# taz.de -- Afrikanische DesignerInnen in Berlin: Modische Zuversicht | |
> Das Berliner Kunstgewerbemuseum übt sich mit „Connecting Afro Futures. | |
> Fashion. Hair. Design“ in Zeitgenossenschaft. | |
Bild: Modell in einer Jacke aus recycelten Autoreifen und Wolle von Njola Impre… | |
Als würde der Wind durch das Kleid fahren und der Hut schon durch die Lüfte | |
schweben. Welche Frau dieses Kleid wohl tragen würde? Roslyn Johnson, die | |
persönliche Assistentin von José Hendo, beantwortet das mit englischem | |
Understatement. „Oh, bestimmt eine Frau, die Eindruck machen möchte“, sagt | |
sie höflich und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Stoff der Baumrinde und | |
damit auf das, was tatsächlich Natur und hochpolitisch an diesem | |
romantischen Couture-Kleid ist. | |
Mode zu lesen, ein Kleid zu deuten, das ist immer auch ein assoziatives und | |
damit riskantes Vergnügen. Leicht kann es da passieren, dass man sich in | |
den eigenen Projektionen verfängt und übersieht, was tatsächlich geschieht. | |
Zeitgenossenschaft üben. Bedeutungen jenseits der eigenen Deutungsmuster | |
knüpfen. Das ist alles andere als eine Kleinigkeit, und wenn sich das | |
[1][Berliner Kunstgewerbemuseum] mit der am vergangenen Freitag eröffneten | |
Ausstellung „Connecting Afro Futures. Fashion. Hair. Design“ genau das | |
vorgenommen hat, ist das eine wunderbare Nachricht. | |
Acht afrikanische Designerinnen und Künstlerinnen hat man eingeladen und | |
gebeten, ihre eigenen Geschichten zur afrikanischen Mode zu erzählen. Zu | |
den Adressaten zählen bekannte Stars wie der Konzeptkünstler [2][Meschac | |
Gaba] oder die 1977 in Kinshasa geborene Adama Ndiaye ([3][Adama Paris]), | |
die als Designerin und Gründerin der Dakar Fashion Week seit vielen Jahren | |
das Geschehen mitbestimmt. | |
## Der berühmte Rindenstoff vom Mutuba-Baum | |
Der Name [4][José Hendo] ist bereits gefallen. Die in Uganda geborene und | |
in London lebende Designerin und Umweltaktivistin hat lange Zeit Brautmode | |
entworfen, um dann, während sie anlässlich eines Besuch ihrer Familie auf | |
einem Markt Geschenke kaufen wollte, dem ältesten Stoff der Menschheit, dem | |
vom Mutuba-Baum gewonnenen Rindenstoff (bark cloth) zu begegnen. | |
Fortan widmete sie ihre Kraft einer kompromisslos nachhaltigen Mode und | |
seit 2008 einem eigenen Label. Das Stylisten-Paar Baay Sooley und Laure | |
Tarot von [5][Bull Doff] ist vertreten. 2017 erregten sie in Genf auf der | |
Afrodyssée großes Aufsehen mit einer Kollektion, die die Muster der alten, | |
heilenden Kunst Imigongo aus Ruanda zitiert. | |
In Berlin zeigt Bull Doff nun eine Interpretation des traditionell gewebten | |
Tuches „Sëru Njaago“ aus dem Senegal. [6][Lamula Anderson], die zu den | |
nachdenklichsten und erfolgreichsten jungen Designern gehört, bringt acht | |
schwarze Kleider und Kostüme ins Museum. Nach dem spektakulären Fro-Dress | |
ihrer Enviri-Kollektion 2016, verknüpft sie kontinuierlich zwei Themen | |
ihrer Mode – das „Afro-Hair“ und die Kleiderfarbe Schwarz, von der man ihr | |
als schwarzer Frau stets abgeraten hat – mit Reflexionen über die weibliche | |
Silhouette. | |
## Die sexuelle Ausbeutung der schwarzen Frau | |
Gedanken über das 19. Jahrhundert, den Voyeurismus und die sexuelle | |
Ausbeutung der schwarzen Frau spiegeln sich in dieser subtilen und | |
eindringlichen Installation wider. Das Motiv der Tournüre taucht raffiniert | |
verwandelt an einem schwarzen Abendmantel auf und fordert die auf | |
europäische Dresscodes beschränkten Assoziationen heraus. | |
Die Kunsthistorikerin Claudia Banz, die neben der Kunst-, Film- und | |
Medienwissenschaftlerin Cornelia Lund und der Stylistin und Modeagentin | |
Beatrace Angut Oola, eine der drei Kuratorinnen der Ausstellung ist, hat | |
auf der Pressekonferenz genau diesen Zusammenhang aus ihrer Sicht benannt. | |
Eine der besten Modesammlungen Europas, sagte sie, die des | |
Kunstgewerbemuseums Berlin, besitze bisher kein einziges Stück afrikanische | |
Mode. Das werde sich hoffentlich ändern, sagte die Kuratorin, | |
selbstverständlich ohne zu verraten, welches Stück sie persönlich im Auge | |
hat. | |
## Die Jacke, die so toll ist, dass alle sie haben wollen | |
In einem Radiointerview noch vor Ausstellungseröffnung erwähnte sie | |
allerdings eine Jacke, die so toll sei, dass alle sie haben wollten. | |
Gemeint haben muss sie die aus recycelten Autoreifen und Wolle entworfene | |
Jacke des Labels [7][Njola Impressions], die im letzten Raum der | |
Ausstellung auf den Besucher wartet wie ein lässiger und sehr beschützender | |
Freund. | |
Doch Vorsicht! Der Wunsch nach Nähe geht an diesem stolzen Fashion-Item | |
womöglich völlig vorbei. Jedenfalls ist die Materialität dieser Mode | |
komplexer, herausfordernder als die Annahmen, sagen wir, einer weißen, | |
europäischen Frau mittleren Alters, die in einem deutschen Museum das | |
Stichwort von der „Community-basierter Designpraxis“ liest. | |
Das Gefühl der falsch verstandenen Nähe verliert sich dagegen sofort, wenn | |
Nabukenya Allen selbst über ihre Arbeit in Kampala und über eine Gruppe von | |
20 Künstlern spricht, die sich in den Gemeinden der Slums engagieren. Alte | |
Autoreifen, Flip-Flops, gefährlicher Plastikmüll werden gesammelt und | |
gereinigt und durch die rettende „Kunst des Recyclings“ in Jacken und | |
Schuhe, in Mode und Design verwandelt. | |
## Die gemeinsame Freude und das Miteinander-Reden | |
Das Weitergeben von Wissen spiele eine Rolle. Die gemeinsame Freude und das | |
Miteinander-Reden. Die Musik. Für billigen Trost sei es zu spät. „Wir | |
alle“, sagt Nabukenya Allen, „werden sterben, wenn wir uns nicht um unsere | |
Umwelt kümmern.“ Es ist der Satz, der sich am weitesten von der Zuversicht | |
dieser Ausstellung und einer dezidiert afrofuturistischen Position | |
entfernt, wie sie etwa die prominente senegalesische Designerin und | |
Kultur-Bloggerin [8][Ken Aïcha Sy] vertritt. | |
Awa und Djessene. Ein mythisches Paar, fotografiert von Yannik Ntap, blickt | |
dem Betrachter stolz und mit dem überlegenen Wissen um die Möglichkeiten | |
der Zukunft entgegen. „Baadaye“, so der Titel, was Zukunft auf Suaheli | |
heißt. Diese Porträts ergänzt Ken Aïcha Sy mit einem Video-Interview. „Wie | |
sagt man Zukunft in deiner Sprache?“ „Was ist Afrofuturismus für dich?“ | |
„Wie siehst du Afrika im Jahr 2200?“ „Wer bist du?“ | |
Die Antworten zeichnen Afrika als den Ort einer positiven Überschreitung, | |
als einen Raum, in dem technische, wissenschaftliche Grenzen zugunsten | |
einer schöpferischen Zukunft fallen. Das Selbst repräsentiert sich darin im | |
Gefühl der Stärke, unbeeindruckt von den Diskursregeln der Unterdrückung | |
und nicht länger interessiert am Nichtwissen und der Ignoranz Europas, die | |
aus dem Horizont der Selbstwahrnehmung verschwinden. | |
## Mehr Einmischung durch Begleittexte erwünscht | |
Für die Arbeiten, die aus den westafrikanischen Traditionen kommen, gilt | |
diese Betonung afrikanischer Identität vermutlich etwas deutlicher als für | |
die Positionen der kreativen Zentren Ostafrikas. Doch eine Regel gibt es | |
nicht, so dass man der Spur beim Gang durch die Ausstellung auf eigene | |
Verantwortung folgt und sich von den Begleittexten manchmal ein bisschen | |
mehr Einmischung wünscht. | |
Doch die Ausstellung hält sich zurück und delegiert die Diskussion der | |
Perspektiven an den „Magalog“ (Fashion-Magazin + Katalog). Man könnte das | |
als Zeichen gebotener Vorsicht, als diskreten Hinweis auf die eigene | |
Überforderung lesen. | |
Wie lässt sich die kreative Dynamik der ostafrikanischen und | |
westafrikanischen Fashion-Hubs adäquat in den eigenen musealen Kontext | |
übersetzen? Für ein Haus wie das Berliner Kunstgewerbemuseum, das | |
historisch im 19. Jahrhundert und im Zeitalter des Kolonialismus gründet, | |
das gewohnt war, ausschließlich europäische Dresscodes für der Mode würdig | |
zu halten, transportiert diese „leitende Frage“ einen entscheidenden | |
Schritt. Man ist spät dran. Dem europäischen Blick ist so vieles entgangen | |
und unverständlich geblieben. Jetzt muss man mit der eigenen Einsamkeit | |
leben oder, wie hier, anfangen, sich daraus zu befreien. | |
30 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Archiv-Suche/!263742&s=Kunstgewerbemuseum&SuchRahmen=Print/ | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Meschac_Gaba | |
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Adama_Ndiaye | |
[4] https://josehendo.com/ | |
[5] https://www.bulldoff.com/fr/ | |
[6] https://www.lamulanassuna.com/who-are-we | |
[7] https://www.njolaimpressions.com/ | |
[8] https://jonathanfischer.wordpress.com/2017/04/02/adieu-europa-da-werde-ich-… | |
## AUTOREN | |
Elisabeth Wagner | |
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