# taz.de -- Filmdoku über Peggy Guggenheim: Sie sammelte Männer und Kunst | |
> Peggy Guggenheim schuf eine der wichtigsten Kunstsammlungen des 20. | |
> Jahrhunderts. Eine Filmdoku Lisa Vreelands zeigt, wie sie das machte | |
Bild: Sammlerin Peggy Guggenheim mit einem Gemälde ihrer Tochter | |
Was für ein Glück hatte Peggy Guggenheim (1898 bis 1979), just in diese | |
Zeit hineingeboren zu sein, in der sie lebte! Berühmt ist sie ja, weil sie | |
von 1940 bis 1947 eine der bedeutendsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst | |
der ersten Hälfte des20. Jahrhunderts zusammengetragen hat. Wozu sie, wie | |
Lisa Immordino Vreeland in ihrem Film über die Sammlerin, Mäzenin und | |
Galeristin in dankenswerter Deutlichkeit zeigt, zwei Eigenschaften | |
befähigten, die die längste Zeit in der Menschheitsgeschichte bei einer | |
Frau als unmöglich galten: ihr unersättlicher sexueller Appetit und ihre | |
große Lust am Arbeiten. | |
Was also wäre Peggy Guggenheim übrig geblieben, wäre sie nur 50 Jahre | |
früher geboren worden? Sie hätte sich nur umbringen können. | |
Es ist nun nicht so, als ob sich die Leute an ihrem Lebensstil nicht | |
gestoßen hätten. Doch das musste sie nicht stören; dank eines | |
überschaubaren Erbes, das ihr Vater (der 1912 mit der „Titanic“ unterging) | |
ihr hinterlassen hatte, war sie unabhängig. Ihren Vater hatte sie sehr | |
geliebt. Von ihrer Biografin Jacqueline Bograd Weld zur Mutter befragt, | |
antwortete sie: „Es gab damals keine guten Mütter.“ Es sind denn auch diese | |
Interviews, die Jacqueline Weld 1978/79, also kurz vor ihrem Tod, mit der | |
Sammlerin führte, die Vreelands Film lohnend machen. | |
## Guggenheim spricht selbst | |
Dank dieser unbekannten, weil verloren geglaubten Gespräche ist es Peggy | |
Guggenheim selbst, die Auskunft über ihr Leben gibt. Dazu kommen Leute aus | |
dem Kunstbetrieb zu Wort wie der Picasso-Biograf John Richards, Lisa | |
Philipps vom New Museum in New York oder auch der Schauspieler Robert de | |
Niro, dessen Eltern (Robert de Niro Sr. und Virginia Admiral) je in | |
Guggenheims New Yorker Galerie Art of This Century ausstellten. Das | |
historische Foto- und Filmmaterial setzt Vreeland in einen gelungenen | |
Dialog mit dem Gesagten. | |
Als Peggy Guggenheim 22-jährig eine Ausbildung im New Yorker Buchladen | |
„Sunwise Turn“ begann, nahm dort ihre lebenslange Faszination für Künstler | |
und Intellektuelle ihren Ausgang. Bald zog sie nach Paris, wo sie | |
heiratete, zwei Kinder bekam, sich scheiden ließ und fortan zunächst Männer | |
und dann eine Zeit lang auch Kunst sammelte. | |
Sie hatte Affären mit Samuel Beckett, Yves Tanguy oder Marcel Duchamp, der | |
sie beriet („Ich befolgte alles, was er sagte, schlau, nicht?“), als sie | |
1938 in London ihre erste Galerie, die Guggenheim Jeune, eröffnete. Hier | |
machte sie die Londoner mit zeitgenössischen Künstlern wie Jean Cocteau | |
oder Wladimir Kandinsky bekannt. Lucian Freud stellte hier zum ersten Mal | |
aus, in einer Schau mit Kinderzeichnungen. | |
## Eine gewisse Tragik | |
Dem Plan, die Londoner Galerie in ein Pariser Museum umzuwandeln, kam der | |
Zweite Weltkrieg in die Quere. Ihr Ehrgeiz war es nun, jeden Tag ein | |
Kunstwerk zu kaufen, was damals eine ausgesprochen günstige Angelegenheit | |
war, da viele Künstler verkaufen und aus Europa herauskommen wollten. 1941 | |
verließ auch sie gemeinsam mit Max Ernst Frankreich, wobei es ihr gelang, | |
ihre Sammlung von 650 Arbeiten unbeschädigt nach New York zu transferieren. | |
Dort eröffnete sie 1942 ihre „Art of This Century Gallery“ und begann, sich | |
für die amerikanische Kunst und deren Protagonisten wie Jackson Pollock, | |
Clifford Still oder Robert Motherwell zu interessieren. | |
1947 lässt sie sich in Venedig nieder, wo sie den 1949 den Palazzo Venier | |
dei Leoni erwirbt, in dem noch heute ihre Peggy Guggenheim Collection zu | |
Hause ist, eines der meistbesuchten Museen Venedigs. Den Erhalt ihrer | |
Sammlung betrachtete sie zuletzt als ihre große Aufgabe, wofür sie auch | |
bereit war, sie 1969 der Solomon R. Guggenheim Foundation ihres Onkels zu | |
übertragen. Beide verband eine herzliche Abneigung. | |
Hier wie in der Frage gescheiterter Ehen, früh verstorbener großer Lieben | |
und Schuld gegenüber vernachlässigten Kindern versucht der Film immer | |
wieder eine Tragik der Peggy Guggenheim fühlbar zumachen. Doch indem sie | |
keine Scheu vor dem Sex noch vor der Arbeit hatte, hatte sie auch schon | |
alles, was es braucht, um ein interessantes und damit ein leidlich | |
glückliches und in ihrem Fall dazu erfolgreiches Leben zu leben. | |
9 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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