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# taz.de -- Ausstellung über Mode in Afrika: Ein Akt der Befreiung
> Mit der umfangreichen Ausstellung „Africa Fashion“ zeigt das Londoner
> Victoria & Albert Museum, wie Mode mit Dekolonialisierung verknüpft ist.
Bild: Afrikanische Mode aus dem 21. Jahrhundert
Im [1][Londoner Victoria & Albert Museum] ist derzeit eine umfassende
[2][Ausstellung über afrikanische Mode] zu sehen, die einen chronologischen
Überblick über das Modegeschehen in Afrika nach der Dekolonialisierung bis
in die Gegenwart gibt und deutlich macht, wie die radikale soziale und
politische Neuordnung nach der Unabhängigkeit auf dem afrikanischen
Kontinent eine kulturelle Renaissance ohnegleichen auslöste.
1960 war das Afrikanische Jahr: Über 17 Länder sagten sich von den
Kolonialmächten los, eine neue Kultur war im Entstehen, die sich in
exzessiver Kreativität entlud. Insbesondere Kleidung diente zur
Selbstdarstellung der neu gefundenen Identität, Mode und altes Handwerk
wurden neu entdeckt.
Das erste Weltkunstfestival fand 1966 in Dakar, Senegal, statt und
zelebrierte drei Wochen lang afrikanische und schwarze Ausdrucksformen über
Grenzen und Kontinente hinweg. 25.000 Gäste genossen Kunst, Tanz, Theater,
Musik, Vorträge und feierten den Beginn einer neuen Zeit auf dem
afrikanischen Kontinent, was international Aufmerksamkeit erregte.
Die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba – auch Mama Africa genannt –,
die aus dem Exil gegen Apartheid in ihrem Land kämpfte, veröffentlichte
1967 das auf isiXhosa geschriebene Lied „Pata Pata“, das weltweit zum
Ohrwurm wurde und das Lebensgefühl dieses Moments exakt zum Ausdruck
brachte.
## Die Bedeutung der Stoffe
Gleichzeitig wurde eine strategische Professionalisierung der Modeindustrie
in die Wege geleitet, wobei viele Menschen in den Betrieben Arbeit fanden
und durch Kleidung ihren Freiheitssinn zum Ausdruck brachten, indem sie
einheimische Stoffe in einen gemusterten Anzug umwandelten oder etwas
völlig Neues erfanden.
Fotos von Frauen in langen, schmalen Kleidern aus gemusterten, grell bunten
Stoffen, die auf Vespas ihre Stadt erobern, verkörpern diesen
emanzipatorischen Aufbruch in die Moderne aufs Beste und sie unterscheiden
sich deutlich von Europäerinnen in diskret grauen Dior-Kostümen.
„Die Politik und Poesie von Stoffen“ ist ein Ausstellungsbereich, der sich
mit der tieferen Bedeutung von Stoffen in vielen afrikanischen Ländern
befasst und darlegt, wie die Herstellung und das Tragen von einheimischen
Stoffen im Moment der Unabhängigkeit zu einem strategischen politischen Akt
wurde.
Zu sehen sind Wachsdrucke, Gedenktücher, àdìrẹ, Kente und bògòlanfini –
Beispiele für eine reiche Textilgeschichte, die Tausende von Techniken aus
dem ganzen Kontinent umfasst. Ausgestellt ist auch ein Gedenktuch, das
Anfang der 1990er Jahre nach der Freilassung von Nelson Mandela hergestellt
wurde. Es zeigt ein Porträt des ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas und
die Aufschrift „Ein besseres Leben für alle – wir arbeiten gemeinsam für
Arbeitsplätze, Frieden und Freiheit“.
## Altes neu erfinden
Designer wie Nina Gessous, Shade Thomas-Fahm, Chris Seydou, Kofi Ansah
griffen auf alte Herstellungstraditionen zurück, erfanden sie neu und
legten so den Grundstein für die heutige Moderevolution, die man im Laufe
der Ausstellung bei der neuen Generation von Couturiers sehen kann, wie der
nigerianischen Modedesignerin Lisa Folawiyo, dem somalischen Künstler
Gouled Ahmed, der kenianische Schmuckdesignerin Ami Doshi Shah.
Kreativität, Experimentierfreude und der steigende globale Einfluss der
zeitgenössischen afrikanischen Mode werden in dieser Ausstellung mit einer
umfangreichen Präsentation von Kleidungsstücken, Textilien, persönlichen
Zeugnissen, Zeitungsausschnitten, Magazinen, Fotografien, Skizzen,
Videodokumentationen von Catwalks dargestellt.
Eine Fülle der zeitgenössischen Couture ist in der Ausstellung zu sehen,
Konfektionsmode und Maßgeschneidertes, herrliche Accessoires und
vielfältiger Schmuck, Arbeiten von großen und kleinen Handwerksbetrieben,
die sich auf Kunsthandwerk, Handfärben, Weben, Perlenstickerei
spezialisiert haben und auch die Recyclingpraxis von Abfallmaterialien und
Stoffabfällen aufzeigen, die mittels traditioneller Textilkunst zu neuen
Stoffen umgeformt werden.
Thebe Magugu, Designerin für Damenmode meint, dass [3][Mode dem
afrikanischen Kontinent] hilft, sich selbst und seine Geschichte zu
verstehen, und hat in Zusammenarbeit mit Noentla Khumalo – einer
traditionellen Heilerin – eine Kollektion entworfen, die sich auf
afrikanische Spiritualität bezieht.
## Wille zur Selbstdarstellung
Der Porträtfotografie ist ein eigener Bereich gewidmet, die den Wandel der
Menschen in ihrem Lebensraum begleitet und mit der Entwicklung
kostengünstiger Filme und Kameras auch möglich wurde. Zu den Highlights
dieser Sektion gehören die Studioaufnahmen von Sanlé Sory, Michel Papami
Kameni und Rachidi Bissiriou: Die Fotos dokumentieren das Modebewusstsein
des Einzelnen, den Willen zur Selbstdarstellung und den Stolz, schwarz und
afrikanisch zu sein.
„Africa Fashion“ zeigt Modelle, Fotos und Filme aus 25 der 54 Länder, mehr
als 250 Objekte aus den persönlichen Archiven, eine Auswahl von
[4][bedeutenden afrikanischen Modeschöpfern] aus der Mitte des 20.
Jahrhunderts und von zeitgenössischen Modeschöpfern sowie Textilien und
Fotografien aus der Sammlung des Victoria & Albert Museum.
Sie ist Teil einer umfassenden Neuausrichtung des Victoria & Albert, die
ständige Sammlung des Museums mit Arbeiten von Designern aus Afrika und der
afrikanischen Diaspora zu erweitern und diese Vielfalt sichtbar zu machen.
Christine Checinska, Kuratorin für Mode aus Afrika und der afrikanischen
Diaspora im Victoria & Albert versteht diese Ausstellung als Beginn einer
umfassenderen Aufarbeitung afrikanischer Erinnerungskultur, denn das Museum
wurde im Jahr 1852 gegründet und ist mit der Geschichte des britischen
Kolonialismus eng verbunden.
28 Nov 2022
## LINKS
[1] /Modeausstellungen-in-London/!5589582
[2] https://www.vam.ac.uk/exhibitions/africa-fashion
[3] /Globaler-Textilhandel-mit-lokalen-Folgen/!5469852
[4] /Afrikanische-Designer/!5472680
## AUTOREN
Renata Stih
## TAGS
Mode
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