| # taz.de -- Coronakrise und Verpackungsmüll: Mehrweg als Lösung für Einweg | |
| > Lieferdienste profitieren von der Coronakrise. Das verursacht jede Menge | |
| > Müll – muss es aber nicht, zeigen alternative Modelle. | |
| Bild: Einmal zum Mitnehmen bitte: In Deutschland stapelt sich der Verpackungsm�… | |
| Berlin taz | Wegen Corona bietet das Kölner Lokal „Frau Maaß und Herr | |
| Schlie“ Essen nur noch zum Mitnehmen und per Lieferservice an. Mit dem | |
| Privatfahrrad samt Kinderanhänger der Inhaberin liefert eine Aushilfe aus – | |
| in Plastikmehrwegboxen des Start-ups Vytal. Mit vier weiteren Kölner | |
| Lokalen startete die [1][Lieferservice-Plattform „Mer Sin Eins“]. Nun sind | |
| es in Köln über 20 Lokale und weitere Städte: Berlin, Bonn, Frankfurt, | |
| Heinsberg, München. | |
| Motto und Internetadresse: Support Your Local Gastro. „Wir wollen die | |
| Gastronomie am Laufen halten“, so Sven Witthöft, ehrenamtlicher | |
| Mitinitiator von Mer Sin Eins und Mitgründer des Start-ups Vytal, das die | |
| Mehrwegboxen für das Angebot stellt. „Wir bauen keinen Lieferservice wie | |
| Lieferando auf, sondern Selbsthilfe.“ | |
| Das Start-up Vytal startete im vergangenen September ein digitales | |
| Mehrwegsystem, um Verpackungsmüll bei Mitnahme- und Lieferessen zu | |
| reduzieren. Wertvoll für Coronazeiten: Die Boxen seien keimfrei und, da 100 | |
| Prozent auslaufsicher, von außen desinfizierbar. Bei „Mer Sin Eins“ können | |
| aber auch Lokale mitmachen, die noch Einweg nutzen. | |
| Auch der klassische [2][Lieferservice] läuft trotz Corona gut. Henning | |
| Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie weiß aus | |
| Erfahrungen einer Forschungsgruppe: Lieferdienste werden „überrannt“. Daten | |
| des Marktforschungsinstituts npdgroup Deutschland zeigen: Mitte März | |
| nutzten 12 Prozent Lieferdienste häufiger als bisher. Die Plattform | |
| Takeaway verzeichnet mehr Restaurantanmeldungen. | |
| Sonia Grimminger vom Umweltbundesamt (UBA) meint: „Die Mittagspause, in der | |
| oft Essen geliefert wird, fällt wegen Homeoffice weg. Aber es verlagert | |
| sich ins Private. Sehr viele Gastronomen bieten jetzt ja auch neu einen | |
| Lieferdienst an. Das führt wahrscheinlich zu mehr Einweg.“ | |
| Über 281.000 Tonnen Einweggeschirr und Verpackungen für To-go und | |
| Sofortverzehr entstanden 2017, wie eine [3][Studie des Nabu], durchgeführt | |
| von der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM), zeigt. Dazu | |
| kommen noch mal knapp 66.000 Tonnen Müll aus Picknick- und Partybedarf. Die | |
| Kunststoffabfälle nahmen dabei zwischen 1994 und 2017 um 72 Prozent zu, | |
| Papier, Pappe und Karton um 26 Prozent. | |
| Der größte Anteil mit über 155.000 Tonnen Abfall – ohne Picknick- und | |
| Partybedarf – sind Teller, Boxen oder Schalen. Darunter fast 50.000 Tonnen | |
| Pizzakartons. Zwei Drittel des gesamten Einweggeschirrs und der | |
| To-go-Einwegverpackungen bringen Systemgastronomie, Imbisse und sonstige | |
| Gastronomie in Umlauf. Der Trend laut GVM: Lieferservice und | |
| Außer-Haus-Verzehr nehmen zu. Auch ohne Corona. | |
| Das Problem mit deutschen Verpackungen: Es ist nicht auszuschließen, dass | |
| sie im Meer landen, vieles wird einfach verbrannt. „Wir haben ein | |
| Ressourcen- und Verwertungs-, kein Abfallproblem“, sagt Wilts. „Wir sind | |
| weit weg von einem geschlossenen Kreislauf.“ Jedoch fragten immer mehr | |
| Kund*innen: „Geht das auch ohne Plastik mit Mehrweg?“ Am Ende sei jedes | |
| Mehrwegsystem mit regionaler Auslieferung und Sammlung besser als Einweg, | |
| so Wilts. | |
| ## Mehrweg schlägt Einweg | |
| Abfall durch Mehrweg zu verhindern sei umweltfreundlicher, als Einweg durch | |
| Einweg zu ersetzen, davon ist auch der Nabu überzeugt. Denn biobasierte | |
| Material-Alternativen seien keine Lösung. Grimminger vom UBA erklärt: Bei | |
| Abfallvermeidung gewinne Mehrweg, bei Ressourcenschonung komme es auf die | |
| Nutzungsdauer an, da Mehrwegsysteme zunächst mehr Ressourcen verbrauchen. | |
| Daher sollten die Verpackungen häufig wiederverwendet werden. | |
| Neben Vytal setzen auch etwa Recup, ein Kaffee-Pfandbecher-Vermarkter, oder | |
| Howly Bowly, ein Lieferdienst in Berlin, auf Mehrweg. Vytal entwickelte ein | |
| digitales System ohne Pfand. „Du gehst einfach in deinen Lieblingsladen, | |
| der unsere Boxen vorrätig hat, scannst an der Kasse deinen QR-Code und | |
| fertig“, erklärt Witthöft von Vytal. Der Hersteller garantiert mindestens | |
| 200 Befüllungen der Boxen – ab 10 Befüllungen ist die [4][Ökobilanz] | |
| positiv. Mit dabei sind Kantinen sowie vor allem Restaurants in Köln. | |
| „Corona hat uns jetzt voll ausgebremst“, so Witthöft. Eigentlich wollten | |
| sie das digitale Mehrwegsystem nach München und Berlin bringen. | |
| Auch die Politik hat das Thema Einweg auf dem Tisch: Durch die | |
| EU-Einwegkunststoff-Richtlinie soll der Verbrauch reduziert werden. Das | |
| Problem sei aber das [5][Konsumverhalten], so Grimminger: Denn Einweg sei | |
| vor allem bequem. Mehrwegsysteme stellten einen Mittelweg dar, um das | |
| Verhalten nicht drastisch zu verändern. Sie plädiert „für Abgaben auf | |
| Einweg“. Da sei die Wirkung besser, als Mehrweg günstiger zu machen. | |
| Katharina Istel, Referentin für Ressourcenpolitik beim Nabu, fordert von | |
| der Bundesregierung, dass sie ambitioniert die Richtlinie umsetzt: „Nur mit | |
| einer aktiven Mehrwegförderung werden Einweg-Plastikteller, wenn sie | |
| spätestens Mitte 2021 verboten sind, nicht einfach durch Einwegpapierteller | |
| ersetzt.“ | |
| 15 Apr 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.supportyourlocalgastro.de/ | |
| [2] /Essenslieferdienste-in-der-Corona-Krise/!5671129 | |
| [3] https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/abfall-und-recycling/25294.html | |
| [4] /Refurbisher-ueber-viele-neue-Smartphones/!5650861 | |
| [5] /Corona-und-Klimawandel/!5675435 | |
| ## AUTOREN | |
| Mareike Andert | |
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