# taz.de -- Pussy-Riot-Mitglied in der Berliner Charité: Angehörige vermuten … | |
> Der Pussy-Riot-Aktivist Pjotr Wersilow ist nach Angaben seiner Ärzte in | |
> Berlin mit hoher Wahrscheinlichkeit vergiftet worden. Doch sei er außer | |
> Lebensgefahr. | |
Bild: Die Pussy Riot Mitglieder Nadeschda Tolokonnikowa und Pjotr Wersilow (lin… | |
BERLIN dpa | Die Berliner Charité hält eine Vergiftung des Mitglieds der | |
russischen Polit-Punkgruppe Pussy Riot, Pjotr Wersilow, für wahrscheinlich. | |
Dafür gebe es eine hohe Plausibilität, sagte der Vorstandsvorsitzende des | |
Universitätsklinikums, Karl Marx Einhäupl, am Dienstag auf einer | |
Pressekonferenz in Berlin. Anders sei die Entwicklung der Symptome | |
innerhalb des kurzen Zeitraums nicht zu erklären. [1][Auch die Ärzte in | |
Moskau] seien offensichtlich von einer Vergiftung ausgegangen, erklärte | |
Einhäupl. Wersilow ist außer Lebensgefahr. | |
Er sei zwar immer noch verwirrt, aber insgesamt auf dem Weg der Besserung: | |
„Er braucht keine maschinelle Unterstützung der Organfunktionen und konnte | |
das Bett schon verlassen. Wir sind zuversichtlich, dass eine | |
Komplettheilung stattfinden wird“, sagte der zuständige Arzt Kai-Uwe | |
Eckardt. „Wir können mit ihm kommunizieren, eine differenzierte | |
Auseinandersetzung mit seiner Vorgeschichte war aber noch nicht möglich.“ | |
Am Samstagabend war Wersilow mit einem Ambulanz-Flugzeug aus Moskau nach | |
Berlin gekommen. Die Hilfsaktion war von der privaten sozialen Initiative | |
Cinema for Peace unterstützt worden. Wersilow war [2][beim Finalspiel der | |
Fußball-WM Mitte Juli] mit drei anderen Pussy-Riot-Mitgliedern in Uniformen | |
auf das Feld gerannt, um unter anderem gegen Polizeigewalt zu | |
demonstrieren. Die „Flitzer“ wurden daraufhin zu wochenlangen Arreststrafen | |
verurteilt. Pussy Riot ist mit spektakulären Aktionen gegen Justizwillkür | |
und Korruption weltweit bekannt geworden. | |
Laut zuständigem Arzt Eckhardt ist nicht klar, mit welcher Substanz | |
Wersilow vergiftet wurde. Die Ärzte hätten lediglich Hinweise auf die | |
Substanzklasse. Die Chancen, sechs Tage nach einer möglichen Vergiftung | |
noch etwas nachzuweisen, seien nicht sehr hoch, so Eckardt. Bei seiner | |
vorherigen Behandlung in Moskau hätten die Ärzte den Magen Wersilows | |
geleert und eine Blutwäsche durchgeführt, da sie bereits eine Vergiftung | |
vermuteten. | |
## Hohe Dosis vermutet | |
„Wir haben keine Hinweise, dass es sich um ein Drogenproblem handelt“, so | |
Einhäupl weiter. Welche Substanz Wersilow verabreicht wurde, konnten die | |
Mediziner der Charité zunächst nicht sagen. Sie müsse aber in einer hohen | |
Dosis verabreicht worden sein. | |
Das Gift habe für eine Störung des vegetativen Nervensystems gesorgt und | |
bei Wersilow ein so genanntes anticholinerges Syndrom ausgelöst. Das | |
vegetative Nervensystem ist für die Steuerung lebenswichtiger Funktionen | |
wie Herzschlag oder Atmung zuständig. Ist es gestört, können Verwirrtheit, | |
Schläfrigkeit, Fieber oder auch weite Pupille auftreten. All diese Symptome | |
waren den Ärzten nach auch bei Wersilow zu beobachten. | |
„Es gibt eine unglaubliche Vielzahl von Substanzen, die dazu führen können, | |
etwa Medikamente oder auch Pflanzen“, sagte Eckardt mit Blick auf das | |
Syndrom. Die Vergiftung war demnach dank schnell eingeleiteter Hilfe zu | |
keinem Zeitpunkt schwerst lebensbedrohlich. Ohne Maßnahmen – etwa wenn | |
Wersilow allein gewesen wäre – hätte sie es aber sein können. | |
Wersilows Angehörige waren von einer Warnung oder einem Mordanschlag | |
ausgegangen, sagte der Gründer der Initiative Cinema for Peace, Jaka | |
Bizilj, am Sonntag der dpa. Das Pussy-Riot-Mitglied habe kaum noch sehen, | |
sprechen oder sich bewegen können, nachdem er in einem Gericht in Moskau | |
etwas gegessen habe. | |
## Erinnerungen an Fall Skripal | |
Wersilow hat laut Bizilj eine russische und eine kanadische | |
Staatsbürgerschaft, seine Angehörigen haben Visa für den Schengen-Raum. | |
„Deshalb war ein Ausfliegen so schnell möglich.“ Laut Charité hat Wersilow | |
eine kanadische Krankenversicherung. Die Charité hoffe, dass die | |
Versicherung die Kosten übernehme, so Einhäupl. | |
Der Fall erinnert an die [3][Affäre Skripal]: Der russische Ex-Spion Sergej | |
Skripal und seine Tochter waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in | |
der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Auf sie war ein | |
Attentat mit einem chemischen Kampfstoff verübt worden. Beide überlebten | |
nur knapp und leben heute an einem geheimen Ort. Der Fall löste eine | |
[4][schwere diplomatische Krise aus]. | |
18 Sep 2018 | |
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