| # taz.de -- Artwashing bei der Kunstbiennale Venedig: Kritisch im Auftrag der A… | |
| > Usbekistan und Saudi-Arabien sind repressive Autokratien. Auf der | |
| > Kunstbiennale in Venedig machen sie mit scheinbar betörenden Kunstwerken | |
| > Politik. | |
| Bild: Eine Installation der Künstlerin Manal AlDowayan im saudischen Pavillon … | |
| Es gibt einige Überraschungen auf der [1][diesjährigen Kunstbiennale in | |
| Venedig]. Zum Beispiel der Pavillon von Usbekistan. In den letzten Jahren | |
| streifte man einfach nur durch ihn hindurch, zu deutlich wirkten die darin | |
| befindlichen Großinstallationen wie Auftragskunst eines autokratischen | |
| Staats, dem immer wieder Demokratiedefizite nachgesagt werden. | |
| Dieses Jahr aber blieb man stehen in dem immersiven Arrangement von Aziza | |
| Kadyri, einer in London lebenden Künstlerin der „usbekischen Diaspora“, wie | |
| es in der Pressemitteilung des Pavillons heißt. Mit Vorhängen in einem Blau | |
| wie die Keramikfassaden der Moscheen von Samarkand versetzt Kadyri einen | |
| darin auf eine Hinterbühne, lässt einen vorbeiwandeln an | |
| Garderobenständern, behangen mit Kleidungsstücken, auf denen scheinbar | |
| traditionelle Muster gestickt sind. | |
| Vögel und Blumen sind das, aber auch eine Colaflasche mengt sich bei. In | |
| Flatscreens flimmern die Stickmotive erneut auf, so unscharf, als könne | |
| sich Kadyri nicht mehr an ihre Formen erinnern. Und man landet am Ende des | |
| Parcours schließlich selbst als ungewollte Darstellerin auf einer leeren | |
| Theaterbühne. Ist unser Leben nicht nur ein Schauspiel, fragt Kadyri. | |
| ## Zweifel kommt gut an | |
| Eines, in dem wir uns mit Versatzstücken der Erinnerung immer wieder neue, | |
| einsame Rollen zuschreiben? Kadyris nachdenkliche Identitätssuche | |
| funktioniert in Venedig. Die Künstlerin nimmt eine zweifelnde Haltung ein, | |
| das kommt in der Kunstwelt gut an. In Auftrag gegeben wurde der Pavillon | |
| von der [2][staatlichen „Uzbekistan Art and Culture Development | |
| Foundation“.] | |
| Die möchte nach eigenem Bekunden das [3][quasi neofeudal regierte | |
| Usbekistan unter dem kürzlich wiedergewählten Präsidenten Shavkat | |
| Mirziyoyew] „in der globalen Kulturszene verankern“. Und offenbar hat die | |
| Stiftung verstanden, dass es dafür eine künstlerische Sprache der Kritik | |
| bedarf. | |
| Doch die „Uzbekistan Art and Culture Development Foundation“ verfolgt in | |
| Venedig ihre eigene Politik, nämlich die eines Landes, das wirtschaftlich | |
| und diplomatisch in viele Richtungen schauen muss, auch zum Putin-Regime. | |
| In einer anderen von ihr ausgerichteten Schau mit dem Titel „Uzbekistan: | |
| Avantgarde in the Desert“ in den Räumen der venezianischen Universität Ca’ | |
| Foscari will sie eine in Europa recht unbekannte Kunst der Avantgarde aus | |
| dem zentralasiatischen Land zeigen. | |
| ## An der Hintertür wartet schon Russland | |
| Aber die Ausstellung rückt mit ihren einst aus Sowjetmoskau nach Taschkent | |
| geschickten Wassily Kandinskys und Ljubow Popowas auch das international | |
| geächtete Russland in ein positives Licht, wie der Kunsthistoriker | |
| Konstantin Akinscha kürzlich in der FAZ bemerkte. | |
| Kritik als künstlerische Haltung verschafft Credibility. Das lässt sich | |
| auch im Pavillon der Saudis beobachten. Das autoritäre Regime | |
| Saudi-Arabiens – 2023 wurden dort 170 Menschen hingerichtet – etabliert | |
| sich derzeit als Globalplayer der Kunst. Die ambitionierten Museums- und | |
| Ausstellungsprojekte, [4][die Kronprinz bin Salman mit seiner „Vision 2030“ | |
| verfolgt,] locken zunehmend Größen des Kulturbetriebs in den Wüstenstaat. | |
| In Venedig hat nun die Künstlerin Manal AlDowayan im Auftrag des saudischen | |
| Kulturministeriums blütenblattähnliche Seidenbahnen aufgehängt. Der Stoff | |
| ist mit Texten bedruckt, es sind Meinungen, Stimmen, Maßregelungen | |
| gegenüber saudischen Frauen. AlDowayans so sanft scheinendes, | |
| wüstensandfarbenes Seidenlabyrinth ist eigentlich eine Kakofonie der | |
| Restriktionen. Saudische Frauen müssen sich gegen sie offenbar tagtäglich | |
| behaupten. | |
| Wie ist das jetzt zu deuten? Lassen die Saudis in Venedig das zaghafte | |
| Mundaufmachen einer Gesellschaft zu, die vielleicht gerade einen | |
| freiheitlichen Wandel erfährt? Oder ist das nur Imagepolitik? [5][Kritiker | |
| des britisch-amerikanischen Kunstmagazins Frieze ] jedenfalls kürten den | |
| saudischen Pavillon als einen der besten auf der diesjährigen | |
| Venedig-Biennale. | |
| 8 May 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rundgang-ueber-die-Biennale-von-Venedig/!6003127 | |
| [2] /Reise-durchs-postsowjetische-Usbekistan/!5921342 | |
| [3] /Praesidentenwahl-in-Usbekistan/!5943348 | |
| [4] /Kulturarbeit-fuer-Saudi-Arabien/!5970595 | |
| [5] https://www.frieze.com/magazines/frieze-magazine | |
| ## AUTOREN | |
| Sophie Jung | |
| ## TAGS | |
| Biennale Venedig | |
| Usbekistan | |
| Saudi-Arabien | |
| Usbekistan | |
| Kunst | |
| Biennale Venedig | |
| Demokratie | |
| Biennale Venedig | |
| Kunst | |
| Biennale Venedig | |
| Biennale Venedig | |
| Biennale Venedig | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Moderne Kunst in Zentralasien: Wie Kunst und Geopolitik zusammenhängen | |
| Usbekistan und Kasachstan investieren massiv in die zeitgenössische Kunst. | |
| Welche Politik verfolgen die postsowjetischen Länder damit? | |
| Kunstbiennale in Saudi-Arabien: Betörung der unhinterfragten Schönheit | |
| Saudi-Arabien richtet in Dschidda erneut die Biennale für Islamische Kunst | |
| aus. Die Inszenierung historischer Kunstwerke stellt den Glauben allem | |
| voran. | |
| Katar bei Biennale: Broligarchie in der Lagunenstadt | |
| Das autokratisch regierte Emirat Katar darf sich jetzt einen eigenen | |
| Biennale-Pavillon in den begehrten Giardini bauen. Ein Kotau vor Geld und | |
| Öl? | |
| Sheikha Hoor al-Qasimi: Mächtige der internationalen Kunstwelt | |
| Die Sultanstochter aus einem Emirat wird 2024 von einem Londoner Magazin | |
| zur einflussreichsten Person der Kunstwelt gezählt. Hier kennt man sie | |
| kaum. | |
| Nigerianische Kunst in Venedig: Die zersplitterte Utopie | |
| Das krisengebeutelte Nigeria präsentiert sich auf der Kunstbiennale in | |
| Venedig selbstbewusst. Welches Bild will das Land von sich vermitteln? | |
| Kunstschau „Ornamenta“: Unangenehme Nähe | |
| Die „Ornamenta“ im Schwarzwald verwebt freie Kunst und Industrie. Das ist | |
| nicht neu, aber mit Hinblick auf Debatten um Kulturförderung hinterfragbar. | |
| Propalästinensische Kunst in Venedig: Das Accessoire der Stunde | |
| Auf der Biennale in Venedig kreist propalästinensische Kunst um ein | |
| Narrativ von Scholle und Wurzel. Was hat das bitte mit Kurt Cobain zu tun? | |
| Der Iran auf der Venedig-Kunstbiennale: Das Phantom von Venedig | |
| Der Rückzug Israels von der internationalen Kunstbiennale in Venedig sorgt | |
| für Kontroversen, um die seltsame Abwesenheit des Iran herrscht Schweigen. | |
| Australischer Pavillon in Venedig: Das Unsichtbare sichtbar machen | |
| Archie Moore macht mit seiner Biennale-Installation auf die Unterdrückung | |
| der Aborigines aufmerksam. Dafür erhielt der Künstler nun den Goldenen | |
| Löwen. |