# taz.de -- Bildband über Mode und die Sapeurs: Bilder einer eleganten Gesells… | |
> In Kinshasa und Brazzaville inszenieren sich die Sapeurs mit flamboyanter | |
> Mode. Der Londoner Fotojournalist Tariq Zaidi hat sie porträtiert. | |
Bild: Die Sapeurs machen die Straße zum Catwalk | |
Versucht man die Kultur des kongolesischen Sape zu erfassen, muss das | |
Medium der Fotografie unweigerlich an seine Grenzen stoßen. Denn das | |
stolzierende Schreiten, den Tanz, den Austausch der Sapeurs mit den | |
Passanten – ihrem eigentlichen Publikum – kann das fixierende Moment der | |
Kamera nur bedingt erfassen. | |
Dennoch hat der renommierte Londoner Fotojournalist Tariq Zaidi 2017 und | |
2019 versucht, das Phänomen in Bilder zu fassen. La „Sape“, das ist die | |
Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes – die Gesellschaft der | |
Stimmungsmacher und der eleganten Leute. Deren Anhänger, kongolesische | |
Männer, Frauen und Kinder in Brazzaville und Kinshasa, haben den | |
[1][spektakulären Auftritt in teurer, maßgeschneiderter Kleidung zu ihrer | |
Sache] gemacht. | |
Das Besondere an diesem Buch: Zaidi beschränkt sich nicht auf die Sapeurs | |
als Männer mittleren Alters, sondern zollt der Breite der Bewegung Rechnung | |
und zeigt alte und junge Sapeurs – so wie Natan Mahata, der gerade acht | |
Jahre alt ist und bereits seit drei Jahren Sapeur. Zaidi bezieht ebenso die | |
weiblichen Sapeuses ein und besucht ganze Familien, die den Selbstanspruch | |
an ein leuchtendes Auftreten pflegen. | |
Dabei trifft er seine Models in der ihnen vertrauten Umgebung, in Gassen, | |
an Straßenläden und in den Wohnungen der benachteiligten Quartiere | |
Brazzavilles und Kinshasas. Zaidi wählt damit eine Umgebung, die mit ihren | |
grauen Mauersteinen, der abgeblätterten Farbe und dem omnipräsenten | |
Wellblech in deutlichem Kontrast zu den schillernd-bunten Outfits ihrer | |
Akteure steht. | |
Dieser Kontrast indes ist ein anderer als jener, den der Fotograf Jim | |
Naughten in seinem Band über die namibischen Hererofrauen und -männer | |
gewählt hat. Diese hat Naughten in seinem 2013 erschienenen Fotoband vor | |
Blanko-Aufnahmen der Namib-Wüste gestellt. Ästhetisch funktioniert das | |
allemal, stellen der eintönige beige Sandboden und der blaue, wolkenlose | |
Himmel als Bühne die Frauen und Männer in ihren bodenlangen Kleidern und | |
selbsterdachten Uniformen deutlich heraus. Dadurch aber bleibt der Ort der | |
Aufnahme beliebig, ist reine Kulisse. Porträtierte Person und Umgebung | |
treten in keinen Dialog. | |
Intime Einblicke | |
Anders in den Fotos von Zaidi. Da sind über die Kleidung zur Schau | |
gestellte Persönlichkeit und individueller Hintergrund fein aufeinander | |
abgestimmt. Und weil Zaidi die Menschen auch in ihren Wohnungen trifft, | |
beschränkt sich der Band nicht auf die Mode, sondern vermittelt auch | |
Eindrücke vom Leben in den beiden kongolesischen Millionenstädten. Intime | |
Einblicke, wie jener, der den 47-jährigen Elie Fontaine Nsassoni halb | |
bekleidet beim Waschen zeigt, lassen den Menschen hinter dem Outfit | |
hervortreten. | |
Dennoch will das Buch keine ethnologische Untersuchung sein, sondern eben | |
„nur“ ein respektabler Fotoband. So finden sich auch keine Aufsätze hinter | |
dem Bildteil und selbst der Einleitungstext umreißt auf zwei Seiten | |
lediglich die Eckpfeiler der Sape. Mehr als dass es ein Manko wäre, ist das | |
erfrischend. Ärgerlich nur, dass auch diese Einführung nicht ohne die | |
obligatorische Bestimmung auskommt, der Kongo sei eines der ärmsten Länder | |
der Welt – eine Pseudo-Beschreibung, von der wohl noch kein einziges Land | |
Afrikas verschont geblieben ist. | |
Wer die kurzen Erläuterungen zu den Fotos liest, kann dennoch viel über die | |
Kultur der Sape erfahren. Etwa, dass manche der im Buch vertretenen Sapeurs | |
sich bereits Anfang der 1980er Jahre in ihre Garderobe warfen und dass | |
unter ihnen Taxifahrer, Unternehmerinnen, Maler und Mitarbeiterinnen in | |
Ministerien sind. Darüber hinaus folgen die kurzen Texte [2][der Logik der | |
Sape und zählen sämtliche Kleidungsstücke] und Accessoires auf: von der | |
Versace-Brille zu den Socken von Pierre Cardin, vom japanischen Regenschirm | |
zur Pfeife eines kongolesischen Schnitzers. So kann der Fotoband durchaus | |
auch als Ideengeber in Sachen Mode gelesen werden. | |
Brazzaville, die Hauptstadt der Republik Kongo, und die Hauptstadt der | |
Demokratischen Republik Kongo, Kinshasa, liegen sich gegenüber, getrennt | |
durch den Kongostrom. In beiden Städten haben sich unterschiedliche Stile | |
der Sape herausgebildet. Während in Brazzaville eher ein eleganter | |
Anzugstil, inspiriert von der Pariser Modewelt, gepflegt wird, kann man in | |
Kinshasa mehr Menschen in schottischen Röcken, Lederkluften oder in Outfits | |
antreffen, die sich jeder Einordnung verweigern. | |
Weil die porträtierten Personen die öffentliche Geltung suchen, ist die | |
Lust am Schauen ungetrübt. Der Blick auf die Fotografien bleibt ein | |
europäischer, aber es ist nicht die „kolonisierende Kamera“, die aus den | |
Bildern spricht, sondern es sind die Sapeurs und Sapeuses selbst, die sich | |
gekonnt zu inszenieren wissen. | |
19 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Webserie-ueber-Modemetropole-Kinshasa/!5429809 | |
[2] /Modehauptstadt-Kinshasa/!5553275 | |
## AUTOREN | |
Fabian Lehmann | |
## TAGS | |
Buch | |
Bildband | |
Fotografie | |
zeitgenössische Fotografie | |
Kongo | |
IG | |
Kunst | |
Mode | |
taz.gazete | |
Mode | |
Fotografie | |
Comic | |
Zentralafrika | |
Kinshasa | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Hype der Kryptokunst: Das uneingelöste Versprechen | |
Kryptokunst war mal wild und nerdig, jetzt ist sie im Museum angekommen. | |
Würde sie heute noch so glänzende Dilettanten hochspülen wie Osinachi? | |
Ausstellung über Mode in Afrika: Ein Akt der Befreiung | |
Mit der umfangreichen Ausstellung „Africa Fashion“ zeigt das Londoner | |
Victoria & Albert Museum, wie Mode mit Dekolonialisierung verknüpft ist. | |
Roman „Messer, Zungen“ über Südafrika: Heimat muss man erfinden | |
In ihrem Debütroman „Messer, Zungen“ schreibt Simoné Goldschmidt-Lechner | |
gegen kursierende Vorstellungen von Südafrika an. | |
Porträt des Fotografen Vladimir Sichov: Wie ein Astronaut auf dem Mond | |
Die Welt des russischen Fotografen Vladimir Sichov hat eine schwarz-weiße | |
und eine farbige Seite. Über Straßenszenen aus Moskau und Mode aus Paris. | |
Kurator über das Sammeln von Fotos: „Einfach dem Gefühl folgen“ | |
Wie sammelt man Kunst? Wie unterstützt man noch wenig bekannte | |
Künstler*innen? Michael Horbach, Gründer einer Stiftung, hat Antworten. | |
Comic über Peggy Guggenheim: Vom Leben gezeichnet | |
In seiner Comic-Biografie nimmt sich Willi Blöß beide Sammelleidenschaften | |
der Kunstmäzenin Guggenheim vor: Die Kunst und ihre Künstler. | |
Essay über Afrikanische Perspektiven: Herr Fernsehen lügt nicht | |
In Zentralafrika prägen vor allem utopische Bilder von Luxus die Idee von | |
Europa, sagt der Soziologe Joseph Tonda. | |
Modehauptstadt Kinshasa: Überzeichnung als Stil | |
Les Sapeurs japonais und der Hiroshima Chic: Künstlerin Henrike Naumann | |
untersucht Verbindungen in der Mode des Kongo und Japans. |