# taz.de -- Demokratieförderung nach Ende der Ampel: Die Lage ist dramatisch | |
> Das Ampel-Vorhaben sollte Demokratieprojekten finanzielle Sicherheit | |
> geben und scheiterte bislang an der FDP. Ein Verband bringt es nun wieder | |
> ins Spiel. | |
Bild: Für die Demokratie auf die Straße: Demonstranten vor dem Roten Rathaus … | |
Berlin taz | Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, | |
rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) drängt auf die | |
Verabschiedung des Demokratiefördergesetzes noch in dieser Legislatur. | |
Damit sollen Demokratieprojekte langfristig finanziell abgesichert werden, | |
statt immer nur für eine Förderperiode. Das bisherige System sorgt dort | |
wieder und wieder für existenzielle Unsicherheit – die jetzt mit dem Ende | |
der Ampel-Koalition noch größer geworden ist. | |
„Der Entwurf für das Gesetz liegt seit Monaten herum“, kritisiert Heike | |
Kleffner, Geschäftsführerin des VBRG, im Gespräch mit der taz. „Gerade mit | |
Blick auf die Intensität rechtsextremer Angriffe auf die Demokratie und | |
damit auch auf die demokratische Zivilgesellschaft wäre es Aufgabe von SPD | |
und Grünen, es endlich zur Abstimmung zu stellen – und Aufgabe aller | |
Abgeordneter demokratischer Parteien, es noch vor Ende der Legislatur zu | |
verabschieden.“ | |
Viele zivilgesellschaftliche Projekte werden durch Fördermittel ermöglicht, | |
so auch die Opferberatungsstellen. Viele davon kommen vom Bund. Eines der | |
größten Programme, „Demokratie Leben“, ist beim Familienministerium von | |
Lisa Paus (Grüne) angesiedelt. Es förderte in diesem Jahr 700 Projekte mit | |
182 Millionen Euro. Auch das Auswärtige Amt, das Entwicklungs-, Justiz- | |
oder Innenministerium fördern Zivilgesellschaft. Das Problem: Viele der | |
Projekte sind befristet, müssen Gelder immer wieder neu beantragen. Schon | |
in den Vorjahren fürchteten sie jedes Mal um ihre Weiterexistenz. | |
Mit den überraschend vorgezogenen Neuwahlen ist die Lage nun noch prekärer. | |
Denn die Ampel hatte vor ihrem Ende noch keinen Haushalt für das kommende | |
Jahr beschlossen. Bis die nächste Bundesregierung das nachholt, greift die | |
vorläufige Haushaltsführung. Was das für beantragte und noch nicht | |
bewilligte Projekte heißt: ungewiss. | |
## Unsicherheit trotz Paus-Zusage | |
[1][Die taz hatte berichtet, dass Paus’ Familienministerium den Initiativen | |
in einem Schreiben zugesichert hat, ein Projektstart zum 1. Januar sei | |
gesichert, für 2025 werde zunächst eine anteilige Zuwendung ausgezahlt]. In | |
der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner, | |
die der taz vorliegt, bestätigt das Ministerium in Bezug auf „Demokratie | |
Leben“: Beabsichtigt sei, „ausgewählten Projekten noch in diesem Jahr | |
zunächst eine anteilige Zuwendung der für das Jahr 2025 beantragten | |
Fördermittel zu bewilligen“. | |
Für Heike Kleffner ist das kein großer Trost. „Es verlängert nur die | |
Hängepartie“, kritisiert sie. Rechtlich bindend seien solche Versprechen | |
nicht. „Gerade für kleine Initiativen ohne große Träger im Rücken ist die | |
Frage, ob sie ihre langjährigen Berater*innen zum 1. Januar kündigen | |
müssen, keineswegs vom Tisch.“ Kleffner findet es „fatal“, dass die Ampel | |
wegen der Blockadehaltung der FDP das Demokratiefördergesetz verschleppt | |
hat. „Die Botschaft der Bundesregierung an Betroffene rechter, | |
rassistischer und antisemitischer Gewalt lautet: Wir kommen unserer | |
Verantwortung nicht nach.“ | |
Kleffner verweist auf die EU-Opferschutzrichtlinie, die Deutschland schon | |
2012 ratifiziert hat und die dazu verpflichtet, Beratung für | |
Gewaltbetroffene zu finanzieren. Auch seien sich alle demokratischen | |
Parteien in den Empfehlungen nach dem NSU-Untersuchungsausschuss einig | |
gewesen, dass Opferberatungen nicht nur ausgebaut, sondern auch ihre | |
Finanzierung verstetigt werden müsse. | |
Betroffene müssten oft jahrelang warten und kämpfen, damit Täter*innen | |
überhaupt belangt würden. „Im Februar 2020 haben Neonazis in Bremen während | |
eines Konzerts Brandsätze in einen alternativen Jugendtreff geworfen“, | |
nennt sie als Beispiel. Aber erst fünf Jahre später, im Januar 2025, | |
beginne nun der Prozess. „Die Opferberatungsstellen waren dabei | |
kontinuierlich an der Seite der Betroffenen, die ja jederzeit damit rechnen | |
mussten, den Tätern auf der Straße zu begegnen“, sagt Kleffner. „Jetzt | |
fragen sie sich zu Recht: Sind unsere Berater*innen noch an unserer | |
Seite, wenn im Januar der Prozess losgeht? Diese Menschen fühlen sich vom | |
Rechtsstaat im Stich gelassen.“ | |
Ähnlich argumentiert auch die Linken-Politikerin Martina Renner. „Statt mit | |
dem Demokratiefördergesetz eine stabile Grundlage für die langfristige | |
Arbeit zu schaffen, gilt wohl auch künftig, dass diese Arbeit von | |
machtpolitischen Verhältnissen abhängig ist und jederzeit zerstört werden | |
könnte“, sagt sie der taz. Das sei ein „erschütternder Beleg dafür, wie | |
unwichtig den im Parlament vertretenen Parteien das zivilgesellschaftliche | |
Engagement der Menschen für Demokratie und Grundrechte wirklich ist“, so | |
Renner. „Es ist dringend notwendig, dass der kommende Bundestag diese | |
Unsicherheit der vielen engagierten Menschen und Projekte beseitigt.“ | |
25 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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