# taz.de -- Comic über Peggy Guggenheim: Vom Leben gezeichnet | |
> In seiner Comic-Biografie nimmt sich Willi Blöß beide | |
> Sammelleidenschaften der Kunstmäzenin Guggenheim vor: Die Kunst und ihre | |
> Künstler. | |
Bild: Picasso-Bilder und ein Calder-Mobile empfingen die Besucher in ihrem Pala… | |
Nur mit Unterwäsche bekleidet, sitzt [1][Peggy Guggenheim] auf dem Bett. | |
Neben ihr liegt selig schlafend der Maler und Bildhauer Max Ernst, der just | |
seinen 50. Geburtstag hinter sich hat. Statt sich aber ihrem Liebhaber | |
zuzuwenden, betrachtet Guggenheim lieber dessen surrealistische Gemälde an | |
den Wänden des südfranzösischen Hauses. Es ist das Jahr 1941, und eine | |
Propellermaschine durchbricht die intime Szene. Das Flugzeug wird die | |
beiden aus dem kriegstaumelnden Europa fortbringen in die USA und damit in | |
Sicherheit. | |
Diese mit schnellem Strich umrissene Montage ist ein Schlüsselbild in der | |
Comicbiografie über Peggy Guggenheim. Sie fängt zum einen die beiden | |
Sammelleidenschaften der Kunstmäzenin ein, zwischen denen sich ihre | |
Biografie aufspannt: die Kunst und die dazugehörigen Künstler. | |
Zum anderen zeigt sie den Einfluss der Sammlerin, [2][die der Verfemung | |
moderner Künstler durch die Nazis gezielte Ankäufe entgegensetzte]. Mit | |
ihrem Geld unterstützte sie Kubisten und Surrealisten wie René Magritte, | |
Yves Tanguy oder Picasso, und nicht selten finanzierte sie einem Künstler | |
die Flucht vor Verfolgung und Krieg. | |
## Guggenheim ist die erste Kunstsammlerin in der Reihe | |
Die Comicbiografie über Peggy Guggenheim ist die jüngste in einer Reihe von | |
weit über 30 Künstlerbiografien aus der Hand von Willi Blöß. Sie ist | |
zugleich die erste, die sich ausnahmsweise nicht einer Künstlerin, sondern | |
einer Kunstsammlerin widmet. Denn an der europäischen Kunstgeschichte hat | |
die 1898 in New York geborene Guggenheim wesentlich mitgeschrieben. | |
Pro Jahr zeichnet der Aachener Willi Blöß ein bis zwei neue Comics über das | |
Leben bedeutender Künstler*innenpersönlichkeiten. In der Coronazeit | |
hat er nun gleich zwei neue Hefte vorgelegt und neben Guggenheim auch die | |
Biografie des französischen Postimpressionisten Paul Gauguin gezeichnet. | |
Der Südseemaler dürfte unsere Vorstellungen von exotischen Inselwelten weit | |
stärker geprägt haben, als uns aufgeklärten Postmodernen lieb sein dürfte. | |
Er ist ein früher Profiteur einer sich globalisierenden Welt, verbringt | |
seine ersten sechs Lebensjahre in Peru und fährt mit 18 zur See. Im Alter | |
von 37, es ist das Jahr 1885, lässt er seine Familie in Kopenhagen zurück, | |
reist nach Martinique und malt dort die ersten bunten Inselbilder, die ihn | |
noch zu Lebzeiten berühmt machen werden. | |
Grafisch fügt sich das Heft über Gauguin bestens in die Comicreihe von | |
Blöß, deckt sich die dort beschriebene Hinwendung des Malers „zu starken | |
Farben und betonten Konturen“ doch bestens mit der unverkennbaren | |
Handschrift des Comicautors. Denn wie in Gauguins Leben der Lockruf der | |
schillernden Exotik auf das Schicksal von Krankheit und Siechtum traf, so | |
wechseln sich auch im Comic farbenprächtige Inselwelten mit grauer | |
Lebensrealität ab. | |
## Kunstwerke subtil in Szenen eingearbeitet | |
In Farbgebung und teils auch im Zeichenstil zitiert Blöß oft die Malweise | |
der jeweiligen Künstler*in. Nicht selten finden sich auch Kunstwerke subtil | |
in die Szenen eingearbeitet und bilden dort den Hintergrund, vor dem die | |
Künstler*innen selbst auftreten. | |
In den Comics über Guggenheim und Gauguin schafft es Blöß erneut, ein | |
künstlerisches Leben und Wirken auf gerade mal 24 Seiten im | |
Postkartenformat zu skizzieren. Er wolle keinen weiteren Band | |
kunstgeschichtlicher Bildungslektüre schreiben, sagt er, sondern einen | |
ungezwungenen Umgang mit Lebensgeschichten ermöglichen und mit den Comics | |
ein Schulhoffeeling erzeugen, das ihn selbst geprägt habe. | |
Was ihn an den Biografien reize, sei, dass er nichts erfinden müsse: Die | |
Held*innen, die Kulissen und Kostüme, Architektur und Technik seien durch | |
die Lebensspanne der Künstler*in immer schon vorgegeben. Und mit deren doch | |
oft sehr unkonventionellem Leben sei dann die letzte Zutat für eine | |
erzählenswerte Geschichte gegeben. Die Vermittlung von Kunst ist da für | |
Blöß eigentlich nur ein Nebeneffekt, sagt er. | |
Der Unbeschwertheit der Comics Raum zu geben, zugleich aber fundiert | |
recherchierte Inhalte zu vermitteln ist eine Gratwanderung zwischen Bild | |
und Text, Fantasie und Fakt. An erster Stelle sind es die vielsagenden und | |
dynamischen, oftmals von Blöß’ Frau Beatriz López-Caparrós kolorierten | |
Zeichnungen, die die Comics prägen. | |
## Text ist auf Minimum reduziert | |
Der erklärende Begleittext ist auf ein Minimum reduziert und verdichtet, | |
was den Leser*innen einige Aufmerksamkeit abfordert. „Ich hatte mal Phasen, | |
da ist es immer mehr Text geworden“, erinnert sich Blöß. Mittlerweile | |
besinne er sich wieder stärker auf das Zeichnen. So beherrschen große | |
Bilder die Seiten, die oft ohne Panels auskommen und die chronologische | |
Erzählweise der Biografien kontrastieren. | |
Seit dem ersten Heft zu Pablo Picasso im Jahr 2002 erscheinen Blöß’ Comics | |
im Eigenverlag. Damals war Blöß mit seinen Biografien in Comicform noch ein | |
Exot. Heute, nach aufwendig produzierten und großformatigen | |
Künstlerbiografien wie der von Steffen Kverneland über Edvard Munch aus dem | |
Jahr 2013, muss die Gattung als etabliert gelten. | |
Blöß bleibt dennoch beim Pocketformat, ergänzt dieses lediglich durch | |
alternative Auflagen. So sind zusammen mit dem Leipziger Verlag KultComics | |
mittlerweile zwölf Hefte als großformatige Hard- und Softcover erschienen. | |
Erwähnenswert ist ein Sammelband, der fünf weibliche Künstlerinnen vereint: | |
Camille Claudel, Paula Modersohn-Becker, Frida Kahlo, Tamara de Lempicka | |
und Niki de Saint Phalle. | |
## Grundwissen über Kunstgeschichte | |
Mit Guggenheim, Gauguin und den 34 weiteren Comicbiografien lässt sich ein | |
respektables Grundwissen über die europäische Kunstgeschichte zwischen | |
Renaissance und Gegenwart aneignen. Rubens ist dabei ebenso vertreten wie | |
Joseph Beuys, Frida Kahlo ebenso wie Hieronymus Bosch. | |
Dabei liegt der Schwerpunkt klar auf dem bildenden Metier aus Europa und | |
Nordamerika. Performance- oder gar Konzeptkünstler*innen bleiben in den | |
Comics bislang ausgespart. Da die Reihe fortgeführt wird, bleibt | |
abzuwarten, wessen Geschichte das nächste Heft erzählt. | |
11 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Lehmann | |
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