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# taz.de -- Russische Polizei stoppt Videodreh: Pussy Riot ohne Strom
> Vorwurf: Homosexuellenpropaganda. Die Staatsmacht hat in Sankt Petersburg
> einen Videodreh der feministischen Gruppe Pussy Riot unterbrochen.
Bild: Pussy Riot während eines Auftritts in Dänemark im August 2019
Und plötzlich war es dunkel. Im Gebäude der Filmproduktion „Lenfilm“, dem
ältesten Filmstudio in Russland, funktionierte kein Lichtschalter mehr. Das
passiert manchmal in Russland. Elektrizitätsprobleme. Am vergangenen
Sonntag waren diese Elektrizitätsprobleme „polizeigemacht“ – weil die
Staatsdiener den Dreh eines neuen Videos der feministischen Punkerinnen von
Pussy Riot gestoppt haben.
Die Aufnahme sei illegal, weil es Homosexualität propagiere und
extremistisch sei, habe man ihnen mitgeteilt, [1][schrieb daraufhin
Nadeschda Tolokonnikowa], das bekannteste Gesicht der Krawallkünstlerinnen,
auf Twitter. „Homosexuellen-Propaganda“, also öffentliches Reden über
Schwule und Lesben, wie es im Gesetz heißt, steht in Russland seit 2013
unter Strafe. Der Vorwurf des „Extremismus“ ist ebenfalls schnell zur Hand
im Land, klar definiert ist dieser Begriff nicht.
Auf Facebook sendete die noch vom Dreh geschminkte Tolokonnikowa, passend
für alle, die des Russischen nicht mächtig sind, [2][eine „SOS-Botschaft“
auf Englisch]. Darin heißt es, übersetzt: „Die Single „Besit“ widmet si…
dem Schmerz, den wir, Feminististinnen und queere Menschen, empfinden, weil
man uns zu Staatsfeinden erklärt“ „Besit“ kommt vom russischen Wort für
Teufel und heißt so viel wie: „Es macht mich rasend“.
Pussy Riot mache es rasend, Polizeiknüppel auf dem Rücken zu spüren, mache
es rasend, keine Kunst- und Redefreiheit in Russland zu erfahren, heißt es
in der Single. Das Lied ist – das ist das Markenzeichen der Punkerinnen –
eine musikalische Polit-Aktion gegen die Polizeigewalt in Russland. Nur
dass die Polizei in Russland eine solche Aktion freilich nicht duldet.
Schon haben Pussy Riot die echte Polizei im Kinostudio vor sich.
## Alle entnervt
Auf sozialen Medien werden seitdem mehrere Videos dieser Störung der
Dreharbeiten geteilt: entnervte Polizisten treffen auf entnervte
Musiker*innen. Hier die Staatsgewalt in Grau, da die Extravaganz in Bunt.
Dazwischen all das, was das System Putin ausmacht, wenn es nicht in dieses
System passt.
Seit Jahren führen die Punk-Feministinnen von Pussy Riot die Mechanismen
der Staatsgewalt vor. Mit lauten und durchaus plakativen Aktionen legen die
Rebellinnen, kunstvoll und provokativ, die politische Willkür im Land offen
– und [3][lassen sich auch nicht vom Straflager einschüchtern].
Für ihr Punk-Gebet in der Christi-Erlöser-Kathedrale mitten in Moskau, mit
dem sie über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurden, [4][kamen
Tolokonnikowa und ihre Mitstreiterin Maria Aljochina im August 2012 für
zwei Jahre in Haft] – wegen Rowdytums aus religiösem Hass. Die Richterin
hatte damals erklärt, die „Mädchen“ hätten die soziale Ordnung grob
unterwandert. In bunten Häkelmasken hatten sie damals „gebetete“: „Heili…
Mutter Gottes, vertreibe Putin“.
Putin sitzt weiter fest im Sattel des politischen Systems. Tolokonnikowa
und ihre Mitstreiter piksen dieses System, wo sie nur können. Nach der
Festnahme bei einem Fotoshooting am Dienstag waren Pussy Riot wieder frei.
Auch das Video, so schrieb die Punkerin, werde weiter aufgenommen. Pussy
Riot sammeln nun Geld für die Produktion.
11 Feb 2020
## LINKS
[1] https://twitter.com/tolokno
[2] https://www.facebook.com/tolokno/videos/2941734952524037/
[3] /Nach-Urteil-in-Russland/!5085603
[4] /Anti-Regierungsproteste-in-Russland/!5097514
## AUTOREN
Inna Hartwich
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