Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Stylistin über afrikanische Mode: „Man sollte auf die Quelle hin…
> Beatrace Angut Oola hat die Informationsplattform „Fashion Africa Now“
> gegründet. Die vernetzt Menschen afrikanischer Herkunft im Bereich
> Modedesign.
Bild: Mode als Frage der Identität: Beatrace Angut Oola
taz: Frau Angut Oola, ich habe mir auf dem Weg hierher Gedanken darüber
gemacht, was ich überhaupt trage. Ist das okay – grüne Hose und weißes
Shirt?
Beatraca Angut Oola: Natürlich, es geht in Ordnung, was Sie anhaben!
Achten Sie überhaupt darauf, was die Leute anhaben?
Mode ist für mich nicht nur einfach eine Klamotte, die ich mir anziehe. Es
geht um Identität. Ich finde es sehr spannend, dass man die Leute heute
nicht mehr direkt an ihren Outfits beurteilen kann. In den 90ern hatte man
zum Beispiel die Hip-Hoper, die Rocker, die Punker. Heute hast du Rapper,
die schicke Kleider tragen. Vor 20 Jahren wäre das nicht denkbar gewesen.
Wie lange brauchen Sie morgens, um sich was rauszusuchen?
In der Regel brauche ich gar nicht so lang. Ich habe immer schon im Kopf,
welche Farbkombination ich gerne tragen möchte. Aber das ist wahrscheinlich
auch die Routine, da ich als Stylistin gearbeitet habe. Abgesehen davon
habe ich ein Gefühl für Farben und ich weiß, welche Schnitte ich im Schrank
habe, sodass das Stylen relativ schnell geht.
Was sagen Sie Leuten, die von sich behaupten: Klamotten sind nur dazu da,
damit ich nicht nackt rumlaufe?
Es ist eine Typsache und auch davon abhängig, in welchem Umfeld man sich
bewegt. Ich glaube, dass heute Kleider bei der jüngeren Generation eine
große Rolle spielen. Ich arbeite in der Kreativbranche und das äußerliche
Auftreten ist wichtig, daher zählt ein bestimmter Look.
Ist das nicht oberflächlich?
Ja, natürlich. Das ist eine Gradwanderung. Kinder, die dem ausgesetzt sind
und bei Markenklamotten nicht mithalten können, werden dadurch
benachteiligt. Darum bin ich tatsächlich ein Fan von Schuluniformen. Da
wäre die Plattform nicht gegeben, Kinder, die aus sozial schwachen
Haushalten kommen, zu degradieren.
Wann hat bei Ihnen das Interesse für Mode angefangen?
Sehr früh. Ich habe neulich Bilder gesehen, da war ich acht oder neun. Da
dachte ich: „Mensch, ich war schon damals modisch.“ Das ist ein
Weihnachtsbild und ich habe eine weiße Rüschenbluse, eine weiße Hose und
einen türkisfarbenen Gürtel an, die Haare gemacht. Ich mochte es auch, die
Ohrringe von meiner Mutter zu tragen und hatte ihre Klipper drin. Das ist
doch schon ein Look!
Heute ist Ihr Lieblingskleidungsstück das Kopftuch. Darf das jeder
anziehen?
Grundsätzlich denke ich, jeder darf tragen, was er mag. Aber man muss auch
überlegen: Wie wirke ich in dieser Klamotte? Speziell das Kopftuch hat da
Diskussionspotenzial. Ich sehe auch Europäerinnen, die sich das trauen. Und
warum nicht, wenn sie sich damit wohlfühlen?
Wo wird es problematisch?
Kulturelle Aneignung ist natürlich ein Thema. Wenn sich Frauen ab Mitte 50,
die eine Afrikaaffinität haben, komplett so kleiden, finde ich das
übertrieben, weil das verkleidet aussieht. Genauso finde ich aber auch
einen afrikanischen Mann in Lederhosen irritierend. Aber naja, geht
irgendwie auch. So lang man reflektiert und auf den Ursprung aufmerksam
macht.
Warum ist Ihnen das so wichtig?
Da bin ich sensibel. Auch bei Frisuren. Vor einiger Zeit zeigte sich Kim
Kardashian mit einer neuen Haarfrisur, die sie „Boxing Braids“ nannte. Das
ist aber eine gängige traditionelle afrikanische Haarfrisur, die bis dato
auch schon einen Namen hatte: „Cornrows“. So etwas ist echt unschön. Man
sollte, wenn die Quelle woanders liegt, auf jeden Fall darauf hinweisen.
Welche Rolle spielt das für [1][Ihre Website], die unter anderem
afrikanische Modedesigner vorstellt?
Die Plattform dient als Informationsquelle und kommuniziert aus einer
afrikanischen Perspektive, was ich vorher immer vermisst habe. Es geht um
Fashion von afrikanischen Designern – das ist ein neuer Blickwinkel für
viele Menschen. Und das ist auch mein Anliegen: Hier ist Mode, die relevant
ist, die ein Anliegen hat, die hochwertig ist, die aber zum Teil in Afrika
produziert ist. Für uns in der Diaspora hat das außerdem eine andere
Bedeutung als für jemanden, der auf dem Kontinent wohnt. Wir müssen eine
andere Kommunikation führen.
Inwiefern?
Ich habe mich gefragt: Muss ich das jetzt „Fashion Africa Now“ nennen? Aber
der Punkt war: Ich bin in der Diaspora und für viele ist das Thema noch
nicht geläufig. Und so weiß man sofort: es geht um Fashion. Africa. Now.
Kann man afrikanische Mode direkt erkennen, weil sie bestimmte Muster oder
Stoffe benutzt?
In vielen europäischen Köpfen existiert dieses stereotypische Bild:
Afrikanische Kleidung ist bunt und besitzt immer Prints. Aber die Mode kann
durchaus schwarz oder in einem anderen einfarbigen Ton sein. Oft sind es
die Schnitte, die an Afrika erinnern. Das sind dann Transformationen aus
traditionellen Schnitten. Aber auch Prints werden transformiert. Es gibt
einen Designer, der das phänomenal umgesetzt hat, das Label heißt
„Maxhosa“, er ist auch einer der Top-Designer. Insofern würde ich sagen,
man kann afrikanische Mode – wenn man das so betiteln will – nicht
unbedingt erkennen.
Einerseits sagen Sie, man müsse langsam aufhören, Designer als ‚African
Designer‘ abzustempeln, andererseits finden Sie es wichtig, auf den
Ursprung zu schauen. Ist es jetzt wichtig, dass die Mode afrikanisch ist
oder nicht?
Es ist beides. Es ist wichtig, wenn es um das Thema kulturelle Aneignung
geht. Sachen aus Afrika sollten so betitelt werden. Die Gesellschaft ist
noch nicht so oft mit den kreativen Themen konfrontiert worden, die aus
Afrika kommen. Die kennen alte Afrika-Bilder, wie zum Beispiel Krieg, Armut
und Hunger. Die pulsierende Kreativ-Welt ist für die meisten in Europa
einfach noch komplett was Neues. Bei Ikea wird es ab Mai 2019 eine von
Afrika inspirierte Kollektion geben. Ikea hat sich zehn Designer aus
afrikanischen Ländern ausgesucht und ist mit ihnen eine internationale
Kooperation eingegangen, unter anderem wurde unterschiedliches Interieur
entworfen. Anhand dieser Kooperation wird klar, dass Designer afrikanischer
Herkunft nicht nur ein Trend sind.
Kann man überhaupt von afrikanischer Kleidung reden? Man spricht ja auch
nicht von europäischer Kleidung.
Afrikanische Designer sagen: Ich will nicht als afrikanischer Designer
vorgestellt werden, sondern ich bin Designer. Letztendlich ist Westafrican
Fashion anders als Eastafrican Fashion, North und South haben auch
Unterschiede. Aber man kann durchaus sagen „Made in Africa“, damit macht
man klar, dass das Produkt in einem afrikanischen Land produziert wurde.
Wie flexibel ist die Öffentlichkeit hier? Nimmt sie wahr, wie vielfältig
afrikanisches Design ist?
Die Arbeit war anstrengend, zäh, ermüdend und zugleich auch wohltuend. In
den Anfangsjahren kamen sehr vielen beim Thema afrikanische Mode nur
Ethno-Fashion in den Sinn. Und damit auch das Thema Entwicklungshilfe oder
wie Frauen in irgendwelchen Dörfern Körbe nähen. Aber ich rede hier von
zeitgenössischem Design. Ich rede von jungen Kreativen, die impulsiv und
absolut selbstbewusst sind, die auch kein Interesse haben, in Deutschland,
Paris oder London zu leben. Die wollen in ihren Heimatländern bleiben, die
wollen ihre Wirtschaft ankurbeln. Da ist eine afrikanische Elite, die den
Standpunkt vertritt, dass sie ein Label Made in Africa produzieren wollen.
Was haben Sie vor der Website gemacht?
Ich habe als Stylistin gearbeitet und mich nebenbei politisch engagiert.
Ich habe unter anderem den Black History Month in Hamburg mitorganisiert,
das ist eine Art Aufklärungsmonat über die Geschichte und Traditionen aus
Afrika und der Diasporischen Bevölkerung. Davor habe ich Film und Fernsehen
und Wirtschaft studiert. Der Aktivismus war gut, nach meinem Gefühl gingen
Veränderungen nicht schnell genug voran und ich wollte gesellschaftlich
etwas bewirken. Mit meiner Plattform empfinde ich es so, das sich einiges
bewegt und vor allem neue Diskurse gestartet werden.
Was bedeutet das konkret?
Fashion Africa Now ist eine Connecting-Plattform. Menschen afrikanischer
Herkunft sind hier in Deutschland oft nicht so gut vernetzt. Ob es sich um
Fotografen, Stylisten, Creativ-Direktoren oder Designer handelt, das
Networking fehlt. Außerdem ist es ein Ziel, eine Stimme aus der Diaspora zu
sein, die in den afrikanischen Ländern auch ein Statement hat. Ich bin echt
gespannt, was in den nächsten zehn Jahren noch so passiert.
Was vermuten Sie?
Viele dachten, African Fashion ist ein Trend. Ich sagte immer dass das
definitiv kein Trend ist, sondern eine Bewegung, die bleibt. Da besteht ein
Bedarf und eine Nachfrage auch von meiner Generation, die hier geboren und
aufgewachsen ist, aber deren Herkunft in Afrika ist. Ich bin aus Uganda,
ich liebe meine Herkunft, bin hier aber aufgewachsen – ich habe beides in
mir. Ich bin dankbar, dass ich meine Identität so ausleben kann, wie ich es
für richtig empfinde. Dieser Raum existiert erst heute!
25 Mar 2019
## LINKS
[1] http://fashionafricanow.com/
## AUTOREN
Frieda Ahrens
## TAGS
Mode
Afrika
Kulturelle Aneignung
Design
Kleidung
Mode
Mode
Schwerpunkt u24 taz
Zentralafrika
Kopftuch
Gentrifizierung
Kolonialismus
Paris
## ARTIKEL ZUM THEMA
Model Halima Aden: Abschied vom Laufsteg
Das Model trug stets Hidschab. Trotzdem sah es jetzt seinen Glauben auf dem
Laufsteg nicht respektiert. Es tritt auch als Unicef-Botschafterin zurück.
Afrikanische DesignerInnen in Berlin: Modische Zuversicht
Das Berliner Kunstgewerbemuseum übt sich mit „Connecting Afro Futures.
Fashion. Hair. Design“ in Zeitgenossenschaft.
Überlegungen zu kultureller Aneignung: Erst der Spott macht's rassistisch
Wenn Weiße Afro tanzen, werden sie oft dafür kritisiert: Das sei Cultural
Appropriation. Ist dieses Denken gerechtfertigt?
Essay über Afrikanische Perspektiven: Herr Fernsehen lügt nicht
In Zentralafrika prägen vor allem utopische Bilder von Luxus die Idee von
Europa, sagt der Soziologe Joseph Tonda.
Gastkommentar Schau zu Muslim Fashion: Gleichberechtigung infrage gestellt
Frauen haben dafür gekämpft, sich lässig zu kleiden. Bei Musliminnen heißt
es, sie verhüllten sich freiwillig. Eine Ausstellung verharmlost den Zwang.
Der Hausbesuch: Ein Schnitt für jeden Körper
Aus Ghana kam Victor Ankobea nach Deutschland. In Berlin hat er ein
Nähatelier – noch. Das Haus wurde verkauft, sein Laden gekündigt.
Hamburger Ausstellung „Flow of Forms“: Afrika veredelt Europas Schrott
Die Ausstellung „Flow of Forms“ im Hamburger Völkerkunde-Museum zeichnet
Wechselbeziehungen zwischen dem Design beider Kontinente nach.
Afrikanische Designer: Sich gut kleiden ist wichtig!
Sape, Wax und Mix: Im Pariser Viertel Goutte d’Or gibt es kleine
Schneiderwerkstätten, aber auch neue Designer – erschwingliche und
unbezahlbare.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.