe/2022/juli/afd-vs-zivilgesellschaft-angriff-…
[3] /Demokratiefoerderung-nach-Ende-der-Ampel/!6051052
[4] https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail…
[5] https://bsky.app/profile/polenz.bsky.social
## AUTOREN
Gareth Joswig
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