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# taz.de -- Datenschutz in der Industrie: Digitale Souveränität​
> Fraunhofer-Forscher entwickeln Techniken für die Digitalökonomie.
> Industriefirmen sollen sicher sein, dass nur sie Zugang zu ihren Daten
> haben.
Bild: Schweißroboter bei der Porscheproduktion in Leipzig
Berlin taz | Der Wandel zur digitalen Wirtschaft verlangt auch Anpassungen
in der Forschungspolitik. Mit dem neuen Konzept der „Digitalen
Souveränität“, das die Fraunhofer-Forschungsgesellschaft entwickelt hat,
sollen sichere Datenräume für die internetgestützte „Industrie 4.0“
entstehen. In der Mikroelektronik wird versucht, mit neuen Chipgenerationen
die Abhängigkeit von Überseeproduzenten zur überwinden.
„Daten sind heute nicht mehr nur ein Hilfsmittel in der Produktion, sondern
selbst ein Produkt“, sagt Reimund Neugebauer, Präsident der
Fraunhofer-Gesellschaft, die sich in 80 öffentlich getragenen Instituten um
die anwendungsorientierte Forschung in Deutschland kümmert.
In den letzten Jahren haben die Informatik- und Produktionswissenschaftler
daran gearbeitet, die „automatisierte Fabrik“ aus ihrem
informationstechnischen Inseldasein zu befreien und an das Internet
anzuschließen. Materialflüsse, Produktionsabläufe und Vertrieb der Produkte
können deutlich effektiver organisiert werden. Unter der Bezeichnung
Industrie 4.0 hat das deutsche Konzept der digitalisierten Fabrik
international Karriere gemacht.
„Über allem schwebt jedoch die Frage der Datensicherheit“, betont
Neugebauer. Im Unterschied zu den großen Konzernen steht die Mehrzahl
mittelständischer Unternehmen der Digitalisierung noch zurückhaltend
gegenüber, weil sie Cyberattacken und Onlinespionage befürchten. Deshalb
hat Fraunhofer vor einem Jahr das Konzept des „Industrial Data Space“
kreiert, einem nur für bestimmte Nutzer zugänglichen Datenraum in einer
Computercloud.
„Unternehmen können damit das Potenzial der Digitalisierung für ihre
Geschäftsmodelle nutzen, ohne dabei die Kontrolle über ihre Daten
abzugeben“, sagt Boris Otto, der am Fraunhofer-Institut für Materialfluss
und Logistik (IML) in Dortmund das Projekt koordiniert.
## Wirtschaftsgut Daten
Zutritt gewährt ein Software-Connector, der bei jedem Teilnehmer
installiert werden muss. Auf einfache Weise können dann Geschäftsprozesse
organisiert werden, etwa zwischen einem Automobilbauer und seinem
Zulieferer, oder die Fernkontrolle von Maschinen. Wichtig ist an dem
„Architekturentwurf zur Wahrung der digitalen Souveränität“, so Otto, dass
die Unternehmen zu jedem Zeitpunkt die Selbstbestimmung über ihr
„Wirtschaftsgut Daten“ behalten.
Der sichere Datenraum, zunächst von den Wissenschaftlern mit 30
Industrieunternehmen gegründet, kam gut an. Er hat inzwischen mehrere
Ableger, so ein „Medical Data Space“, der unter anderem die Datenaustausch
in der Antibiotikaforschung organisiert. Im „Materials Data Space“ stehen
digitalisierte Informationen über Werkstoffe zur Verfügung, die sowohl in
der Produktion wie bei der Entsorgung gebraucht werden. „Inzwischen haben
sich 620 Partner aus acht europäischen Länder beteiligt“, berichtet
Neugebauer. Ein neuer Digitalstandard ist im Entstehen.
Den Austausch von Daten sicherer zu machen und dafür unkomplizierte
technische Standards zu entwickeln, sind zwei der vier digitalen
Hauptprojekte der Fraunhofer-Gesellschaft. Hinzu kommt die Erhöhung der
Datengeschwindigkeit, über das Internet der fünften Generation, von den
Experten als „5G“ abgekürzt, sowie die bessere Analyse von großen
Datenmengen (Big Data) durch Fortschritte beim „maschinellen Lernen“. Das
Highspeedinternet, das Signale innerhalb einer Millisekunde verarbeitet,
ist etwa Voraussetzung für die Technik des autonomen Fahrens. Beim
maschinellen Lernen hat sich Fraunhofer jetzt mit den Grundlagenforschern
der Max-Planck-Gesellschaft verbündet, um bei der Softwarekompetenz
aufzuholen.
## Stärkung der technologischen Souveränität
„Während wir in Deutschland bei der Sensorik führend sind, haben wir ein
Defizit bei der Entwicklung von Algorithmen zur Verarbeitung dieser
Sensordaten“, erläutert Neugebauer. Auch diese Forschungsrichtung gehört
für ihn zur Stärkung der „technologischen Souveränität Deutschlands“. E…
Begriff, der im Zeitalter globaler Märkte und weltumspannender
Informationsnetze ein wenig kleinstaaterisch wirken mag, aber für die
technologische Akzeptanz von wachsender Bedeutung ist.
Das „maschinelle Lernen“ (auch als „künstliche Intelligenz“ bezeichnet)
bedeutet, dass die Computer aus großen Datenmengen über verfeinerte
Algorithmen selbständig neue Informationen gewinnen können, die sie vorher
nicht hatten. Das kann soweit gehen, „den Rückspiegel der historischen
Daten in Voraussagen und Vorschläge umzudrehen“, schreibt das
Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationsysteme (IAIS)
in Sankt Augustin bei Bonn.
Bislang kommt maschinelles Lernen in der Mustererkennung von Objekten und
Personenidentifikationen zum Einsatz. Künftige Felder sollen die
industrielle Produktion, Logistik, Service und eCommerce, sowie Sicherheit
und Medizin sein. Ein Innovationsschub geht gerade durch den
Mobilitätssektor, wo Fahrerassistenz-Systeme immer „intelligenter“ werden,
und dabei nicht nur vor Gefahren warnen, sondern auch schon das Einparken
des Wagens fahrerlos übernehmen.
Der nächste große Schritt in die Datenökonomie ist ein Hardwarevorhaben,
das nicht einmal die solventen Deutschen alleine stemmen können: der Aufbau
einer neuen Mikroelektronikproduktion in Europa.
## Geheime Codes
Gerade hat Fraunhofer vom Bundesforschungsministerium den Auftrag bekommen,
das Konzept für eine „Forschungsfabrik Mikroelektronik“ zu entwickeln. Für
ihre Fabrikmaschinen und die Automobilelektronik wollen deutsche Hersteller
von asiatischen und US-Bauteilen wegkommen, weil nicht sicher ist, ob durch
geheime Codes doch ein Datenabfluss ins Ausland stattfinden kann.
Mit 400 Millionen Euro fördert das Wanka-Ministerium in den nächsten vier
Jahren die Mikroelektronikforschung, während der Wirtschaftsminister sogar
eine Milliarde Euro als deutschen Anteil für die europäische Chipfabrik
(Gesamtvolumen 6 Milliarden Euro) zugesagt hat.
In der Wirtschaft wird dringend auf die Fortschritte der Forschung
gewartet. Bei einem Symposium über die Zukunft des Autos vor einigen Wochen
in Berlin sprach der Vorstandsvorsitzende des Verbandes Deutscher
Elektrotechniker (VDE), Ansgar Hinz, das Risiko an, das sich mit dem
Einsatz von autonomen Fahrzeugen durch große Internetkonzerne ergebe.
„Einige dieser Anbieter greifen über das Thema autonomes Fahren direkt den
Kern der deutschen Industrie an.“ Die nächste Stufe der Mobilität werde
revolutionär sein: „Ein Wandel, der alles Bisherige in den Schatten stellen
wird.“ Deshalb sei jetzt eine „starke Teamleistung von Unternehmen,
Politik, Verbänden und Initiativen“ nötig, um den „nächsten Schritt in
Richtung New Mobilityzu gehen“, sagte Hinz. Entscheidend sei, dass Europa
zum „Spitzen-Know-how in der Mikroelektronik“ durchdringe, wozu auch das
neue Förderprogramm der Bundesregierung zähle.
11 Nov 2016
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
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