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# taz.de -- Sheikha Hoor al-Qasimi: Mächtige der internationalen Kunstwelt
> Die Sultanstochter aus einem Emirat wird 2024 von einem Londoner Magazin
> zur einflussreichsten Person der Kunstwelt gezählt. Hier kennt man sie
> kaum.
Bild: Sheikha Hoor Al-Qasimi
Eine kleine Frau von zierlicher Gestalt, unauffällige Eleganz, meist mit
dicker Hornbrille. Wer Hoor al-Qasimi zum ersten Mal trifft, assoziiert
Macht am wenigsten mit ihr. Auch wenn die Kuratorin aus Schardscha, einem
der sieben Scheichtümer der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ihre
Mutter als Kind mal mit dem Wunsch überraschte, „Chef“ werden zu wollen.
Im Getümmel der internationalen Kunstszene übersieht man die leibhaftige
Sheika leicht, so unprätentiös tritt sie auf. Und doch hat es die
44-jährige Kuratorin nun an die Spitze der Liste der „Power 100“ geschafft,
der 100 mächtigsten Persönlichkeiten der Kunstwelt, die das Londoner
Kunstmagazin Art Review alljährlich im Dezember veröffentlicht. Im letzten
Jahr stand [1][die Fotografin und kontroverse Aktivistin Nan Goldin ganz
oben], im documenta-Jahr 2022 waren es ruangrupa, [2][die Kurator:innen
der umstrittenen 15. Ausgabe der Kasseler Weltkunstschau.] Die Liste der
Power 100 eines jeden Jahres zeigt eigentlich, wer in der Kunstwelt am
meisten – und auch strittig – diskutiert wird. Wer aber ist Hoor al-Qasimi?
Die Tochter von Sultan bin Muhammed al-Qasimi, dem Herrscher des winzigen
Golfemirats, wollte zunächst Malerin werden. Ein Besuch von Okwui Enwezors
documenta, 2002 in Kassel, al-Qasimi war damals 22-jährig und hatte gerade
ihr Kunststudium in London beendet, änderte alles. Nach Schardscha
zurückgekehrt, volontierte sie bei der Kunstbiennale, die ihr
kulturvernarrter Vater, ein doppelt promovierter Dichter, 1993 gegründet
hatte. Irgendwann resignierten die alten Männer, die sie leiteten und
überließen der unruhigen jungen Künstlerin das Feld, ein Jahr später
kuratierte Hoor ihre erste Biennale. Seitdem führte ihr Weg steil nach
oben.
## An der Spitze der staatlichen Sharjah Art Foundation
Qasimi erwarb ein Diplom in Kuratieren, erweiterte die Biennale um ein
jährliches „March Meeting“, etablierte Workshops für Jugendliche und form…
die Biennale von Schardscha zu einem weltweit beachteten Rollenmodell. Seit
2013 sitzt sie der neu gegründeten Sharjah Art Foundation vor, die auch
Architektur und Film fördert.
Gegründet und finanziert ist die Stiftung vom Emirat Schardscha, das
wiederum von Qasimis Vater nahezu absolutistisch regiert wird. 2023
übernahm die Frau, die sieben Sprachen spricht und nach dem unerwarteten
Drogentod ihres Zwillingsbruders Khalid noch an die Spitze von dessen
Londoner Fashion-Label trat, kurz vor dem Krebstod ihres Vorbilds Enwezor,
dessen 15. Sharjah Biennale. Eine [3][globale Kunstplattform aus dem Sand
gestampft zu haben, die Künstler:innen des Mittleren Ostens Sichtbarkeit
verschaffte], trug ihr Sitze in den Gremien von Kunsthäusern weltweit ein –
von den Berliner Kunst Werken über das PS1 in New York, vom Madrider Reina
Sofia bis zum Beiruter Ashkal Alwan. 2017 wählte die Internationale
Biennale-Assoziation sie zur Chefin, 2026 wird sie in Sydney eine der
wichtigsten Biennalen der Welt leiten.
„You slowly push the boundaries“, beschrieb al-Qasimi selbst einmal die
Möglichkeiten der Kunst und damit auch ihre eigene Rolle. Die stille
Konsequenz, mit der sie dieser in einem dafür kaum prädestinierten Raum
Terrain eroberte, ist ein Grund für ihr internationales Ansehen. Wie fragil
die damit verbundene Hoffnung ist, eine autoritäre Gesellschaft mit der
„soft power“ Kunst auf eine demokratische Spur zu heben, zeigt sich am Golf
überall. Vor zwei Wochen entfernte das katarische Mathaf-Museum die Arbeit
„Harem“ der türkischen Künstlerin İnci Eviner ohne Begründung aus einer
Schau.
Schon 2011 hatte Sheik al-Qasimi in Schardscha den palästinensischen
Biennale-Kurator Jack Persekian gefeuert, weil der eine sexuell konnotierte
Arbeit des algerischen Künstlers Mustapha Benfodil abgesegnet hatte. Auch
später soll die Sharjah Biennale Augenzeug:innen zufolge heikle
Künstler:innen wieder ausgeladen haben. Spätestens an diesen
„boundaries“ endet die Macht der derzeit mächtigsten Person der Kunstwelt.
5 Dec 2024
## LINKS
[1] /Kunstsymposium-nach-Nan-Goldin-Protesten/!6048290
[2] /Antisemitismus-auf-der-documenta15/!5900093
[3] /Art-Washing-aus-Schardscha/!5910828
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
Demokratie
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