# taz.de -- Debatte Datenschutz im Netz: Der Sieben-Punkte-Plan | |
> Internetkonzerne scheinen übermächtig, doch digitaler Widerstand ist | |
> möglich. Eine Anleitung zur Selbstermächtigung. | |
Bild: Wie wäre es mit Signal statt Whatsapp? | |
Wenn es um das Internet geht, fordern Politiker gerne: Das Netz darf kein | |
rechtsfreier Raum sein. Eine Forderung, die vor allem zeigt, dass ihr | |
Urheber schon eine ganze Weile nicht im Internet war. Denn mittlerweile hat | |
es sich eher zum Gegenteil eines rechtsfreien Raumes verwandelt. Zu einem | |
Raum, der so voll gestopft ist mit Recht, dass es fast unmöglich ist, den | |
Überblick zu behalten. Mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Romanlänge, | |
mit extra geschriebenen Gesetzen, mit Rechtsprechung, die öfter mal das | |
eine und mal das andere sagt, und mit Abmahnungen, einstweiligen | |
Verfügungen, Unterlassungserklärungen. | |
Wer darin untergeht: die Nutzer. Kürzlich [1][beklagte in dieser Zeitung | |
Rea Eldem], dass sie daran scheitert, alte Daten – etwa kompromittierende | |
Fotos – aus dem Netz zu tilgen. Das ist tatsächlich ein Problem. Und es | |
wird noch viel größer, wenn man sich der Frage stellt: Was würde dagegen | |
helfen? Eine Bundesregierung, die, statt auf EU-Ebene gegen mehr | |
Datenschutz zu lobbyieren, dafür kämpft? Staaten, die Steuersparmodelle von | |
transnationalen Konzernen einschränken? Eine Bundeskanzlerin, die nicht | |
dauernd wiederholt, dass sie der Wirtschaft keine Datensparsamkeit | |
vorschreiben mag? Eine Reform des Wettbewerbsrechts, das hierzulande vor | |
allem auf der Idee beruht, Konkurrenten würden sich bei Verstößen schon | |
gegenseitig abmahnen und der Markt so alles von selbst regeln? | |
All das würde helfen. Aber auch unter einer Jamaika-Koalition wird das | |
nicht gerade wahrscheinlich – im Zweifelsfall werden sowohl Grüne als auch | |
FDP andere Themen wichtiger finden. Und für die Union ist Datenschutz in | |
etwa so relevant wie der Schutz von Einhörnern. Was also hilft? | |
Facebook, Google, Amazon, Apple sind vor allem deshalb so mächtig, weil | |
wir, die Gesamtheit der Internetnutzer, sie so mächtig gemacht haben. Der | |
primäre Grund dafür ist: Bequemlichkeit. Warum einen alternativen Messenger | |
suchen, wenn alle Freunde eh bei WhatsApp sind? Bei Facebook, bei | |
Instagram, bei Snapchat? Netzwerkeffekt heißt der Teufelskreis, der | |
beschreibt, dass alle dahin gehen, wo alle sind, und deshalb dort alle | |
hingehen. Dazu kommt: Das Produkt, der Dienst, die App, die alle nutzen – | |
die können doch nicht ganz schlecht sein, oder? | |
Leider doch. Facebook etwa erhält das Recht zur „gebührenfreien, | |
weltweiten“ Nutzung von Fotos und Videos. WhatsApp lädt das komplette | |
Telefonbuch seiner Nutzer auf die eigenen Server. Und Amazon reichert die | |
Datenbanken über seine Kunden mit Informationen an, die Kunden gar nicht | |
selbst dort preisgegeben haben. Die gute Nachricht ist: Genauso wie Nutzer | |
etwas für die Macht der Konzerne tun können, können sie etwas dagegen tun. | |
Denn Facebook, Google und Amazon sind keine Naturkatastrophe, die über die | |
Menschheit gekommen ist und mit der man sich nun irgendwie arrangieren | |
muss, notfalls unter Preisgabe eines guten Teils der Privatsphäre. | |
## Sieben Punkte für den digitalen Widerstand | |
Sich als Nutzer zu wehren kostet Nachdenken, Zeit, vielleicht auch Nerven. | |
Aber für alle, die mehr tun wollen, als sich über die Unrückholbarkeit von | |
alten Partyfotos zu ärgern, hilft ein Sieben-Punkte-Plan für den digitalen | |
Widerstand. | |
Entscheiden: Nicht einfach den Dienst nutzen, den alle anderen auch | |
verwenden. Man muss auch nicht 50 Seiten Allgemeine Geschäftsbedingungen | |
lesen, um die Fallstricke zu finden. Das haben meist andere schon getan und | |
veröffentlicht. Das Ergebnis muss nicht immer Abstinenz heißen – es geht | |
auch differenzierter. Facebook ja, aber keine privaten Fotos, zum Beispiel. | |
Oder zumindest ein informiertes: Ja, Sie dürfen alles mit allen Daten | |
machen, die ich und andere über mich posten, und ich lebe mit den Folgen. | |
Neue Wege gehen: Es gibt Alternativen zu WhatsApp, Google und Co. Sie sind | |
weniger bekannt, manchmal kosten sie Geld, weil sie sich nicht über Werbung | |
finanzieren und keine Nutzerdaten verkaufen. Einige finden Sie am Schluss | |
dieses Textes, aber es gibt noch viel mehr, auch ganz individuelle. Die | |
großen Anbieter bedienen die Masse. Wer keinen Massengeschmack, keine | |
Massenbedürfnisse hat, ist daher bei ihnen nicht unbedingt am besten | |
aufgehoben. | |
Nein sagen: Die Fußballgruppe Ihrer Tochter will sich über WhatsApp | |
organisieren? Der Lehrer verteilt Hausaufgaben über Facebook? Schlagen Sie | |
Alternativen vor. | |
Die eigenen Rechte durchsetzen: Die Daten sind im Netz, die Reue ist groß | |
und doch sind Nutzer nicht machtlos. Einen möglichen Weg hat Max Schrems | |
gezeigt, zu Beginn seines Rechtsstreits mit Facebook noch Jurastudent. Sein | |
Rezept: Hartnäckigkeit. Am Ende schaffte er es, ein Abkommen zwischen EU | |
und USA zu kippen. Für den Anfang reicht auch ein Brief an ein Unternehmen | |
mit der Bitte um Auskunft, welche Daten es über einen gespeichert hat. | |
Schikanen umgehen: Facebook will persönliche Fotos nur dann aus dem Netz | |
nehmen, wenn man ein aufwendiges Form-Prozedere auf sich nimmt? Einfach | |
ignorieren. Das Unternehmen muss auch auf ein entsprechendes Fax reagieren, | |
das etwa die zugehörigen URLs auflistet. | |
Hilfe holen: Möglicherweise kommen Sie an einen Punkt, an dem Sie nicht | |
weiterwissen – Zeit, sich Hilfe von außen zu holen. Die | |
Verbraucherzentralen sind eine mögliche Anlaufstelle. Ab Mai 2018, wenn die | |
Datenschutzgrundverordnung in Kraft tritt, können auch Datenschutzverbände | |
klagen. | |
Anfangen: An diesem Tag, in dieser Minute. Mit aufsteigendem | |
Schwierigkeitsgrad: Meiden Sie Google. Verwenden Sie Startpage oder | |
DuckDuckGo, Cliqz oder Qwant. Installieren Sie einen alternativen Messenger | |
wie Threema, Signal oder Wire. Überzeugen Sie einen WhatsApp-Kontakt, das | |
Gleiche zu tun. Wenn Sie das nächste Mal jemand mit dem Handy fotografiert, | |
fragen Sie, wohin dieses Foto geladen wird. Fordern Sie von einem Konzern | |
Ihrer Wahl Auskunft über die über Sie gespeicherten personenbezogenen | |
Daten. Seien Sie das Sandkorn im Getriebe der großen Konzerne. Jetzt. | |
13 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Ewiges-Gedaechtnis-von-Facebook/!5452720 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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