| # taz.de -- Konzeptkünstlerinnen der 1. Generation: Qualifikation nicht nett | |
| > Gesellschaftskritik der 1970er Jahre, wie sie aktueller nicht sein | |
| > könnte: Das Düsseldorfer K21 würdigt frühe Pionierinnen der Konzeptkunst. | |
| Bild: Eleanor Antin, Representational Painting, 1971, 38 minutes, Video, B&W, S… | |
| Im Kulturbetrieb ist an der Geschlechterfront derzeit einiges in Bewegung: | |
| Beim Berliner Theatertreffen werden im Mai erstmals mehr Regisseurinnen | |
| als Regisseure mit ihren Arbeiten präsentiert, wenn auch (noch) dank der | |
| Quote, die sich das Festival selbst auferlegt hat. | |
| Und bei den Grammy Awards räumten mit der 18-jährigen Newcomerin Billie | |
| Eilish und der R&B-Musikerin Lizzo zwei Künstlerinnen ab, die in keiner | |
| Weise den gängigen Schönheitsidealen weiblicher Pop-Stars entsprechen und | |
| die jede auf ihre Weise entschlossen gegen Optimierungswahn und Bodyshaming | |
| kämpfen. | |
| Die grünhaarige Eilish trat zudem bei der Oscar-Verleihung im Dolby Theatre | |
| in Los Angeles auf und hat nun auch noch den neuen James-Bond-Titelsong | |
| eingespielt, was bisher lang gedienten Pop-Ikonen auf dem Höhepunkt ihrer | |
| Karriere vorbehalten war. | |
| Sicher hat die von der Film-Branche ausgehende #MeToo-Debatte dazu | |
| beigetragen, dass im Kulturbetrieb der Kampf um Gleichberechtigung heute | |
| offensiver ausgetragen wird als noch vor wenigen Jahren. | |
| Im Kosmos der bildenden Kunst herrscht jedoch noch immer gewaltiger | |
| Nachholbedarf, denn er wird nach wie vor von alten weißen Männern | |
| dominiert. Schon allein deshalb, weil weibliche Künstler auf dem | |
| Kunstmarkt, in den Museen und an den Schalthebeln des Betriebs immer noch | |
| stark unterrepräsentiert und schlechter bezahlt sind. | |
| ## In erstaunlich radikaler Weise | |
| Aber auch, weil durch die Marginalisierung weiblicher Kunst selbst noch in | |
| der jüngeren Vergangenheit viele brisante Themen und Diskurse tatsächlich | |
| systematisch unterdrückt wurden. Was in der zwar kleinen, aber feinen | |
| Ausstellung „I’m not a nice girl!“ im Düsseldorfer K21 auf erhellende We… | |
| exemplarisch vorgeführt wird. Die Schau ist nichts für Kulinariker, denn | |
| sie bietet mehr Lesestoff als Bilderfutter, aber die Einsichten, die sie | |
| vermittelt, öffnen die Augen für die Mechanismen des Kunstbetriebs. | |
| In den Räumen der Beletage und im Archiv Dorothee und [1][Konrad Fischer] | |
| im Düsseldorfer K21 werden vier Konzeptkünstlerinnen der ersten Generation | |
| vorgestellt, die sich mit ihrem Werk bereits in den 1970er Jahren in | |
| erstaunlich radikaler Weise mit allen ästhetischen, sozial- und | |
| gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzten, die im aktuellen | |
| Diskurs allgegenwärtig sind: von der Institutionskritik über Rassismus, | |
| Fragen der Identitäts- und Genderpolitik bis hin zu ökologisch | |
| aktivistischen Fragen. | |
| Die Initialzündung zu der Ausstellung, die Arbeiten von Eleanor Antin, Lee | |
| Lozano, Adrian Piper und Mierle Laderman Ukeles präsentiert, ging für die | |
| Kuratorin Isabelle Malz von den Beständen des Archivs Dorothee und Konrad | |
| Fischer aus, das die Kunstsammlung 2016 erworben hat. | |
| In der Korrespondenz des legendären Düsseldorfer Galeristen, der die | |
| amerikanische Konzeptkunst nach Deutschland holte, fanden sich Briefwechsel | |
| mit den Künstlerinnen und der [2][Kuratorin Lucy Lippard,] die dem | |
| Galeristen auf seine Aufforderung hin Vorschläge für Ausstellungen und | |
| Ankäufe unterbreiteten. Doch die Angebote der Künstlerinnen und der | |
| Kuratorin versickerten, man kam nicht miteinander ins Geschäft, Fischer | |
| bevorzugte die männlichen Künstler. | |
| Der Titel der Ausstellung „I’m not a nice girl!“ verdankt sich einer | |
| Episode, die ein bezeichnendes Licht wirft auf die gönnerhafte Haltung | |
| männlicher Kunstmacher gegenüber weiblicher Kunst. Bereits in den 1960er | |
| Jahren traf Lee Lozano auf den Kurator und Netzwerker Kasper König, der ihr | |
| applaudierte: „Sie sind eine gute Malerin und ein nettes Mädchen“, | |
| woraufhin Lozano genervt entgegnete: „In beiden Fällen liegen sie falsch. | |
| Ich bin eine sehr gute Malerin und kein nettes Mädchen!“ | |
| ## Als Ignorant weiblicher Kunst überführt | |
| Auch der Documenta-Kurator Harald Szeemann wird als Ignorant weiblicher | |
| Kunst überführt, denn in der Ausstellung ist ein Brief der Kuratorin Lucy | |
| Lippard an Szeemann zu sehen, in dem sie ihm androht, ihre spontane | |
| Reaktion wäre „wahrscheinlich ziemlich blutrünstig “, sollte er jemals | |
| wieder einen Rat von ihr einholen wollen. Szeemann hatte von Lippard eine | |
| Liste von Künstlerinnen zusammenstellen lassen, sich aber dann nicht | |
| aufgerafft, wenigstens einmal die Ateliers der Frauen zu besuchen. | |
| Derartige Archiv-Funde mixt die Ausstellung virtuos mit Werken der vier | |
| Konzeptkünstlerinnen, von denen die radikalste sicher Lee Lozano war. Sie | |
| begann zunächst als Malerin, gab die Malerei aber infolge ihres umfassenden | |
| Revolutionsgedankens auf, boykottierte mit ihrem performativ angelegten | |
| „General Strike Piece“ 1969 die New Yorker Kunstszene, stieg später mit dem | |
| „Dropout Piece“ ganz aus dem Kunstsystem aus und entschied schließlich | |
| 1971, auch Frauen zu boykottieren. | |
| [3][Eleonor Antin] stellte ins Zentrum ihrer zwischen Konzeptkunst, | |
| Performance, Film, Theater und Fotografie oszillierenden Kunst häufig den | |
| eigenen Körper. Wie etwa in der ausgestellten Fotoreihe „Carving. A | |
| Traditional Sculpture“ von 1972, in der die Künstlerin während einer | |
| strikten Diät jeden Morgen ihren nackten Körper von vier Seiten | |
| fotografierte und so den Gewichtsverlust hin zur so genannten „Idealfigur“ | |
| dokumentierte. | |
| Auch von der Philosophin und Künstlerin Adrian Piper sind Fotografien ihrer | |
| Performances auf den Straßen und in den Bussen New Yorks zu sehen, sowie | |
| ein Video ihrer Rassismus-kritischen „Funk Lessons“. | |
| ## Die tägliche Hausarbeit wird zur Performance | |
| Radikal in ganz anderer Hinsicht ist auch der Ansatz der „Maintenance | |
| Art“-Künstlerin [4][Mierle Laderman Ukeles], die mit dem Schlachtruf „Meine | |
| Arbeit wird mein Werk sein“ beschloss, ihre tägliche Hausarbeit zu | |
| „performen“. Diese Alltags-Performances waren eine Reaktion darauf, dass | |
| man der gerade Mutter gewordenen Künstlerin empfohlen hatte, sich künftig | |
| doch besser auf Kind und Küche zu konzentrieren. | |
| Ihre spektakulärste Arbeit als „Instandhaltungskünstlerin“ wurde „Touch | |
| Sanitation“ (1977–80), die mit einer Reihe von Fotos dokumentiert ist: Elf | |
| Monate lang besuchte Ukeles alle 8.500 Straßenreiniger und Müllmänner | |
| Manhattans an ihrem Arbeitsplatz, stellte ihre Arbeitshandlungen nach und | |
| dankte ihnen mit den Worten: „Danke, dass Sie New York City am Leben | |
| erhalten.“ Initialzündung dieser Arbeit war Ukeles’ lapidare Frage „Wer | |
| wird nach der Revolution am Montagmorgen den Müll abholen?“ | |
| 21 Feb 2020 | |
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