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# taz.de -- Frauen in der Kunst: Fliegen lernen
> Noch gibt es viel zu tun in der Gendergap im Kunstbetrieb. Daimler
> Contemporary in Berlin zeigt mit „31:Women“ nur Künstlerinnen aus ihrer
> Sammlung.
Bild: „Cycles and Cyclones“ von Nnenna Okore und der „Musician“ von Ade…
In der Zeit des Zweiten Weltkrieges diskutierten Marcel Duchamp und Peggy
Guggenheim oft über Frauen in der Kunst. Die Frage, ob diese weiterhin den
Rollen der Liebhaberin oder Muse unterworfen wären, führte 1943 zu langen
Streitgesprächen und einer Ausstellung, in der die beiden ausschließlich
Künstlerinnen zeigten. Guggenheim und Duchamp wollten mit „Exhibition by 31
Women“ den Tendenzen des Surrealismus widersprechen, in dem Frauen zwar als
Inspiration galten, aber kaum Anerkennung als eigenständige Künstlerin
fanden.
In Guggenheims New Yorker Galerie „Art of this Century“ sah man deshalb
junge Vertreterinnen des Surrealismus wie Meret Oppenheim, Jacqueline Lamba
Breton und Xenia Cage oder Dadaistinnen wie Sophie Taeuber-Arp. Die Frauen
kamen aus 11 verschiedenen Nationen und ihre Verbindung zu männlichen
Künstlern konnte man oft an den Nachnamen erkennen.
[1][Dorothea Tanning oder Frida Kahlo unter ihnen waren nicht die Einzigen,
die zu Lebzeiten um Anerkennung kämpften.] Dass es sich hier um große
Künstlerinnen handelte, deren Wertschätzung sich erst Jahrzehnte später aus
dem Schatten der Ehemännern lösen sollten, zeigt, wie notwendig Duchamps
und Guggenheims Aktion war.
## Großer Aufholbedarf
Umso interessanter ist es, dass Daimler Contemporary Berlin das Konzept
dieser und einer weiteren Ausstellung der beiden in die heutige Zeit
transportiert und im Berliner Haus Huth „31: Women“ zeigt. Die Kuratorin
Renate Wiehager hat dafür rund 60 internationale Werke von Protagonistinnen
der Moderne aus der Sammlung Daimler ausgewählt. Die Zeiten haben sich
geändert, doch gerade die [2][Kunstwelt hat einen großen Aufholbedarf,] was
geschlechtliche Gleichbehandlung angeht.
Zwar gibt es inzwischen Kritik, wenn eine Ausstellung ausschließlich
männliche Künstler zeigt. Doch das ist immer noch weit entfernt von einer
selbstverständlichen Gleichbehandlung.
Die Ausstellung bei Daimler überzeugt nicht nur konzeptuell, sondern auch
inhaltlich. Anders als vor fast 80 Jahren treffen hier nicht nur
überwiegend westliche Stimmen aufeinander, sondern auch Positionen aus
Indien, Südafrika, Nigeria, den USA, Chile und vielen weiteren Nationen.
Relativ am Anfang der Ausstellung fällt ein Objekt auf, das an der Wand
befestigt ist. Es ist Adejoke Tugbiyeles Werk „Musician“, das die
nigerianische Künstlerin 2014 aus Palmstielen, Garn, Draht und
Metallplatten fertigte. Die abstrakte Figur, die daraus entstand, erinnert
an eine Mischung aus Käfer und Menschenkörper ohne Gliedmaßen. Tugbiyele,
die sich als queer person of color identifiziert, schafft es, dass die
Körperform keine Bestimmung von männlich oder weiblich zulässt. Die
Bezeichnung als „Musician“ baut zusätzliche Ebenen zur Musik auf – ein
Medium, das durch seine Immaterialität Geschlechtergrenzen überwindet.
## Performance-Künstlerin aus Indien
Eine andere beeindruckende postkolonial-feministische Position in der
Ausstellung ist eine Videoarbeit von Sonia Khurana. Die indische
Performance Künstlerin experimentiert in ihrer schwarz-weißen Videoarbeit
mit ihrem nackten Körper. Sie macht Kniebeugen, dehnt ihre Muskeln,
balanciert auf einer Box im Raum, rudert mit den Armen und streckt ihren
Körper aus. Die schnellen Schnitte machen ihre Bewegungen zu einer
holperigen Angelegenheit, die an Stummfilme von früher erinnern.
Der Titel „Bird“ ruft dazu eine Luftigkeit auf, die zugleich auch eine
traurige Seite hat. Die Künstlerin wird nie frei wie ein Vogel fliegen
könne. Ihre eigene Körperlichkeit steht ihr dabei im Weg.
An ihrer Körperspannung erkennt man aber, dass sie den absurden Versuch zu
fliegen nicht ins Lächerliche zieht. Sie zeigt ein großes Maß an
Körperbewusstsein, das einem beim Betrachten des unter zwei Minuten kurzen
Videos nicht entgeht. Man sieht eine Frau, die ihren Körper begreift und
ernst nimmt.
Anders als vor 80 Jahren kann Sonia Khurana mit ihrem Werk die Limitierung
des weiblichen Körpers in der Gesellschaft darstellen. So frei wie der
Diskurs darüber oder über Tugbiyeles Verschmelzen von Geschlechtergrenzen
heute möglich ist, konnte er während des Zweiten Weltkrieges noch nicht
sein.
Ein anderes Werk hätte jedoch auch damals in die Ausstellung von Duchamp
und Guggenheim gepasst. Obwohl Charlotte Moormans Skulptur „Bomb Cello“ aus
dem Jahr 1984 stammt, ist die radikale Stimme des Werkes zeitlos. Ihre
Musikskulptur ist ein Cello mit Fliegerbomben-Körper, wodurch die harten
Gegensätze von Krieg und der Wirkung von Musik aufeinanderprallen. Sie
erinnert an den vergangenen Krieg, aber macht einem auch bewusst, in
welchen bedrohlichen Zeiten wir gerade leben.
8 Mar 2020
## LINKS
[1] /Feministische-Ausstellung-in-Hannover/!5487035
[2] /Kuenstlerinnen-in-Museen/!5633034
## AUTOREN
Lorina Speder
## TAGS
Schwerpunkt Feministischer Kampftag
Künstlerinnen
Performance
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Kunst
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