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# taz.de -- Revolutionäre 1.Mai-Demo in Berlin: Neukölln will Feste feiern
> Im Streit über die Route der 1.-Mai-Demo ist keine Einigung in Sicht. Das
> Demo-Bündnis wertet die vom Bezirk organisierten Feste als
> Boykottversuch.
Bild: Wer beobachtet wen? Hund, Polizist und Passant bei Revolutionärer Demo a…
Berlin taz | Im Konflikt über die Route der Revolutionären 1.-Mai-Demo sind
die Fronten offenbar verhärtet. „Es ist bedauerlich, wie Herr Hikel als
selbsternannter Demokrat hier das Recht auf Versammlungsfreiheit mit Füßen
tritt“, sagt Aicha Jamal, Sprecherin des Demo-Bündnisses. Die kurzfristig
vom Bezirksamt angekündigten Festlichkeiten hätten einzig den Zweck, „die
Demonstration zu verhindern“, fügt sie hinzu. Keineswegs, sagt Christian
Berg, Pressesprecher des Bürgermeisters Martin Hikel (SPD), der taz: „Zum
Zeitpunkt der Vorbereitung der Veranstaltungen war dem Bezirksamt keine
Route der 18-Uhr-Demo bekannt.“
Am 11. April wurde die [1][Route der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration]
veröffentlicht und einen Tag später bei der Versammlungsbehörde angemeldet.
Als Startpunkt ist der Hertzbergplatz vorgesehen. Nach einer
Auftaktkundgebung um 16.30 Uhr soll sich die Demonstration laut Plan ab 18
Uhr über die Sonnenallee und den Kottbusser Damm in Richtung Organienplatz
in Bewegung setzen. Am 20. April wurde den Veranstalter:innen im
Kooperationsgespräch mit der Polizei mitgeteilt, dass das Bezirksamt
Straßenfeste auf der Demoroute plant und diese deshalb nicht wie angemeldet
laufen kann.
Das Team des Bürgermeisters hatte Berg zufolge bereits im März begonnen,
die Festlichkeiten am Hermannplatz, am Rathaus Neukölln und an der
Sonnenallee Ecke Pannierstraße zu planen (siehe Grafik). Am 25. März wurden
die Anträge auf Genehmigung der Feste beim Straßen- und Grünflächenamt
gestellt, schon damals mit Ortsangaben.
Nun seien die Planungen so weit vorangeschritten, dass „eine Verlegung der
Feste nicht wahrscheinlich“ sei, sagt Berg. Am Hermannplatz werde eine
große Bühne aufgebaut. An der Sonnenallee soll es ab 19 Uhr Bestuhlung für
500 Menschen geben. Hier plant der Bezirk gemeinsam mit dem
Deutsch-Arabischen Zentrum zum ersten Mal ein großes, gemeinsames
Fastenbrechen (Iftar) auf der Straße. Der Aufbau dafür soll bereits am
Nachmittag beginnen. Aus diesem Grund ist laut Berg auch nicht vorstellbar,
dass die Demonstration vor Beginn der Feste durch die Sonnenallee ziehen
kann.
## Keine Lösungen in Sicht
Eine Möglichkeit zur Lösung des Konflikts entfällt damit bereits. Die
Veranstalter:innen hatten vorgeschlagen, einfach um 18.30 Uhr, also
vor Beginn des Festes, an der Sonnenallee um 19.00 Uhr dort vorbeizuziehen.
Welche weiteren Lösungsmöglichkeiten bestehen, ist unklar. Es gibt dazu
aktuell Verhandlungen beziehungsweise einen Austausch zwischen dem Anwalt
des Demo-Bündnisses und dem Bezirksamt. Am Dienstagnachmittag konnte jedoch
noch keine Einigung erzielt werden.
Fraglich ist darüber hinaus die Intention des Bezirksamts mit den geplanten
Festen. Die Idee dazu sei aus zwei Überlegungen entstanden, sagt Berg:
einerseits die Lockerungen der Coronaregeln und das Ausbleiben solcher
Feste in den vergangenen Jahren. Andererseits gebe es den Wunsch, besonders
geflüchteten Menschen muslimischen Glaubens, die in den Jahren 2015 und
2016 nach Deutschland gekommen sind, Aufmerksamkeit zu schenken.
„Diese fühlen sich aktuell nicht gesehen, weil plötzlich viel möglich ist
für geflüchtete Menschen aus der Ukraine, das für andere Menschen weiter
verwehrt bleibt, beispielsweise die Erlaubnis zu arbeiten.“ So sei die Idee
entstanden, zum gemeinsamen Fastenbrechen am 1. Mai Menschen aus Neuköllner
Sammelunterkünften einzuladen, erklärt Berg.
Jamal hält das für eine „Instrumentalisierung des Iftar“ seitens des
Bezirksamts für die eigenen politischen Zwecke. „Die Menschen werden hier
als Spachtelmasse im politischen Tauziehen benutzt.“ Berg räumt ein, dass
es sich um einen symbolischen Akt handelt, man als Bezirksamt dennoch ein
Zeichen setzen wolle.
Die Frage, ob die Festlichkeiten als Reaktion auf die Revolutionäre
1.-Mai-Demo ins Leben gerufen wurden, scheint damit obsolet. Richtig ist
laut Berg aber, dass man bei den Überlegungen auch die [2][„antisemitischen
Sprechchöre“ auf der Demonstration im vergangenen Jahr] bedacht habe und
diese „in Neukölln keinen Platz haben sollen“. Jamal sieht diese
Einstellung als Teil des Problems: „Isrealkritik ist kein Antisemitismus.“
Man stehe als Bündnis deshalb hinter der kriminalisierten palästinensischen
Community.
## Scharfe Kritik am Planungsprozess
Doch nicht nur die Absichten des Bezirksamts, auch der Planungsvorgang wird
scharf kritisiert. Sarah Nagel (Linke), die als Bezirksstadträtin für
Ordnung nicht in die Planungen involviert war, sagt: „Zu so einer
weitreichenden Entscheidung sollte es einen breiteren Diskussionsprozess
geben.“
Der Fraktionsvorsitzende der Linken in Neukölln und Bezirksverordneter,
Ahmed Abed, geht einen Schritt weiter: „Das ist ein Alleingang des
Bürgermeisters. Mit demokratischer Transparenz hat das nichts zu tun.“ Er
erinnere sich nicht, dass in einer der letzten
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) oder in einer der zahlreichen
Ausschusssitzungen über die Feste gesprochen worden sei. Gerade mit Blick
auf den Haushalt sei das fragwürdig. Die Festlichkeiten kosteten immerhin
40.000 Euro und stünden nicht im Haushaltsplan.
Laut Berg wird das Geld über den Etat des Bezirksamts finanziert. Zudem sei
eine Abstimmung bezirklicher Veranstaltungen mit der BVV „nicht üblich“.
Die nächste BVV findet am 4. Mai um 17 Uhr statt. Spätestens hier wird das
Thema erneut heiß diskutiert werden.
27 Apr 2022
## LINKS
[1] /Linksradikaler-1-Mai-in-Berlin/!5845220
[2] /Bilanz-des-1-Mai-in-Berlin/!5765128
## AUTOREN
Tobias Bachmann
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