# taz.de -- Russisch-Orthodoxe mit Brandbrief: Corona als Strafe Gottes | |
> Einen „Brief aus dem Jahr 1020“ hat der höchste Würdenträger der | |
> Russisch-Orthodoxen in die Welt gesetzt. Was gegen Covid-19 helfen soll, | |
> sind Gebete. | |
Bild: Der Teufel ist dran Schuld, an allem! Metropolit Mark Arndt | |
Für die russisch-orthodoxe Kirche in Deutschland ist der Coronavirus die | |
gerechte Strafe Gottes für Sterbehilfe, Transsexualität, Abtreibungen und | |
Leihmutterschaft. Nicht anders lässt sich ein Schreiben ihres höchsten | |
religiösen Würdenträgers, des Metropoliten Mark Arndt an „den Klerus, die | |
Mönche und Nonnen und alle Gläubigen“ interpretieren, das seit dieser Woche | |
auf mehreren Websiten russisch-orthodoxer Kirchen in Deutschland | |
[1][veröffentlicht wurde]: | |
„Der Mensch wollte Gott durch sich selbst ersetzen, als er sich gedankenlos | |
in die Welt – die Schöpfung Gottes, und die Natur des Menschen einmischte“, | |
heißt es dort. „Schon will der Mensch, durch Legalisierung der Euthanasie, | |
die ihm von Gott bestimmte Zeit seines Todes nicht annehmen; er will nicht | |
den gottgegebenen Unterschied zwischen Mann und Frau anerkennen, die | |
besondere Berufung eines jeden; er ist nicht bereit, das Kindergebären als | |
natürliche Erscheinung seines Lebens anzuerkennen.“ | |
Danach fragt der 79-jährige Metropolit: „Erstaunt es da, dass ständig neue | |
Krankheiten auftauchen, und dass es gegen sie keine Heilmittel mehr gibt, | |
die das Los der Infizierten lindern würden?“ Diese rhetorische Frage kann | |
man auch so übersetzen: Straft Gott die Menschheit mit dem Coronavirus für | |
„Sünden“ wie Sterbehilfe, Transsexualität, Abtreibung und Leihmutterschaf… | |
vielleicht sogar für lebensverlängernde Maßnahmen? | |
Vater Meliton aus dem Kloster des Heiligen Hiob von Pocaev in München, wo | |
auch der Metropolit lebt, bestätigt die Interpretation der taz: „Das sind | |
die Gedanken, die der Metropolit uns mitteilt. Nach seinen Worten wird die | |
Corona-Krise noch schlimmer werden, wenn der Mensch jetzt nicht Buße tut“, | |
sagt er der taz am Telefon. | |
Metropolit Mark Arndt, mit weltlichem Namen Michael Arndt, wurde 1941 im | |
sächsischen Chemnitz geboren. Er studierte in Heidelberg Slawistik und | |
promovierte mit einer Arbeit zur russischen Literatur. Während seines | |
Studiums konvertierte er 1964 zum russisch-orthodoxen Glauben. Anschließend | |
absolvierte er in Belgrad ein Studium der orthodoxen Theologie. Er trug | |
wesentlich dazu bei, dass sich die von Exilrussen gegründete und der | |
sowjetischen und russischen Politik traditionell kritisch gegenüberstehende | |
Russisch-Orthodoxe Auslandskirche vor wenigen Jahren mit der kremltreuen | |
/Russisch-Orthodoxen Kirche – Moskauer Patriarchat/ vereinigte. | |
## Gebete sollen helfen | |
In seinem Schreiben an die Gläubigen bietet er eine Lösung an, um Gottes | |
Strafe abzuwenden: Das Morgen- und das Abendgebet zuverlässig verrichten | |
und fasten. Der Herr „wartet auf unsere Umkehr zu Ihm und verlässt uns | |
nicht.“ Es sei auch kein Zufall, dass Corona „in der Großen Fastenzeit üb… | |
uns kommt und sich verstärkt“. Die Einwohner Ninivers „erlegten sich | |
unverzüglich Gebet und Fasten auf. Und der Herr sah von der Bestrafung ab“, | |
heißt es in dem Schreiben. Da nimmt es schon Wunder, dass Mark Arndt die | |
staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie wie die Schließung | |
von Schulen und Kindergärten und Vorbeugung gegen Ansteckung nicht | |
infragestellt. | |
Lars Castellucci, der religionspolitische Sprecher der | |
SPD-Bundestagsfraktion, nimmt das Schreiben des Metropoliten ironisch: „Der | |
Mann hat sich im Datum geirrt. Es handelt sich sicherlich um ein Schreiben | |
aus dem Jahr 1020.“ | |
Der russischstämmige Europaabgeordnete der Grünen, Sergey Lagodinsky, sagt | |
der taz: „Wir haben genug Verschwörungstheoretiker, die in der Krise an | |
unserem Demokratiesystem sägen. Wir brauchen nicht auch noch Kirchenmänner, | |
die Hass verbreiten.“ Von religiösen Funktionären würde er in Krisenzeiten | |
„mehr Verantwortung und eine Botschaft der Solidarität und des | |
Zusammenhalts, nicht Aufreizung zum Hass und Intoleranz“ erwarten. | |
Für die FDP sagt ihr religionspolitischer Sprecher im Bundestag Stefan | |
Ruppert: „Das Coronavirus als göttliche Heimsuchung in Reaktion auf eine | |
freie Gesellschaft zu interpretieren ist irrig. Das ist geeignet, Menschen | |
zu verängstigen und nicht Teil einer Lösung.“ | |
22 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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