# taz.de -- Politische Kunstgeschichte in Paris: Spottpreise für die Nazis | |
> Als die Nazis Paris besetzt hatten, gerieten auch Kunsthändler unter | |
> Druck. Davon erzählt eine Ausstellung im Pariser Memorial de la Shoah. | |
Bild: In der Ausstellung im Armee-Museum ist auch Picassos „Massacre en Coré… | |
PARIS taz | Paris wartet momentan mit zwei hervorragenden Ausstellungen | |
auf: „Der Kunstmarkt unter der Besetzung, 1940–1944“ und „Picasso und d… | |
Krieg“. Außerordentlich sind auch die beiden Ausstellungsorte. Die | |
Ausstellung über den „Kunstmarkt“ zur Zeit der deutschen Besetzung findet | |
[1][im Mémorial de la Shoah] statt. | |
Diese architektonisch sehr eindrucksvolle Gedenkstätte liegt mitten im | |
Marais, dem Stadtviertel, in dem die meisten Juden wohnten, bevor sie über | |
den Vorstadtbahnhof Drancy in die Vernichtungslager deportiert wurden. Am | |
Tag des Besuchs wurde auch eine Gruppe von etwa 40 jungen Polizisten durch | |
die Gedenkstätte geführt und darüber aufgeklärt, dass Antisemitismus kein | |
Thema der Vergangenheit und nicht nur ein Problem eingewanderter Muslime | |
ist, wie konservative Medien auch in Frankreich behaupten. | |
Die Ausstellung „Picasso und der Krieg“ läuft im [2][riesigen „Musée de | |
l’Armée“], wo sonst nur Gewehre, Kanonen, Uniformen und andere nationale | |
Devotionalien ausgestellt werden. | |
## Französische Behörden, deutsche Gesetzgebung | |
Die kleine, aber sehr instruktive Ausstellung zum Pariser Kunstmarkt | |
zwischen 1940 und 1944 stellt die Akteure mit Fotos und Dokumenten in den | |
Mittelpunkt. Das sind einige jüdische Galeristen, denen Kunstwerke zu | |
Spottpreisen abgepresst wurden. Pierre Loeb (1897–1964), der vor allem | |
Bilder von Malern der Moderne verkaufte (Miró, Matisse, Bonnard, Picasso, | |
Man Ray), wurde von französischen Behörden „eingeladen“, seinen Betrieb an | |
den „arischen“ Kollegen Georges Aubry zu verkaufen. | |
Für die Bestimmung von Juden/Ariern orientierten sich die französischen | |
Behörden minutiös am Wortlaut der deutschen Gesetzgebung. Loeb hatte ab dem | |
15. 5. 1941 monatlich 3.600 Francs an die „Treuhand- und Revisionsstelle“ | |
der deutschen Besatzungsmacht zu entrichten. Loeb floh mit seiner Familie | |
zunächst aufs Land und dann nach Kuba. | |
Als Loeb 1944 zurückkam, verzögerte der neue Besitzer die Rückgabe der | |
Galerie. Zu Loebs Kunden gehörte vor dem Krieg auch Picasso, der die | |
Besatzungszeit zum Teil in der „freien Zone“ in Südfrankreich verbracht | |
hatte. Picasso, der seinen Ruf als „Meister der Modernen“ geschickt nutzte, | |
wandte sich an den Neubesitzer Aubry und forderte diesen kategorisch auf: | |
„Pierre ist zurück, er übernimmt jetzt wieder seine Galerie.“ Aubry gab | |
sofort nach. | |
Weniger Glück hatte die Galeristin Berthe Weill (1865–1951). Weil sie Jüdin | |
war und die drohende Arisierung vermeiden wollte, übertrug sie ihre | |
Galerie, die nur bis 1941 existieren konnte, einer Freundin und überlebte | |
das Kriegsende völlig verarmt in miserablen Verhältnissen. Freunde | |
versteigerten die Galerie nach dem Krieg und erlaubten Berthe Weill ein | |
Weiterleben ohne Not. | |
## Bilder verschwunden | |
Der jüdische Galerist Paul Rosenberg (1881–1959) deponierte im Juni 1940 | |
162 Bilder in einer Bank in der französischen Provinz und flüchtete mit | |
seiner Familie in die USA. Am 28. 4. 1941 durchsuchten deutsche | |
Besatzungsbehörden die Bank. Der größte Teil der Bilder wurde einen Monat | |
später ins Museum Jeu de Paume in Paris überführt. Nach dem Krieg kehrte | |
Rosenberg zurück und versuchte, seine Bilder wieder zu beschaffen. Das | |
gelang ihm nur teilweise. 50 Bilder sind in den Salons reicher Franzosen | |
„verschwunden“. | |
In einem eigenen Raum werden die Hauptakteure – die gutsituierten Kunst- | |
und Antiquitätensammler – vorgestellt. Die Verkäufe von bei Juden | |
konfiszierten Gütern aller Art in einem Auktionshaus an der Rue Drouot sind | |
in langen Listen akribisch dokumentiert. Sie werden sehr eindrücklich | |
inszeniert: Über einen Lautsprecher werden die Listen mit Angaben zu den | |
Gegenständen und Vorbesitzern verlesen, was den Raub und die Beraubten in | |
Erinnerung bewahrt und den Nutznießern – Käufern, Verkäufern und dem Staat, | |
der die Versteigerungen organisierte und überwachte, einen Spiegel vorhält. | |
Juden war der Zutritt der Versteigerung am 17. 7. 1941 ausdrücklich | |
verboten. | |
Die Ausstellung „Picasso und der Krieg“ dokumentiert Picassos Haltung zum | |
Balkankrieg, zum Ersten Weltkrieg, zum Spanischen Bürgerkrieg und Zum | |
Zweiten Weltkrieg mit Bildern, Zeichnungen, Plakaten und Skulpturen sowie | |
Briefen, Postkarten und anderen Dokumenten. Picasso war nie Soldat, aber | |
bezog immer eine entschieden politische Haltung gegen den Krieg. Sein | |
berühmtestes Bild, „Guernica“, entstand 1937 als Protest gegen den | |
Bürgerkrieg in Spanien. | |
## Misstrauen gegen Picasso | |
Zu den beeindruckendsten Werken gehören Vorstudien zu „Guernica“, die | |
weinende Frauenköpfe zeigen, die allerdings im ausgeführten Bild nicht | |
berücksichtigt wurden. Dieses gilt bis heute als ein Schlüsselwerk der | |
Kunst des 20. Jahrhunderts und des politischen Pazifismus. | |
Es wurde in Büchern, auf Postkarten und auf Plakaten fast so oft | |
reproduziert wie die „Friedenstaube“. Diese schuf Picasso für die | |
Propagandaabteilung der französischen Kommunisten, aber die Ausstellung | |
belegt mit Dokumenten, dass er immer kritische Distanz hielt zur KPF wie zu | |
Moskau. | |
Den französischen Behörden galt er lange als Anarchist, allein weil er aus | |
Spanien kam. Noch im Mai 1940 entschied die Pariser Polizei: „Picasso hat | |
keinerlei Rechtstitel, um die Naturalisierung/Einbürgerung zu erhalten.“ | |
1942 musste er in der Präfektur auf „Ehrenwort“ erklären, „kein Jude zu | |
sein“, um seine Aufenthaltserlaubnis zu behalten. Im Zuge des Kalten | |
Krieges und des Krieges in Korea startete die französische Rechte eine | |
regelrechte Kampagne gegen Picasso, die seinem weltweiten Ansehen nichts | |
mehr anhaben konnte. | |
8 Jul 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.memorialdelashoah.org/ | |
[2] https://www.musee-armee.fr/accueil.html | |
## AUTOREN | |
Rudolf Walther | |
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