| # taz.de -- Das neue AArtist-in-residence Programm: Atelier mit Aussicht | |
| > Auf dem Dach des Auswärtigen Amts hat der erste AArtist-in-residence | |
| > seine Arbeit aufgenommen. Pünktlich zum Gallery Weekend. | |
| Bild: Ausschnitt aus Andréas Lang, Aussicht, 2016 | |
| Andréas Lang, in Zweibrücken geborener, preisgekrönter Fotograf, wird in | |
| den nächsten drei Monaten einen der privilegiertesten Blicke über Berlin | |
| haben. Mit Beginn des Gallery Weekends bezog er seinen Arbeitsraum auf dem | |
| Dach des Auswärtigen Amts am Werderschen Markt. Jenseits seiner stupenden | |
| Aussicht überzeugt der Raum durch seinen rohen, improvisierten Zustand, | |
| unverputzte Wände mit heraushängenden Kabeln, kurz, seine ungenutzte | |
| Weitläufigkeit. | |
| Damit war er Werner Tammen, Gründer und Vorsitzender des Landesverbands der | |
| Berliner Galerien (LVBG), als denkbares Künstleratelier aufgefallen, | |
| während er im Zug des Programms Kunst am Bau im Auswärtigen Amt unterwegs | |
| war. Warum, so schlug er Frank-Walter Steinmeier vor, nicht Kunst im Bau? | |
| Warum die Instandsetzung des 1934 bis 1940 als Erweiterungsbau der | |
| Reichsbank errichteten Altbaus, die nie bis zum Penthouse auf dem Dach | |
| vorgedrungen war, nicht so weit vorantreiben, dass es dort zum Arbeiten | |
| Licht, Wasser und Wärme gibt? | |
| Steinmeier fand den Vorschlag gut, und so kam es, dass 2008/09 der Künstler | |
| Michael Ramsauer einen Arbeitsplatz im 7. Stock des Auswärtigen Amts fand. | |
| ## Der Künstler stand wieder auf der Tagesordnung | |
| Als Frank-Walter Steinmeier 2013 erneut Außenminister wurde, setzte Andreas | |
| Görgen, Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, die Künstler auf dem | |
| Dach wieder auf die Tagesordnung. In Zusammenarbeit mit dem LVBG wurde das | |
| AArtist-in-residence genannte Programm entwickelt. Es sieht vor, das | |
| Dachatelier je drei Künstlern drei Monate im Jahr zur Verfügung zu stellen. | |
| Die Residenz ist mit einem Stipendium von 2.700 Euro ausgestattet, wobei | |
| sie mit einer Ausstellung in den Räumen des Internationalen Clubs im | |
| Auswärtigen Amt endet, begleitet von einer Ausstellung der Künstler in | |
| ihrer Berliner Galerienvertretung. Damit soll das Programm auch in die | |
| Öffentlichkeit Berlins getragen werden, wozu weiter ein zweisprachiger | |
| Katalog dient, der am Ende des Jahres die Arbeitsaufenthalte und die | |
| entstandenen Werke dokumentieren soll. | |
| Die Künstler wurden durch die im Verband vertretenen Galerien | |
| vorgeschlagen. Eine Jury bestimmte dann die drei Stipendiaten, die sich in | |
| ihrem Werk mit Themen auseinandersetzen, die im internationalen | |
| Zusammenhang situiert sind. | |
| Andréas Lang, vertreten durch die Galerie Podbielski, etwa wird sein | |
| Material aus dem Kongo und der Zentralafrikanischen Republik für eine | |
| Ausstellung im Deutschen Historischen Museum sichten, die er gemeinsam mit | |
| dem kamerunischen Künstler Em’kal Eyongakba im September bestreiten wird. | |
| ## Kolonialer Dachbodenfund | |
| Die dafür vorgesehenen Fotografien, Video- und Soundinstallationen gehören | |
| zu einem Langzeitprojekt, in dem er sich seit 2011 mit der kolonialen | |
| Vergangenheit seiner Familie auseinandersetzt. Seit Urgroßvater war bei den | |
| sogenannten Schutztruppen in Kamerun, wie ein Fund seiner Fotografien und | |
| Tagebücher auf dem Dachboden der Mutter enthüllte. | |
| Kerstin Honeit, in Berlin durch die Galerie cubus-m vertreten, beschäftigt | |
| sich mit identitätsbildenden Aspekten im Kontext von Kino und Popkultur. In | |
| ihren subtilen Arbeiten zur Filmsynchronisation wird kenntlich, wie | |
| Stereotype selbst bei in der Besetzung von Stimmen wirksam sind. | |
| Ahmed Kamel schließlich, der dritte AArtist-in-residence dieses Jahres, | |
| stammt aus Kairo, lebt und arbeitet dort wie auch in Berlin, wo ihn die | |
| Galerie Zone B vertritt. Dort zeigte er zuletzt seinen Videofilm „Über das | |
| Paradies“, den Versuch einer Synthese der Paradiesvorstellungen von | |
| Christen und Muslimen, die Kamel auf ihrer Pilgerfahrt nach Santiago di | |
| Compostela beziehungsweise Mekka befragte. | |
| Alles deutet also darauf hin, dass der AArtist-in-residence ein | |
| Vorzeigeprojekt im besten Sinne des Wortes ist, das belegt, welch starkes | |
| Aufgebot an relevanten Künstlern gerade die finanziell eng kalkulierenden | |
| mittelständischen Galerien Berlins vorweisen können – von deren kreativem | |
| Elan auch das Ministerium selbst profitieren sollte in seinem Bestreben, | |
| moderner und offener zu werden. | |
| 29 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Brigitte Werneburg | |
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