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# taz.de -- Kunstbiennale in Saudi-Arabien: Betörung der unhinterfragten Schö…
> Saudi-Arabien richtet in Dschidda erneut die Biennale für Islamische
> Kunst aus. Die Inszenierung historischer Kunstwerke stellt den Glauben
> allem voran.
Bild: Wenn hier nicht die Biennale für Islamische Künste stattfindet, versamm…
Dschidda, das ist die saudische Hafenstadt am Roten Meer, das Einfallstor
der Pilgerströme ins nahe, nur 60 Kilometer entfernte Mekka. Hier findet
die zweite Biennale der Islamischen Künste statt, mit dem erklärten Ziel
„zu untersuchen, wie der Glaube erlebt, ausgedrückt und gefeiert wird durch
Fühlen, Denken und Handeln“.
So hat es die saudi-arabische Stiftung vorab erklärt, die diese Biennale
veranstaltet. Die Diriyah Biennale Foundation, so der Name der Stiftung,
die auch eine Biennale für zeitgenössische Kunst ausrichtet, ist dem
Kulturministerium nachgeordnet. Das wird wiederum von einem Mitglied der
Herrscherfamilie Saud geleitet.
In Dschidda belässt man es im Ungefähren, ob nun islamisch-religiöse
Kunstwerke gemeint sind oder solche, die in mehrheitlich islamischen
Ländern geschaffen wurden. Das ist ein Unterschied – wenn auch vielleicht
nur im westlich-aufgeklärten Denken, das den spirituellen Gehalt eines
Objekts nicht unhinterfragt gelten lässt.
Aber der westliche Betrachter ist auch gar nicht der Adressat dieser
beeindruckenden Schau, so viele Journalisten aus Europa kürzlich auch zur
Besichtigung eingeflogen wurden. Die erste Islam-Biennale vor zwei Jahren
verzeichnete 600.000 Besucher, liegt doch ihr Veranstaltungsort im Western
Hajj Terminal, einer Hälfte des nur für die jährliche Hauptsaison der
Pilgerfahrt nach Mekka errichteten Flughafenterminals.
Bemerkenswerte Kunstgegenstände
Das ist eigentlich nur ein riesiges Zeltdach, unter dem die Ankommenden
lagern, sich erfrischen und schließlich den Bus nach Mekka besteigen oder
wahlweise eben eine Ausstellung besichtigen, die ihnen die gänzlich
unhinterfragte Schönheit ihrer Religion in deren bemerkenswertesten
Kunstgegenständen vor Augen stellen will. Was machen da schon ein paar
kritische Westler?
Dabei gibt es nichts zu kritisieren, jedenfalls nicht auf der Ebene der
Objekte selbst. Denn die gut 500 Ausstellungsstücke, die
Koran-Handschriften, die Astrolaben und Himmelsgloben, die Kalligrafien und
farbigen Fliesen, die philosophischen Manuskripte, die hier ausgestellt
werden, sind genau die Objekte, die die Museen Islamischer Kunst in Paris,
New York oder Berlin vorführen. Nur dass die Biennale in Dschidda sie als
Hervorbringungen und zugleich Lobpreis der Religion vereinnahmt.
Das vielköpfige Kuratorenteam hat eine stringente Inszenierung unter dem
Zeltdach des Hajj-Terminals aufgebaut. Das Dach stammt übrigens vom
US-amerikanischen Großbüro SOM (Skidmore, Owings and Merrill), das sonst
weltweit Bürohochhäuser entwirft.
Sein 1981 fertiggestelltes Terminal ist riesig, es besteht aus insgesamt
102 an stählernen Stützen aufgehängten, konisch aufsteigenden
Gewebedächern. Der Boden des Terminals ist, man staunt, der unbedeckt
belassene Erdboden der kargen Landschaft. Teils unter das Zeltdach, teils
darunter hervorlugend sind die kubischen Ausstellungshallen gebaut.
Das Erlebnis der Kaaba
Der Glaube, das besagt die Abfolge der Ausstellungskapitel, geht allem
voran. So beginnt der Rundgang mit „Albidayah“, Anfang, das das Erlebnis
der Kaaba in Mekka so weit als möglich vorstellt. Sie ist das Heiligtum des
Islam, die physische Materie gewordene Präsenz Gottes. Ihr Geheimnis, ihre
Nicht-Erklärbarkeit sichert ihren Rang als Bezugspunkt des Glaubens.
Doch natürlich will auch der Glaube Objekte, auf die er sich beziehen kann.
So nimmt eine hölzerne, fahrbare Treppe den ersten Blick in der Ausstellung
gefangen. Geschenk eines indischen Regionalfürsten im Jahr 1826, diente die
Treppe höchsten Würdenträgern dazu, die Kaaba hoch oben durch einen
schmalen Einstieg zu betreten.
Als nächstes Objekt fällt ein riesiger Koran ins Auge, ein reich verziertes
nordindisches Werk aus derselben Zeit. Islam ist Wort, unverrückbar und
immer wieder abgeschrieben. Dann, von der eleganten Ausstellungsgestaltung
des niederländischen Architekturbüros OMA geleitet, wandelt man unter den
von der Decke dicht gestaffelt hängenden Vorhängen her, die in alljährlich
neu gewebten Exemplaren die Kaaba verhüllen.
Gegründet von dem prägenden Architekten Rem Koolhaas, plant das Büro OMA
neben avantgardistischen Bauten wie der Mailänder Fondazione Prada auch für
Autokratien, am bekanntesten ist das waghalsige Fernsehzentrum in Peking.
Meisterliche Inszenierung
Aber die Inszenierung von OMA ist meisterlich. Die volle Raumhöhe von rund
15 Metern bleibt unverändert, so dass die Lichtmenge der in den
transluzenten Stoffbahnen verborgenen Strahler nach oben hin abnimmt,
während die Objekte deutlich, aber nicht effekthascherisch von Spots
ausgeleuchtet werden. Es ist Überrumpelungsästhetik, unmissverständlich
wird die Religion als Quelle der in den gezeigten Objekten materialisierten
Schönheit vorgeführt.
Solchermaßen eingestimmt, erwartet den Besucher im folgenden Komplex
„Almadar“, vielleicht zu übersetzen mit „Umlaufbahn“, die intellektuel…
Dimension des Islam – Mathematik, Astronomie, Philosophie – bekanntlich in
alle Gebiete hinein.
Vom kulturellen Austausch in der weiten Region von Mittelmeer und
Vorderasien, wie sie seit Jahren in transnationaler Zusammenarbeit, etwa am
Kunsthistorischen Institut in Florenz, erforscht wird, ist hier nicht die
Rede. Das schmälert weder Bedeutung noch Schönheit des einzelnen Objekts,
unterstreicht aber einen Ausschließlichkeitsanspruch, der keinen
Erklärungsansatz als den eigenen zulässt. Aus 44 Sammlungen stammen die
Astrolaben, Himmelsgloben und reich ausgeschmückten Landkarten, die
Handschriften, nochmals kostbarer durch die Annotationen, die
Wissenschaftler in den studierten Texten hinterlassen haben.
Ordnung und Symmetrie
Zahlen, belehrt uns ein Ausstellungstext, dienten dem Verständnis der
göttlichen Schöpfung und bringen Ordnung, Symmetrie und Schönheit ins
tägliche Leben. Auch die Bibliothek des Vatikan beteiligt sich unter
anderem mit dem Rarissimum eines in hebräischer Schrift geschriebenen
Korans aus Sizilien von 1406 als Leihgeber. Das erfüllt offenbar den Wunsch
des saudischen Kulturministeriums, mit Partnern aus möglichst vielen
Ländern zu kooperieren; hier sind es 23. Auch eine Institution aus
Jerusalem zählt dazu, geführt unter „Palästina“.
Im dritten Kapitel „Almuqtani“, Huldigung, wird’s ganz weltlich. An einig…
Stellen blitzt der Kontakt der Kulturen auf, so anhand eines Kurzschwerts
des 13. Jahrhunderts, das im damaligen Deutschen Reich der Stauferkaiser
gefertigt wurde und dann über den in Süditalien residierenden Friedrich
II., 1229 Eroberer von Jerusalem, in ebendiese Weltgegend gekommen sein
muss.
Diese historischen Objekte stellen einen schieren Reichtum zur Schau. Auch
die Militaria dienten wohl nicht dem konkreten Kriegsgeschehen, wie die
Gesichtsmaske aus silberverziertem Messing, die im 13. Jahrhundert nach der
Invasion der Mongolen in Persien gefertigt wurde, unnütz auf dem
Schlachtfeld, beeindruckend bei Paraden.
Schließlich wird man ins Freigelände entlassen, auf dem sich ein Großteil
der 29 zeitgenössischen Auftragsarbeiten eher verliert. Imran Qureshi aus
Pakistan lockt dort zum Chillen auf bunte, sanft federnde Matten. Allein
der Japaner Takshi Kuribayashi erinnert mit seinen gestapelten Ölfässern an
den Ursprung des nationalen Reichtums, dem sich, wie alles hier, die
Biennale verdankt.
Minimodell der Kaaba
Und in einem eigenen Pavillon umgibt Ahmed Mater, der wohl wichtigste
saudische Gegenwartskünstler, ein Minimodell der schwarzen Kaaba mit
Metallspänen. Sie richten sich alle auf einen Magneten in der Minikaaba
aus: ein bezwingendes Bild der Anziehungskraft des realen Heiligtums, die
dem Nichtgläubigen nur vorgeführt, aber kaum vermittelt werden kann.
In dieser Zwischenzone von Glauben und Wissen, von Spirituellem und
Kognitiven bewegt sich die Islamic Arts Biennale. Ihr Titel lautet „And All
That Is In Between“, alles, was dazwischen ist, nämlich zwischen Himmel und
Erde, wie es im Koran gleich zwanzig Mal heißt. Warum es jedoch in Dschidda
keine wirkliche Verbindung zwischen all den dort ausgestellten
Kostbarkeiten der Vergangenheit und der Gegenwart gibt, diese Frage stellt
die Biennale nicht.
Der Autor reiste auf Einladung der Diriyah Biennale Foundation nach
Dschidda.
24 Feb 2025
## AUTOREN
Bernhard Schulz
## TAGS
Kunst
Islam
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