| # taz.de -- Kunstschau „Ornamenta“: Unangenehme Nähe | |
| > Die „Ornamenta“ im Schwarzwald verwebt freie Kunst und Industrie. Das ist | |
| > nicht neu, aber mit Hinblick auf Debatten um Kulturförderung | |
| > hinterfragbar. | |
| Bild: Sollte freie Kunst für Industrie und Markt gemacht sein? Blick in Ausste… | |
| Kürzlich eröffnete im Nordschwarzwald die Kunstschau „Ornamenta“. Sie soll | |
| fortan alle fünf Jahre stattfinden und zeigt [1][Kunst] und Designobjekte | |
| an wunderbar abseitigen Orten. „Ornamenta“, das klingt nach [2][documenta] | |
| fürs Kunsthandwerk. Und ein bisschen ist es das auch. Das | |
| Ausstellungsprojekt wurde 1989 von der damals einbrechenden Pforzheimer | |
| Schmuckindustrie ins Leben gerufen. | |
| Auch jetzt sind sich in der Neuauflage der „Ornamenta“ Industrie und Kunst | |
| unangenehm nahe. Für einen Platz im Städtchen Nagold entwarf die | |
| Schriftgestalterin Charlotte Rohde eine Sonnenuhr, angefertigt ist sie vom | |
| regionalen Unternehmen Perrot, das auch die Turmuhr der gigantomanen | |
| Big-Ben-Kopie in Mekka herstellte. Im Reuchlin-Museum stellt Designerin | |
| Nanna Doll goldene Gesichtsspangen aus, angefertigt sind sie von einer | |
| Firma für kieferorthopädische Produkte. | |
| Angewandte Kunst wird für einen Markt und die Industrie gemacht, doch die | |
| „Ornamenta“ zeigt auch immer wieder freie Kunst. Wenn etwa Künstlerin | |
| Wiktoria Wojciechowska in einem neobarocken Thermalbad dazu auffordert, | |
| zur Entspannung mal das eigene Handy abzulegen, und als Alternative einen | |
| Dummy aus Kristallgestein anbietet, dann wird man sich kurz der eigenen | |
| Medien- und Objektabhängigkeiten bewusst. Ein psychologisches, auch | |
| performatives Moment, das doch standesgemäß die freie Kunst herausarbeitet. | |
| Die documenta, mit der sich die „Ornamenta“ schon dem Namen nach | |
| vergleicht, zeigte auch mal Design. 1964 ließ Arnold Bode in Kassel | |
| Produkte der Firmen IBM und Braun ausstellen. Doch solch eine klare | |
| Verbindung von Industrie und Kunst hat sich in den letzten Jahrzehnten bei | |
| groß angelegten Ausstellungsprojekten institutionell eher aufgelöst. | |
| ## Möglichst frei und ungebunden | |
| Die Findungskommission der documenta ist etwa als eine autonome Instanz | |
| eingerichtet worden, um in ihrem Auswahlprozess für eine künstlerische | |
| Leitung eine freie Kunst eben möglichst frei bleiben zu lassen, ungebunden | |
| von politischen und wirtschaftlichen Interessen. | |
| Auch Unternehmen greifen bei Förderung und Sponsoring von Kunst selten in | |
| ihre Inhalte ein, wenn sie Kunstpreise ausloben oder Ausstellungshäuser | |
| stiften. Die eigentlichen Unternehmensaktivitäten sind dann häufig gar | |
| nicht mehr kenntlich, was ihnen auch den Vorwurf des art washing einbringt. | |
| Bei der „Ornamenta“ hingegen kann selbst die freie Kunst zu einem | |
| Firmenprodukt werden. | |
| Es wird gerade [3][viel über die Rolle der freien Kunst in der | |
| Kulturförderung diskutiert]. Ein Verständnis von ihr als Ausführgehilfe der | |
| Industrie sollte sich dabei besser nicht verbreiten. | |
| 14 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sophie Jung | |
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