# taz.de -- DGB-Kundgebung am 1. Mai in Berlin: Wer warf das Giffei? | |
> Berlins Regierende Bürgermeisterin wird ausgebuht und beworfen. Daraufhin | |
> verlässt Giffey nach kurzer Rede die Bühne. | |
Bild: Kurzer Auftritt: Nach wenigen Minuten brach Franziska Giffey ihre Rede be… | |
BERLIN taz | Kurz bevor Franziska Giffey ihre Rede am Brandenburger Tor | |
nach wenigen Minuten abbricht, fliegt ein Ei in ihre Richtung. Das ist | |
dokumentiert, geht aber im allgemeinen Getöse weitgehend unter. Die | |
Regierende Bürgermeisterin – vom DGB eingeladen, auf dessen Demonstration | |
nach der Landesvorsitzenden Katja Karger und Bundeschef Reiner Hoffmann zu | |
sprechen – schafft es nicht, der Wand aus lauten Buhrufen und Pfiffen mehr | |
als ein paar Sätze entgegenzurufen. | |
Nachdem Karger und Hoffmann vergeblich um Respekt vor dem Gast gebeten | |
hatten, sagt Giffey selbst, sie sei gewählt worden, „weil es richtig ist, | |
dass alle in einem demokratischen Land ihre Stimme erheben können. Es ist | |
aber wichtig, zuzuhören.“ Und verlässt danach die Bühne. | |
Es sind dabei keineswegs alle Teilnehmenden, die die SPD-Politikerin | |
niederbrüllen. Vielmehr handelt es sich um eine starke Minderheit aus dem | |
Spektrum der linken Jugendorganisationen und der [1][Initiative Deutsche | |
Wohnen und Co. enteignen.] „Volksentscheid umsetzen!“, skandieren sie | |
lautstark, und als Giffey beteuert, sie setze sich mit dem Senat für | |
bezahlbares Wohnen ein, wird „Wohnungsmafia, Wohnungsmafia“ gerufen. | |
Einer der Zwischenrufer hält ein Linken-Fähnchen, von hinten nähert sich | |
ihm ein Paar im Rentenalter, das SPD-Fähnchen trägt. „Na, das ist ja 'ne | |
super Solidarität!“, raunzt der alte Demonstrant dem jungen zu. Den ficht | |
das nicht an: „Frau Giffey kann sprechen, wo sie will, im Abgeordnetenhaus | |
oder im Fernsehen. Aber nicht hier und heute. Das ist die Bühne der | |
Arbeiterklasse.“ | |
Giffey verurteilte den Eierwurf später auf dem Kurznachrichtendienst | |
Twitter: „Jeder vom uns weiß: Proteste am 1. Mai gehören nun mal dazu, | |
Gewalt jedoch nicht.“ Sie lasse sich davon jedoch „in meiner politischen | |
Arbeit nicht beirren“. | |
Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) nahm Giffey in Schutz. „Eierwürfe | |
gegen die Regierende Bürgermeisterin sind einfach respektlos und daneben“, | |
schrieb Jarasch auf Twitter. „Und bringen sicher nicht mehr Gerechtigkeit.“ | |
Kritik aus dem linken Gewerkschaftsspektrum an Giffeys Präsenz hatte es | |
[2][schon vor einigen Tagen gegeben:] Die Junge GEW Berlin forderte den DGB | |
auf, die Regierende wieder auszuladen. An den Schulen arbeiteten viele über | |
ihrem Limit. Aber die jüngst ins Leben gerufene Tarifbewegung für mehr | |
Personal und kleinere Klassen sowie deren Ankündigung, diesen Forderungen | |
auch mit Streiks Nachdruck zu verleihen, habe Giffey sofort kritisiert. | |
Auch ein Vertreter des „klassenkämpferischen Blocks“ bei der DGB-Demo | |
kritisierte, dass Giffey als Chefin des öffentlichen Dienstes für | |
millionenschwere Kürzungen im Personalbereich und damit „in Wirklichkeit | |
bei Auseinandersetzungen mit den Arbeitenden auf der anderen Seite“ stehe. | |
Der Ukrainekrieg ist ein weiteres beherrschendes Thema auf der ideologisch | |
extrem heterogenen Demonstration – erstmalig seit Beginn der Pandemie | |
wieder mit einem Live-Zug vom Alexanderplatz zur Straße des 17. Juni, samt | |
Kundgebung und Straßenfest. Zwischen den Abordnungen der | |
DGB-Teilgewerkschaften laufen immer wieder Gruppen aus dem extrem linken | |
und internationalistischen Spektrum, deren Forderungen „Weder Putin noch | |
Nato“ oder „Zeit für eine neue Friedensbewegung gegen jede imperialistische | |
Aggression“ lauten. | |
## DGB kritisiert Aufrüstung | |
Auch die Forderung Reiner Hoffmanns, Deutschland müsse „einen | |
substanziellen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit im Rahmen der EU und Nato | |
leisten“, wird mit vielen Buhrufen quittiert. Er schiebt allerdings auch | |
noch nach, die Rüstungsspirale müsse ein Ende haben, und der DGB sage „klar | |
und deutlich nein zu massiver Aufrüstung“. Das Geld werde dringend für | |
Zukunftsinvestitionen in soziale und ökologische Gerechtigkeit benötigt. | |
Am Rand stehen zwei ältere Frauen. Warum sie gekommen sind? „Als | |
Gewerkschafterin muss ich mich in dieser Zeit vor allem gegen den Krieg | |
wenden, und das bedeutet auch gegen die weiteren Waffenlieferungen“, sagt | |
eine der beiden. Sie sei froh gewesen, dass der Bundeskanzler dabei so | |
lange auf der Bremse gestanden habe. „Aber das ist ja jetzt auch vorbei.“ | |
1 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213 | |
[2] /Protest-gegen-1Mai-Auftritt-beim-DGB/!5851424 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
DGB | |
Franziska Giffey | |
Demonstrationen | |
Tag der Arbeit, Tag der Proteste | |
Annalena Baerbock | |
Andreas Geisel | |
Franziska Giffey | |
Franziska Giffey | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Lohnerhöhung | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
Polizei Berlin | |
Innensenatorin Iris Spranger | |
Franziska Giffey | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahlkampfauftritt in Wuppertal: Eierwurf auf Außenministerin | |
Annalena Baerbock wurde bei einem Wahlkampfauftritt der Grünen in Wuppertal | |
mit einem rohen Ei beworfen. Die Politikerin reagierte gelassen. | |
Ei-Wurf auf Franziska Giffey am 1. Mai: Die Extreme nicht gewähren lassen | |
Bei der Attacke auf die Regierungschefin erschreckt nicht nur der Angriff | |
selbst, sondern dass Umstehende die Gewalt tolerierten. Ein | |
Wochenkommentar. | |
Debatte zum 1. Mai im Abgeordnetenhaus: Grüne beim Rumeiern erwischt | |
Aus SPD-Sicht distanzieren sich die Grünen nicht ausreichend von dem | |
Angriff auf Regierungschefin Franziska Giffey (SPD). | |
Studierende fordern Giffeys Rücktritt: Diesmal flog kein Giffei | |
Franziska Giffey hält zum 150. Geburtstag Alice Salomons eine Rede an der | |
ASH. Die Studierenden protestieren dagegen und fordern ihren Rücktritt. | |
Revolutionäre 1.-Mai-Demo in Berlin: Am Ende fliegen Flaschen | |
Die 18-Uhr-Demo erreicht ohne große Zwischenfälle ihr Ziel in Kreuzberg. | |
Die Beteiligung ist enorm: Etwa 20.000 Menschen laufen mit. | |
Kundgebungen zum 1. Mai: Gut gebrüllt, halb gewonnen | |
Auf den DGB-Demos zum 1. Mai geht es um Krieg, Frieden und soziale | |
Gerechtigkeit. Selbst Kanzler Olaf Scholz wurde ungewöhnlich laut. | |
DGB-Forderungen zum 1. Mai: Auf wackligen Beinen | |
Die 1.Mai-Forderung nach Lohnerhöhung ist völlig nachvollziehbar. Nur: Ein | |
Aufschlag könnte die Inflation zusätzlich anheizen. | |
Proteste am 1. Mai in Berlin: Grunewald kommt unters Rad | |
Tausende Menschen demonstrieren mit einer Radtour für Umverteilung, | |
Vergesellschaftung und gegen Verdrängung. Ziel ist das Villenviertel | |
Grunewald. | |
Der Tag der Arbeit und seine Rituale: Kämpferisch wie immer | |
Der 1. Mai wird in Berlin nicht durch Gewerkschaftsdemos bestimmt, | |
sondern durch den Protest der autonomen und radikalen Linken. Über einen | |
Mythos. | |
Berlins Innensenatorin über den 1. Mai: „Wird für viele ein schöner Tag“ | |
Iris Spranger (SPD) über Gewalt am 1. Mai, warum die Polizeiwache am Kotti | |
kommt und warum Verfehlungen von Polizist*innen nur Einzelfälle sind. | |
Protest gegen 1.Mai-Auftritt beim DGB: „Giffey hat da nichts zu suchen“ | |
Der DGB soll Franziska Giffey als Rednerin ausladen, fordert René Arnsburg | |
vom klassenkämpferischen Block. Kommt sie doch, werde es Proteste geben. | |
Linksradikaler 1. Mai in Berlin: Revolution, wie immer | |
Revolutionäre 18-Uhr-Demo und Grundewald-Parade – die Protestklassiker gibt | |
es auch in diesem Jahr. Doch wie groß ist ihre Mobiliserungskraft? |