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# taz.de -- Linksradikaler 1. Mai in Berlin: Revolution, wie immer
> Revolutionäre 18-Uhr-Demo und Grundewald-Parade – die Protestklassiker
> gibt es auch in diesem Jahr. Doch wie groß ist ihre Mobiliserungskraft?
Bild: Teilnehmer der Revolutionären 1. Mai-Demo 2021
Berlin taz | „Es wäre das vollkommen falsche Zeichen, nicht auf die Straße
zu gehen“, so der Anmelder der [1][letztjährigen Revolutionären
1.-Mai-Demonstration]. Der Altrevolutionär Martin mit österreichischem
Akzent zeigt sich in einer [2][Videodokumentation] des
Vorbereitungsbündnisses, die am Montag online ging, so kämpferisch, wie es
seiner Rolle entspricht. Von der „Repression“ – die Polizei hatte den
Aufzug gewaltsam aufgelöst – dürfe man sich nicht abschrecken lassen, die
Probleme, die sie zuletzt auf die Straße getrieben hätten, bestünden alle
fort. Also brauche es „mehr Widerstand, mehr Demonstrationen, mehr
Aktionen“.
Schaut man auf das sich abzeichnende Protestgeschehen für den diesjährigen
Tag der Arbeit, wird deutlich: Mehr wird es nicht geben, weniger aber auch
nicht: Antikapitalistische Demo in Wedding und feministische FLINTA*-Demo
am Vorabend; hedonistische Intervention samt Fahrradkorso in den Grunewald
und 18-Uhr-Demo. [3][Alle Klassiker der Linksradikalen] sind wieder da.
Während der DGB nach der Pandemiepause ebenfalls zurück auf die Straße will
und sich auch über einen linken, klassenkämpferischen Block freuen darf,
wurde das bezirklich organisierte MyFest in Kreuzberg mit Blick auf das
unsichere Infektionsgeschehen bereits im Januar abgesagt.
Die Revolutionäre Demo, die noch angemeldet werden soll, wird erneut
versuchen, von Neukölln – Startpunkt soll um 18 Uhr der Hertzbergplatz sein
– nach Kreuzberg zum Oranienplatz zu ziehen. Das Motto „Yallah Klassenkampf
– No war but classwar“ verdeutlicht dabei, dass wie im vergangenen Jahr
wieder ein Bündnis um die Migrantifa federführend ist und den ersten Block
stellen wird, sowie die thematische Notwendigkeit, sich zum Krieg in der
Ukraine zu positionieren und die sozialen Verhältnisse anzuprangern.
## Polizei schweißt zusammen
Demo-Sprecherin und Migrantifa-Aktivistin Aicha Jamal betont im Gespräch
mit der taz, dass man sich über die Strategie der Polizei nun „viel
bewusster“ sei. 2021 war der Frontblock schon enteilt, während die Polizei
hinten den autonomen Block abtrennte und auflöste. Die Polizei unternehme
„Spaltungsversuche“, sagt Jamal. So sei den vielfach jungen migrantischen
Aktivist:innen von Polizist:innen gesagt worden, dass sie „die
Guten seien“, während hinten der „böse schwarze Block“ laufe.
All das habe das Bündnis „enger zusammenwachsen“ lassen. Gespannt zeigt
sich Jamal, ob die Polizei wieder mit Verweis auf den Infektionsschutz
interveniere. „Für uns ist die Pandemie nicht vorbei. Wir werden dazu
aufrufen, FFP2-Masken zu tragen.“
„Relativ schnell einig“ sei man sich in der Positionierung zum Ukrainekrieg
gewesen. Im Aufruf heißt es: „Als revolutionäre Linke verurteilen wir den
Angriffskrieg Russlands, dessen Ziel die Aufrechterhaltung von Russlands
Stellung als imperialistische Großmacht ist.“ Gleichzeitig wird der Krieg
als „Resultat der jahrzehntelangen Eskalationsspirale durch die Nato“
beschrieben. Der „antimilitaristische Ausdruck“ der Demo ziele darauf, sich
„weder mit Russland noch mit der Nato zu solidarisieren“, sagt Jamal.
Bleibt die Frage, ob die Demo an ihren Mobilisierungserfolg des Vorjahres,
als mit 20.000 Teilnehmer:innen fast so viele wie im Rekordjahr 2014
kamen, anschließen kann. Von einer „Glaubwürdigkeitskrise“ der Linken
angesichts eines gesellschaftlich bröckelnden antimilitaristischen
Konsenses schreibt die [4][Berliner Morgenpost]. Auch habe die radikale
Linke an Bedeutung verloren, weil Themen wie Mieten- und Klimakrise im
Mainstream verhandelt würden. Dagegen spricht: Keines dieser Probleme ist
gelöst, und die soziale Frage kommt mit Wucht zurück. „Angesichts
steigender Lebensmittel- und Energiepreise werden wir immer ärmer“, sagt
Jamal.
Noch wichtiger aber: Die Größe der Demo hängt kaum an konkreten Inhalten
oder den Orgagruppen, sondern dem Level an Krisen und der Unzufriedenheit
mit den Antworten des kapitalistischen Systems. Sie bleibt, das zeigen
bereits die Aufrufe für verschiedene Blöcke von klassenkämpferisch bis
anarchistisch, ein zentraler Anlaufpunkt für die linksradikale Szene, für
marginalisierte Jugendliche und Schaulustige.
## Ausflug ins Grüne
Etabliert mit zuletzt über 15.000 Teilnehmer:innen hat sich auch die
[5][Demo in den als „Problembezirk“ ausgemachten Grunewald]. Das
Quartiersmanagement Grunewald der Hedonistischen Internationale plant
wieder eine Fahrradsternfahrt. Drei Finger von Wedding, Ostkreuz und
Neukölln sollen sich am Roten Rathaus vereinen und von dort bis zum
Johannaplatz fahren, wo es auch eine stationäre Kundgebung gibt. Allein die
Rückfahrt über die A100, deren weitere Verlängerung zu einem Großthema der
sozialen Bewegungen der Stadt werden könnte, dürfte die Teilnehmerzahl hoch
halten.
Laut Quartiersmanagement-Sprecherin Frauke Geldher geht es aber um mehr:
„Klimakatastrophe, Krieg, Mietenwahnsinn – In Zeiten der existenziellen
Krisen müssen selbst die davon profitierenden Vermögenden erkennen: Wir
stehen an der Wegkreuzung – Umverteilung oder Barbarei!“
13 Apr 2022
## LINKS
[1] /1-Mai-in-Berlin-und-Hamburg/!5769306
[2] https://www.youtube.com/watch?v=38Rx9_de_GY
[3] /Bilanz-des-1-Mai-in-Berlin/!5765128
[4] https://www.morgenpost.de/berlin/article235052723/Revolutionaere-1-Mai-Demo…
[5] /Berliner-MyGruni-Demo-am-1-Mai/!5769304
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
Migrantifa
Linke Szene
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