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# taz.de -- Fotografien aus Kuba: Ein sozialer Sammler
> Michael Horbach ist Kunstmäzen und Multimillionär, aber auch
> Linkspartei-Wähler und taz-Genosse: ein Treffen in seiner Finca auf
> Mallorca.
Bild: Kuba ist zentral für Horbachs Sammlung: Raúl Cañibano, 2006
„Der ganze Ruhm dieser Welt passt in ein Maiskorn“, sagt Michael Horbach
auf unserem Weg ins mallorquinische Hinterland. Wir sitzen in seinem Auto,
der erfolgreiche Finanzberater im Ruhestand, Multimillionär, Kunstmäzen und
taz-Genosse Horbach zitiert den kubanischen Nationalhelden José Martí. Der
66-Jährige gibt sich bescheiden: „Dieser Spruch sagt mir, dass es mir bei
meiner Stiftung und der Sammlungstätigkeit nicht um mich, sondern vor allem
um die Künstler gehen soll!“ Und schon sind wir bei den Lieblingsthemen des
gebürtigen Aacheners: die im Jahr 2000 gegründete Stiftung, mit der er –
zusammen mit seinem Sohn Tim – gesellschaftliche und kulturelle Projekte
unterstützt sowie Kuba, Lieblingsreiseland und immer wieder Gegenstand
seiner Fotoausstellungen. Sein Faible für Kunst pflegt Horbach, der selbst
fotografiert, nicht erst seit 2000. 1986 eröffnete er in Köln eine Galerie
für zeitgenössische Malerei und fuhr zweigleisig, bis er sich vor 17 Jahren
komplett aus dem Geschäftsleben zurückzog.
Horbachs Finca entspricht durchaus den Vorstellungen, die man landläufig
von solch einem Anwesen im „17. Bundesland“ der Deutschen hegt: Fernab vom
Massentourismus erstrecken sich am Ende einer großzügigen Auffahrt ein
geräumiger restaurierter Bauernhof, daneben ein Pool unter Palmen. Nicht
protzig, aber überaus gediegen. Freundlich bittet der Hausherr zu Tisch.
Nach dem Mittagessen fahren wir mit dem Rad zum Kaffee ins nahe gelegene
Dorf. Horbach fühlt sich wohl im mediterranen Ambiente der Balearen.
Unterwegs grüßt er mit freundlichem Hallo die Frau von Miquel Frontera
Serra, dem nächsten Preisträger von Horbachs biennalem Fotopreis. „Mir
gefallen Miquels Stillleben, weil sie die Schönheit der Welt in ihrer
ganzen Einfachheit zeigen. Ich zeichne ihn aus, weil er lebt, was er
fotografiert – der Kerl ist mir sympathisch.“
Der mallorquinische Fotograf und Biologe Miquel Frontera Serra macht sich
für Umweltbelange stark. Zusammen mit dem Kubaner Alfredo Sarabia Fajardo
jr. erhält er im November das mit 10.000 Euro dotierte Preisgeld der
Michael Horbach Stiftung. Miquel Frontera ist in der aktuellen Ausstellung
„sehnsucht – anhelo“ in Horbachs Kunsträumen in Köln mit fünf Fotos
vertreten. Bei unserem Besuch in Fronteras Wohnhaus und Atelier schildert
der Künstler, wie er mit poetisch wirkenden Detailaufnahmen von Salinen und
Gewächshäusern das Augenmerk auf die schützenswerte Natur der Balearen
richten möchte.
## Für die Fachwelt ein gewagtes Statement
Nachhaltigkeit ist für Frontera ein gesellschaftlich relevantes Thema, das
er eindringlich ins Bild umzusetzen versteht. Weitab von der Avantgarde der
konzeptionellen Fotografie. Umso mehr berühren Fronteras Fotos des Sammlers
Seele. Horbach hält es dabei mit der in Fachkreisen bekannten Kunstautorin
Erika Billeter, die über südamerikanische Fotokünstler sagt, sie
experimentierten nicht, sie „sehen“.
Der Arbeitersohn, der zu seiner einfachen Herkunft steht, bekennt sich zur
humanistischen Fotografie in der Tradition eines Edward Steichen. Mit
dessen Ausstellung „Family of Man“ von 1955 setzte sich der
US-amerikanische Fotograf für mehr Mitmenschlichkeit und Menschenwürde ein.
Der Philosoph Roland Barthes wies Steichens Ansatz als zu simplistisch, gar
sentimental zurück. Dazu der Sammler: „Ich versteh’ den nicht und es ist
mir auch egal, was der Barthes sagt. Mir geht es um Empathie.“ Für die
Fachwelt ein gewagtes Statement.
Dessen ist sich Horbach bewusst und bleibt sich auch mit seiner zweiten
Entscheidung zum diesjährigen Fotopreis an Alfredo Sarabia jr. treu: Der
1986 geborene Kubaner wird ebenfalls dem Genre der sozial engagierten
Dokumentarfotografie zugeordnet. Sarabia jr. ist aktuell mit vier Fotos aus
seiner Serie „José Marti“ in „sehnsucht – anhelo“ vertreten. Der 41-…
verzichtet bei seinen Abbildungen von Büsten des im Aufstand gegen die
Spanier 1895 verstorbenen Freiheitskämpfers und Dichters Martí auf
technische Experimente. Die während einer Rundreise durch Kuba entstandenen
Schwarz-Weiß-Fotos dokumentieren die ideologische Omnipräsenz Martís auf
der Karibikinsel. Sie hinterfragen beispielsweise durch extreme Untersicht
oder ironische Parallelführung von Statue und Wolkengebilden (gerade wie im
„Gleichnis vom Sämann“ – so der Untertitel der Reihe), ob die „Saat“…
wohl wichtigsten politischen Visionärs der kubanischen Revolution ab 1959
auf Kuba aufgegangen ist.
## Horbach sichert Künstlern die Existenz
„Alfredo ist früh verwaist, für ihn hege ich fast väterliche Gefühle“, …
Horbach im weiteren Verlauf unseres Gesprächs. Wir sitzen mittlerweile im
Schatten einer großen Sommerlinde im Garten und diskutieren über die
gegenwärtige politische Situation Kubas. Mit Sarabia fördert er einen
Kubaner, der ihm während dessen dreimonatigen Atelierstipendiums in
Horbachs Kunsträumen ans Herz gewachsen ist. Aber es ist nicht nur das
persönliche Moment, das Horbach dazu veranlasst, junge, meist noch
unbekannte Künstler durch direkte Ankäufe regelmäßig zu unterstützen.
Natürlich zählt Horbach auch politische Ikonen der Revolutionsära, wie das
berühmte Che-Porträt von Alberto Korda, zu seiner 1.200 Fotos umfassenden
Sammlung.
Als wir im Katalog zur Ausstellung auf ein Foto des mittlerweile
arrivierten spanischen Fotografen und Filmemacher Pep Bonet stoßen,
reagiert Horbach zurückhaltend. Auch Bonet kennt der Sammler persönlich und
schätzt ihn wegen dessen „fast übermenschlicher Leistungen“ als Fotograf …
Kriegs-und Krisengebieten. „Bonet selbst meinte dazu, dieses Foto wäre fast
schon zu bekannt“, so der Mäzen bei unserer Betrachtung von Bonets Foto aus
der Strecke „One Goal“ mit beinamputierten Kriegsversehrten aus Sierra
Leone, die am Strand Fußball spielen. „Unfassbar, wie die jungen Männer das
als Freude empfinden, was wir als Leid interpretieren.“
Trotz allem Respekt vor der Abbildung der „Wunden“, Horbachs Favoriten sind
die stilleren, „schönen“ Bilder, häufig von unbekannteren Fotografen. Zum
Beispiel die des Kubaners Raúl Cañibano, der mit „Tierra Guajira“ das arm…
ländliche Kuba zeigt. Auch dieser Fotograf ist Stiftungspreisträger und
erlaubt dem Betrachter mit seinen Fotos einen teilnehmenden Blick. In
Cañibanos Bildern liegt möglicherweise eine Menge Marktpotenzial für die
Zukunft. Doch Horbach setzt nicht auf die Steigerung von Marktpreisen.
Sowieso überlässt er jeden Verkaufserlös zu 100 Prozent den Künstlern.
Darüber hinaus „sucht“ er Momente einer menschlichen Wahrheit, die nur in
dieser Art von Bildern zu „sehen“ seien. Gemäß Horbachs Maxime „Glückl…
durch Teilen – eine gerechte Welt ist möglich“ ist der philanthropische
Anteil an seiner Sammelleidenschaft nicht zu unterschätzen. Nicht nur auf
Kuba und Mallorca sichert er so vielen Künstlern die Existenz. Die
„soziale“ Rendite sei ihm dabei wichtiger als die finanzielle, weswegen ihn
viele aus seiner Schicht für „völlig bekloppt“ hielten. Und das nicht nur,
weil der bekennende Linke-Wähler seit Jahren eine Reichen- sowie eine
Vermögenssteuer fordert und seit Kurzem auch das bedingungslose
Grundeinkommen.
12 Jul 2017
## AUTOREN
Gisela Stamer
## TAGS
Fotografie
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