| # taz.de -- Neuerscheinung Kunsthandel: Der Auktionator | |
| > Eine Studie rekonstruiert die Rolle des jüdischen Kunsthändlers Paul | |
| > Graupe. Er arbeitete vom Kaiserreich bis in die NS-Zeit. | |
| Bild: Ausschnitt aus einer Porträtfotografie Paul Graupes | |
| War der Kunsthändler und Auktionator Paul Graupe gut oder böse? Diese Frage | |
| kam aus dem Publikum, nachdem die drei Autoren der Studie „Paul Graupe | |
| (1881–1953). Ein Berliner Kunsthändler zwischen Republik, | |
| Nationalsozialismus und Exil“ ihren Band im Berliner Institut Français im | |
| Gespräch mit der Leibniz-Preisträgerin und Kunsthistorikerin an der TU | |
| Berlin, Bénédicte Savoy, vorgestellt hatten. | |
| Die Antwort lautet, dass er nicht gut oder böse, sondern dass er Täter und | |
| Opfer war. Und damit wird eine komplexe Gemengelage angesprochen, wie die | |
| Studie zeigt, die den Blick für die Brüche, Zwischentöne und Grauzonen | |
| seiner Händlerkarriere schärft. Ihre Lektüre ist ein must, will man den | |
| Kunsthandel der 1930er Jahre und anliegende Restitutionsfragen verstehen. | |
| Patrick Golenia, Kunsthistoriker beim Auktionshaus Grisebach, Kristina | |
| Kratz-Kessemeier, Kunsthistorikerin und freie Autorin, und Isabelle le | |
| Masne de Chermont, Leiterin der Handschriftenabteilung der Bibliothèque de | |
| France und frühe Provenienzforscherin in Frankreich, legen mit ihrem 300 | |
| Seiten starken Band eine sehr gut lesbare, sehr verständliche Untersuchung | |
| der Geschichte des Berliner Kunsthandels zwischen Kaiserreich und | |
| Nationalsozialismus vor, in deren Kontext sie die Rolle des jüdischen | |
| Kunsthändlers Paul Graupe rekonstruieren, kritisch hinterfragen und | |
| einordnen. | |
| So unwahrscheinlich es klingt, nachdem sein Name nur noch Spezialisten | |
| geläufig ist: Paul Graupe war einer der prominentesten Protagonisten des | |
| Berliner Kunsthandels nach dem Ersten Weltkrieg. Aufgrund seines nationalen | |
| wie internationalen Renommees konnte er 1933 in die Reichskulturkammer | |
| eintreten und bis 1937 weiterarbeiten. In diesen vier Jahren veräußerte er | |
| in großem Umfang jüdischen Kunstbesitz und fungierte so für das Reich als | |
| Devisenbeschaffer. | |
| ## Boomender Kunsthandel | |
| Das mochte ihm weniger skandalös erscheinen, als man meint, hatte der | |
| Kunsthandel doch schon zuvor von den krisenhaften Weltläufen profitiert. | |
| Als Graupe, der 1881 in einfachen ländlichen Verhältnissen im Oderbruch zur | |
| Welt kam, 1916 seine erste Buchkunst-Auktion abhielt, war sie durchaus ein | |
| Erfolg. Denn aufgrund der Verluste bei Wertpapieren und Kriegsanleihen | |
| sowie der allgemeinen Geldentwertung boomte der Kunsthandel. | |
| Einerseits gab es ein erhöhtes Interesse, Kunst zu verkaufen, um Geld- und | |
| wie im Falle des revolutionären Russlands Vermögensverluste auszugleichen. | |
| Andererseits wurde Kunst als vergleichsweise sichere Geldanlage verstärkt | |
| gekauft. Ähnlich verlieh die Weltwirtschaftskrise dem Kunsthandel neuen | |
| Schwung, da aufgrund vonInsolvenzen große Sammlungen aufgelöst und verkauft | |
| wurden. | |
| ## Lage als Marketinginstrument | |
| Graupe, als Buchhändler ausgebildet, keineswegs ein Kunstexperte, setzte | |
| für sein Geschäft gezielt moderne Marketinginstrumente ein. So bediente er | |
| sich etwa des jungen Mediums Rundfunk, wo Walter Benjamin in seiner | |
| Sendereihe „Aufklärung für Kinder“ Letzteren einen Besuch bei Paul Graupe | |
| mit den Worten „Putzt euch aber die Stiefel schön ab, denn bei Paul Graupe | |
| ist es sehr vornehm“ ans Herz legte. Tatsächlich spielte die Lage seines | |
| Hauses an prominenter Adresse eine herausragende Marketing-Rolle. Selbst im | |
| Exil residierte er in Paris an der Place Vendôme. | |
| Das zweite wichtige Marketinginstrument bildeten seine von Fachleuten | |
| getexteten und mit Schwarz-Weiß-Fotografien versehenen, hochwertigen | |
| Kataloge, die ab 1930 einen einheitlich blauen Umschlag trugen. Diese | |
| aufwändigen Kataloge behielt er nach 1933 für die jüdischen Sammlungen bei, | |
| die bei ihm eingeliefert wurden. Graupe stand dafür ein, dass ihre | |
| Eigentümer angemessene Preise erhielten, der Verkauf ihres Besitzes nicht | |
| unter Wert erfolgte, sondern professionell und fair abgewickelt wurde. | |
| Obwohl er durch diese Gepflogenheiten in Distanz zum NS-Staat stand, war | |
| Graupe implizit doch ein Akteur des Regimes und trug aktiv zur Festigung | |
| der neuen NS-Kunstmarktstrukturen bei, für die die Verdrängung jüdischer | |
| Sammler ebenso wie die der jüdischen Kunsthändler konstitutiv war. Warum | |
| aber konnte sich Graupe so lange halten? Die Antwort findet sich in seiner | |
| Personalakte bei der Reichskammer der bildenden Künste: „Fa. Internationale | |
| Bedeutung, erhebl. Deviseneinkommen (1 ¼ Mill. Rmk.)“ Deshalb wird sein | |
| Ausschluss aus der Kammer 1936 auch wieder rückgängig gemacht. | |
| ## Hitlers Kunsthändler bezahlt die Emigration | |
| Diese Verstrickung endet auch nicht mit der Emigration im gleichen Jahr | |
| nach Frankreich und später in die USA. Sein Netzwerk befreundeter Händler | |
| und Galeristen, auf das er mehr denn je baut, existiert nicht isoliert von | |
| den politischen Gegebenheiten, zu ihnen zählt etwa der Ausbau der Sammlung | |
| Göring, der eine zentrale Rolle im Kunsthandel der französischen Metropole | |
| spielte. Aus Geschäften mit Karl Haberstock, Hitlers wichtigstem | |
| Kunsthändler, stammt das Geld, das es Graupe und seiner Frau 1941 | |
| ermöglicht, in die USA einzureisen. | |
| Dort muss er miterleben, wie er seinen Pariser Besitz mit Gemälden, Büchern | |
| und Antiquitäten und damit seine Geschäftsgrundlage für die USA in diversen | |
| Beschlagnahmeaktionen der deutschen Besatzer verliert. Entsprechend aktiv | |
| versucht er nach Ende des Weltkriegs mit Hilfe seines Sohnes, sein Recht | |
| auf Rückgabe und Entschädigung geltend zu machen. Denn am Ende war der | |
| Kunsthändler Paul Graupe zweifelsohne ein Opfer der Nationalsozialisten, | |
| und als solches wurde er auch von der Alliierten Kommission wie den | |
| bundesdeutschen Behörden und Gericht anerkannt. | |
| 13 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Brigitte Werneburg | |
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| Schriftstellerin | |
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