# taz.de -- Bundesweiter Warntag 2022: Warnung auf Taste | |
> Wie die Bevölkerung im Notfall alarmiert werden kann, wird an diesem | |
> Donnerstag um 11 Uhr getestet. Fraglich ist aber, wer wie erreicht wird. | |
Bild: Rund 35.000 Sirenen gibt es bundesweit. Nicht alle werden am Warntag heul… | |
BERLIN taz | Punkt 11 Uhr sollen an diesem Donnerstag die Sirenen | |
losheulen. Im Radio und im Fernsehen soll eine Warnmeldung laufen. An | |
Bahnhöfen, an Info-Tafeln soll die Meldung erscheinen. Warnapps Nina und | |
Katwarn sollen aktiviert werden. Das Highlight: Cell Broadcast. | |
Mobilfunknutzer:innen erhalten die Warnnachricht aufs Handy. Gegen | |
11.45 Uhr wird wieder entwarnt. | |
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) will | |
testen, [1][wie die Bevölkerung im Notfall gewarnt werden kann]. Es geht um | |
den sogenannten „Weckruf“, also darum, dass die Menschen in der Republik | |
überhaupt mitbekommen, wenn es in ihrer Region zu einem Angriff oder einer | |
Katastrophe kommt. Erst danach geht es um Handlungsanweisungen: | |
Informationen über die Medien, die Behörden, Polizei und Feuerwehr einholen | |
und sich dementsprechend verhalten. | |
Die Nervosität ist groß im Bonner Bundesamt. Schließlich war der | |
[2][Warntag 2020 von einigen Pannen] begleitet. Und seit Beginn des | |
russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, [3][Sabotage-Fällen] bei der | |
Bahn oder der [4][Flutkatastrophe im Ahrtal] ist der Bevölkerungsschutz | |
wieder Thema. Hinzu kommt mit Cell Broadcast eine neue Technologie im | |
sogenannten „Warnmix“ dazu. | |
Das Bundesamt will damit 50 Prozent aller Mobilfunk-Nutzer:innen erreichen. | |
Ein ambitioniertes Ziel. Denn: ältere Mobilfunktelefone werden die höchste | |
Warnstufe rein aus technischen Gründen nicht erhalten. IT-Fachleuten | |
zufolge wird vermutlich nur der Anbieter T-Mobile in der Lage sein, | |
entsprechend Grundlagen zu schaffen, um auch ältere Geräte mit der | |
Nachricht zu versorgen. Bei anderen Anbietern wie Vodafone oder Telefónica | |
wird es auf diesen Geräten voraussichtlich keine Warnmeldung geben. | |
## Viele Hürden für Cell Broadcast | |
Neben dem passenden Gerät und Update muss die Nutzer:in sich in einer | |
Funkzelle befinden und der Flugmodus des Handys ausgeschaltet sein. Das | |
sind nicht wenige Hürden, die überwunden werden müssen, damit Cell | |
Broadcast seinen Zweck auch erfüllt. Das Bundesamt fordert Nutzer:innen | |
dazu auf, zurückzumelden, ob sie eine Meldung erhalten haben. | |
Die Meldung zu erhalten ist das eine, das andere, sie lesen und verstehen | |
zu können. Wie das BBK der taz mitteilte, wird die Warnung nur auf Englisch | |
und Deutsch veröffentlicht. Generell ist das Thema Barrierefreiheit ein | |
Problem, wenn gewarnt wird. | |
Alexander Ahrens von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in | |
Deutschland hält die Warnapps für blinde und sehbehinderte Menschen für gut | |
zugänglich. „Für gehörlose Menschen ist die Situation jedoch schwierig, da | |
Warnungen meist nur in Schriftsprache ausgegeben werden und nicht in | |
Gebärdensprache gedolmetscht werden“, sagte Ahrens der taz. Cell Broadcast | |
hält er für einen Schritt in die richtige Richtung, da nicht nur via | |
Schrift, sondern auch per Vibration oder Lichtblitz gewarnt werden kann. | |
„Aber Warnmeldungen müssen stets auch analog funktionieren und im | |
Mehrsinnesprinzip angewendet werden. Dazu gehören Audio, Text, Video oder | |
leichte Sprache.“ Problematischer sei, dass oft zu spät oder manchmal auch | |
gar nicht über die gängigen Systeme gewarnt würde. Dies sei aber ein | |
generelles Problem – und das nicht nur für Menschen mit Behinderung. | |
## 35.000 Sirenen bundesweit, viele funktionieren nicht | |
Neben digitalen Warnmitteln setzt das BBK auf analoge Technik. Rund 35.000 | |
Sirenen gibt es bundesweit. Doch nicht alle funktionieren richtig oder sind | |
an zentrale Systeme angeschlossen. | |
Alle Bundesländer machen mit und testen ihre Warninstrumente an diesem | |
Donnerstag. Allerdings ist die Teilnahme für die Kommunen freiwillig – und | |
teils schlicht nicht möglich. Der Bund hat mehr als 80 Millionen Euro | |
beigesteuert, damit Sirenen bundesweit aufgerüstet werden. Für den Rest | |
sollen die Länder aufkommen. Deren Zahlungswilligkeit ist allerdings eher | |
begrenzt nach Coronapandemie, Inflation und Energiekrise. | |
Der Katastrophen- und Bevölkerungsschutz ist in Deutschland vor allem | |
Ländersache. Das BBK ist nur für Krisenvorsorge, Warnung und Informierung | |
der Bevölkerung zuständig. Auch im Verteidigungsfall übernimmt das BBK. | |
„Das bedeutet, dass es bei großflächigen Katastrophen kein einheitliches | |
bundesweites Krisenmanagement gibt, was die Koordination und Bewältigung | |
verkompliziert“, sagte Michael Wiesner, Sprecher der AG Kritis der taz. Die | |
AG Kritis ist ein Zusammenschluss von IT-Fachleuten und anderen | |
Expert:innen, die IT-Sicherheit, aber auch den Schutz Kritischer | |
Infrastruktur verbessern wollen. | |
Wiesner kritisiert weiter, man sei für eine Kompensation großflächiger | |
Ausfälle, etwa des Mobilfunks, nicht ausreichend ausgestattet. In einem | |
solchen Fall würden auch Warnsysteme wie Apps oder Cell Broadcast | |
Schwierigkeiten bekommen. Wiesner zufolge wurden in den vergangenen | |
Jahrzehnten die Kapazitäten für den Bevölkerungsschutz schlicht | |
zurückgefahren. „Dies muss schnellstmöglich korrigiert werden.“ | |
8 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Bundesweiter-Warntag/!5900084 | |
[2] /Blamage-beim-bundesweiten-Warntag/!5711079 | |
[3] /Schutz-von-Kritischer-Infrastruktur/!5896907 | |
[4] /Erster-Jahrestag-der-Flutkatastrophe/!5868795 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
## TAGS | |
Katastrophenschutz | |
Nancy Faeser | |
Mobilfunk | |
GNS | |
Warntag | |
Infrastruktur | |
Nancy Faeser | |
Katastrophenschutz | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Warntag | |
Nancy Faeser | |
Bundesinnenministerium | |
Infrastruktur | |
Flutkatastrophe in Deutschland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gesetzentwurf für kritische Infrastruktur: Kritis kriegen Schutzpanzer | |
Das Dachgesetz zum Schutz kritischer Infrastruktur soll der große Wurf | |
werden. Der Entwurf hat jedoch noch Lücken, auch bei der Höhe der | |
Bußgelder. | |
Erster Bevölkerungsschutztag: Preppen als Volksfest | |
Ohne Ehrenamt ist der Einsatz bei Bränden oder Hochwasser unmöglich. | |
Innenministerin Faeser will mit Härte gegen Gewalt gegen Rettungskräfte | |
vorgehen. | |
Pilotprojekt von Bund und Ländern: Erster Bevölkerungsschutztag im Juni | |
Wie im Ernstfall reagieren? Bund und Länder wollen die Bevölkerung mit | |
einer regelmäßigen Aktion besser auf Katastrophen einstellen. | |
Warntag ist immer: Wann das Handy warnt. Und wann nicht | |
Unser Autor schreckte auf, als am Bundes-Warntag sein Handy brummte. Doch | |
Entwarnung kann er nicht geben. Denn: Klima-Alarm ist eigentlich immer. | |
Bundesweiter Warntag 2022: Eine halbe Warnung | |
Der bundesweite Warntag am Donnerstag kann lediglich als Teilerfolg gesehen | |
werden. Es mangelte vor allem an Entwarnungen. | |
Schutz von Kritischer Infrastruktur: Bollwerk gegen Saboteure | |
Die Bundesregierung will Kritische Infrastruktur besser schützen und die | |
Betreiber in die Pflicht nehmen. Unklar ist die konkrete Finanzierung. | |
Bundesweiter Warntag: Vor dem Sirenengeheul | |
Am Donnerstag wollen Bund, Länder und Kommunen üben, wie die Bevölkerung im | |
Katastrophenfall gewarnt werden kann. Die Erwartungen sind hoch. | |
Von Notz zur kritischen Infrastruktur: „Wir haben ein Sicherheitsproblem“ | |
Konstantin von Notz sorgt sich um die kritische Infrastruktur in | |
Deutschland. Der Grüne fordert massive Investitionen in die | |
Sicherheitsarchitektur. | |
Innenminister von Rheinland-Pfalz: Roger Lewentz gibt Amt auf | |
Wegen seines Krisenmanagements während der Flut im Ahrtal 2021 stand der | |
Innenminister von Rheinland-Pfalz unter Druck. Nun tritt er zurück. |