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# taz.de -- Kurator über das Sammeln von Fotos: „Einfach dem Gefühl folgen�…
> Wie sammelt man Kunst? Wie unterstützt man noch wenig bekannte
> Künstler*innen? Michael Horbach, Gründer einer Stiftung, hat Antworten.
Bild: Michael Horbach, Sammler und Stiftungsgründer
taz: Herr Horbach, das vergangene Jahr sollte für Sie ein besonders Jahr
werden. Doch war es dann nicht vor allem das Jahr von Corona?
Michael Horbach: Ja, ich wollte im vergangenen November mein dreifaches
Jubiläum feiern – [1][seit zehn Jahren gibt es die Kunsträume mit
Ausstellungen für sozialkritische Fotografie, seit 20 Jahren die Stiftung]
und seit 70 Jahren mich. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und
der Ministerpräsident von NRW, Armin Laschet, hatten sich zur Vernissage
angesagt, die dann wegen Corona abgesagt werden musste. Das war natürlich
eine große Enttäuschung.
Zum Jubiläum entstand die Ausstellung „Sehnsucht 02 – Sammlung Michael
Horbach“. Ist sie zugänglich?
Zurzeit kann sie leider nur nach Vereinbarung von Einzelpersonen besucht
werden. Da hat Hans-Michael Koetzle, der Kurator der Ausstellung, viel
Arbeit reingesteckt, um aus rund 1.500 Fotografien 150 auszuwählen, die
40-seitige Jubiläumszeitung herauszugeben und eine spannende Hängung in den
fünf Räumen hinzubekommen. Porträt, Erotik, Südamerika, die kubanische
Revolution und Landschaft, das sind schon sehr verschiedene Themen.
Ungewöhnlich ist Ihre Sammlung von Fotografien mit Frauen mit Achselhaaren.
Fallen sie in die Rubrik Erotik?
Nein, das hat auch einen gesellschaftlichen Aspekt. Was sind unsere
Körpernormen? Ich habe nach dem Mauerfall Sommerurlaub nahe Rügen gemacht.
Du konntest anhand des Umgangs mit ihren Achselhaaren genau erkennen, ob
die Frauen aus dem Osten oder aus dem Westen Deutschlands kamen.
Heute werden Achselhaare von einigen, meist jungen Frauen erneut als
sichtbares Zeichen von Selbstbestimmung zur Schau gestellt. Wäre das nicht
ein Thema für eine Ausstellung in Ihren Räumen?
Richtig. 2022 werde ich eine Ausstellung „Achselhaare“ in den Kunsträumen
machen und dazu ein Fotobuch herausgeben. Es ist geplant, dass Klaus Honnef
sich der Sache annimmt. Er hat schon 1986 im Rahmen der Fototage im
Rheinischen Landesmuseum meine Achselhaarsammlung unter dem schönen Titel
„Die andere Seite der Schönheit“ ausgestellt.
Wie gehen Sie bei Ihren Kunstkäufen vor? Wo kaufen Sie, und haben Sie ein
finanzielles Limit?
Früher habe ich in Galerien gekauft und bei Auktionen Fotos ersteigert. In
den letzten Jahren kaufe ich fast ausschließlich Arbeiten von den
Künstlern, die ich gerade ausstelle. Ich erwerbe eher fünf Arbeiten für
zusammen 5.000 Euro als eine Arbeit für 5.000 Euro. Bei meiner
Achselhaarsammlung fehlt mir noch die wunderbare Fotografie von [2][Henri
Cartier-Bresson] „Ruhepause zwischen zwei Zeichenposen“ aus dem Jahr 1989.
Ich befürchte, dass ich sie – wenn überhaupt – nicht unter 4.000 oder 5.0…
Euro bekommen kann. Dort liegt auch mein Limit.
Was raten Sie Menschen, die gerne Kunst kaufen wollen, aber nicht viel Geld
in der Tasche haben? Womit sollen sie anfangen? Sollen sie sich beraten
lassen? Wie viel Geld sollten sie ausgeben?
Es gibt genügend Möglichkeiten, für wenig Geld Kunst und Fotografie zu
erwerben. Die Griffelkunst bietet sich auf jeden Fall an – [3][der Verein
verlegt seit fast hundert Jahren Editionen von Originalgrafiken], die an
die Mitglieder ausgegeben werden. Und immer wieder gibt es Auktionen in der
Stadt Köln, wo etwa für wohltätige Zwecke sehr preiswert Kunst angeboten
wird. Bei den ersten Arbeiten sollte man einfach seinem Gefühl folgen. So
habe ich es jedenfalls gemacht.
Noch mal zu Corona. Wie hat sich die Pandemie konkret in Ihrer Arbeit
bemerkbar gemacht?
Es gab jetzt Zeit zum Aufräumen, Ordnen und Nachdenken. Der Kontakt zu den
Künstlern per E-Mail und Telefon ist dank Corona deutlich intensiver
geworden. Die Ausstellungen für die nächsten zwei Jahre stehen und werden
vorbereitet. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass ich durch
befreundete Fotografen in Südamerika hautnah miterlebe, wie schlimm die
Situation dort ist. Marcos Zimmermann lebt in Buenos Aires und berichtete
mir verzweifelt, dass er zurzeit nicht arbeiten kann, da er sich nicht
traut, seine Wohnung zu verlassen. Sein Erspartes ist aufgebraucht.
Können Sie ihm helfen?
Ich habe einige Arbeiten für ihn verkaufen können, zudem erhält Marcos
Zimmermann im Juli im Rahmen der Ausstellung „Los Argentinos“ den mit
10.000 Euro dotierten Fotopreis meiner Stiftung. Das rettet ihn. Der
kubanische Fotograf Alfredo Sarabia Junior lebt in Havanna und hat eine
Fotoserie gemacht, die auf beeindruckende Weise zeigt, wie eng Leid, Leben
und Freude beisammen sein können: Seine drei Kinder tollen springend und
ausgelassen mit Coronamasken auf seinem uralten VW Käfer herum, der auf dem
kleinen Grundstück vor ihrem Haus parkt. Aber Kuba leidet. Es bräuchte viel
Solidarität für Kuba, die Menschen hätten es verdient.
Sie verlangen, wenn Künstler während einer Ausstellung in Ihren Kunsträumen
etwas verkaufen, keine Provision. Sie und Ihr Sohn haben aber sehr viel
Arbeit mit den Ausstellungen, dem von Ihrer Stiftung vergebenen Fotopreis
und den Stipendien. Der Erlös könnte doch wieder in die Förderung weiterer
Projekte und Künstler fließen?
Ja, ich könnte noch viel Geld gebrauchen, es gibt genug soziale und
kulturelle Projekte, die ich gerne unterstützen würde. Aber ich hatte mir
beim Verkauf meines Unternehmens geschworen, nie wieder für Geld zu
arbeiten. Zudem will ich auch ein Zeichen setzen für die Menschen, die über
viel Geld verfügen und es sich auch leisten könnten, sozialer zu denken.
9 Feb 2021
## LINKS
[1] /Fotografien-aus-Kuba/!5425278
[2] /Cartier-Bresson-Ausstellung-in-Wolfsburg/!5112580
[3] https://www.griffelkunst.de
## AUTOREN
Damian Zimmermann
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Fotografien aus Kuba: Ein sozialer Sammler
Michael Horbach ist Kunstmäzen und Multimillionär, aber auch
Linkspartei-Wähler und taz-Genosse: ein Treffen in seiner Finca auf
Mallorca.
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