Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Big Data in der Industrie: Alles ist durchleuchtet
> Rückversicherer sammeln und analysieren massenhaft Daten aus der
> Industrie, um ihr Risiko zu verringern. Das haben Datenschützer kaum im
> Blick.
Bild: Ein Stillstand bei VW kann teuer werden. Das wollen die Versicherer verhi…
Hamburg taz | Tagelang standen die Bänder bei Volkswagen still. Schuld an
der erzwungenen Produktionspause für ein Automodell im Sommer vergangenen
Jahres war der Lieferstopp eines kleinen Zulieferers, mit dem der
Weltkonzern im Rechtsstreit liegt. Der Stillstand kostete VW Ansehen – und
schätzungsweise 100 Millionen Euro. Finanziell soll der Schaden bei einer
Versicherungsgesellschaft abgesichert gewesen sein.
Zwar leben Versicherer davon, dass sich Kunden bei ihnen gegen alle
möglichen Unwägbarkeiten des Lebens schützen. Aber Vorfälle wie bei VW
werden schnell teuer. Deswegen versuchen sich die Gesellschaften
mittlerweile mit enormer Datensammelei vor Risiken zu schützen.
Besonders betroffen sind sogenannte Rückversicherer. Bei ihnen sammeln sich
die meisten Risiken, die Unternehmen und Verbraucher bei Allianz, Axa und
Co. abladen. Diese Erstversicherer rückversichern sich bei einer Handvoll
kapitalstarker Riesen. Allein der Weltmarktführer Munich Re verfügt über
Kapitalanlagen von rund 250 Milliarden Euro.
Der bayerische Versicherungsriese setzt auf die Macht der Daten, um das
Risiko etwa eines Lieferstopps in einer weltweiten Lieferkette vorab zu
erkennen und im Preis für eine Police zu berücksichtigen. Denn bei Fällen
wie VW kann es sogar noch weit schlimmer kommen. Hier war nur der Autobauer
betroffen. Doch oft hängen mehrere Produzenten von einem Unternehmen und
seinem speziellen Bauteil ab.
## Wissenslücken mit Big Data schließen
Um derartige Risiken zu erkennen, reichen die Informationen aus der
einmaligen Risikoprüfung vor Vertragsabschluss nicht aus. Schließlich gibt
es Vertraulichkeitsvereinbarungen, die über Patente die Weitergabe von
Informationen verhindern. „Diese Lücken wollen wir mithilfe von Big Data
bestmöglich schließen“, sagt Alexander Schmidl, Big-Data-Experte der Munich
Re.
Sein Team und er sammeln Informationen, die im Internet angeblich frei
verfügbar sein sollen, aber nur unstrukturiert vorliegen. Um die riesigen
Datenmengen zu durchforsten, wird ein sogenannter Webcrawler eingesetzt,
außerdem nach speziellen Begriffen programmierte Suchprogramme sowie
„Wissensmodelle“, die ein IT-Dienstleister für die Münchner erstellt. Die
Module sollen sich im Laufe der Zeit selbst optimieren.
So erfasste Rohdaten werden mit den intern erhobenen Informationen
zusammengeführt. „Unser Ziel ist also, kritische Produkte und Zulieferer zu
identifizieren und Abhängigkeiten zu erkennen“, erklärt Schmidl. Wenn man
die Netzwerke durchschaue, könnte man im Idealfall etwa die
Betriebsunterbrechungsrisiken von Kunden genau berechnen.
Ähnliche Projekte sind auch bei anderen Rückversicherern wie Hannover Re
und Swiss Re angelaufen. Sie greifen sogar auf Daten von Satelliten der
amerikanischen Weltraumbehörde Nasa zurück, bringen Drohnen zum Einsatz
und verfolgen mittels Funkchips den Fluss der Waren zeitgleich von
Shanghai bis in den Hamburger Supermarkt.
## Grenzen der Versicherbarkeit verschieben
Bei der Swiss Re ist man sich sicher: Big Data wird nicht allein bei
privaten Policen, sondern auch in der Wirtschaft die „Grenzen der
Versicherbarkeit“ verschieben. Das bessere Verständnis der Risiken werde zu
einem „expositionsbasierten Echtzeitansatz“ führen. Das heißt, Policen
werden künftig ständig der neuen Risikolage eines Unternehmens angepasst.
Doch während personenbezogenen Datengeschäfte von Google, Facebook und IBM
im Fokus von Datenschützern, Öffentlichkeit und Politik stehen, bleibt die
Sammelei der Versicherer unbeachtet. Für deutsche Datenschützer sind
Rückversicherer und Big Data „kein Thema“. Sie wären bei personenbezogenen
Vorfällen zuständig, nicht aber, wenn es um Datensicherheit in der
Wirtschaft geht.
Die globale Informationsbeschaffung der Rückversicherer sprengt den Rahmen.
Sogar der unmittelbar betroffene Industrieverband BDI, dem auch VW
angehört, gibt sich auf Anfrage der taz ahnungslos.
17 Mar 2017
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Datenschutz
Schwerpunkt Überwachung
Versicherung
Big Data
Versicherung
Lesestück Recherche und Reportage
Datensicherheit
Schwerpunkt Meta
Instagram
Schwerpunkt Meta
Digitalisierung
Digitalisierung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kohle-Politik des Rückversicherers: Munich Re reduziert Schmutzgeschäft
Der zweitgrößte Rückversicherer der Welt will weniger in Klimakiller
investieren. Die Konkurrenz unternehme mehr, kritisieren Umweltschützer.
Big Data und Überwachung in China: Ihr werdet schon sehen
Kein Land ist so avanciert, wenn es um Datennutzung geht – inklusive der
Verknüpfung diverser Datenbanken. Die Regierung hat Zugriff.
Kommentar zu digitaler Sicherheit: Sparsam sein und investieren
IT-Sicherheit nicht im Griff zu haben, gibt niemand gerne offen zu. Dabei
geht es sowohl Unternehmen als auch Kunden an.
Guerilla-Programm verwirrt Facebook: Niemand weiß, was ich mag
Sie reagieren auf Katzen mit weinenden Smileys? Auf Rote Bete mit
Like-Daumen? Dann sind Sie verrückt. Oder nutzen ein neues Programm.
Big Data und Instagram: Mein aufregendes Leben
Was sind die digitalen Spuren der Selbstdarstellung? Der Datenjournalist
Tin Fischer hat sich auf Instagram umgeschaut.
Psychologe Michal Kosinski: „Die Filterbubble ist ein Mythos“
Haben die Methoden von Michal Kosinski den Sieg Donald Trumps ermöglicht?
Und was sagen Fritten über Intelligenz? Der Psychologe im Gespräch.
Digitalisierung von Politik: Vom Start-up zum Staat-up
Steuererklärung, Krebsvorsorge, Bankgeschäfte: In Estland geht das mit
einer ID. Deutschland findet das vorbildlich. Wohin führt das?
Datenschutz in der Industrie: Digitale Souveränität​
Fraunhofer-Forscher entwickeln Techniken für die Digitalökonomie.
Industriefirmen sollen sicher sein, dass nur sie Zugang zu ihren Daten
haben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.