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# taz.de -- Anwältin Stella Assange über Ehemann: „Julian kämpft ums Über…
> Seit vier Jahren ist Wikileaks-Gründer Julian Assange in England im
> Gefängnis. Seine Anwältin und Ehefrau Stella Assange über die
> verheerenden Haftbedingungen.
Bild: „Julian ist ein politischer Gefangener“: Stella Assange bei einer Dem…
taz: Heute jährt sich die Verhaftung von Ihrem Ehemann, Julian Assange, zum
vierten Mal. Wie war seine Stimmung, als Sie ihn das letzte Mal gesehen
haben?
Stella Assange: Er kämpft um sein Überleben. Er befindet sich seit vier
Jahren in einer Hochsicherheitseinrichtung in Belmarsh. Ohne verurteilt
worden zu sein. Und auch im Vereinigten Königreich wurde er noch nicht
angeklagt. Er ist in Auslieferungshaft, die von den [1][USA] beantragt
wurde. Ohne Enddatum.
Wie oft können Sie ihn derzeit in London sehen?
Ein- bis zweimal pro Woche. Es ist das strengste Gefängnis in
Großbritannien. Es gibt unterschiedliche Rangordnungen. Aber diesem
Gefängnis mangelt es an Geld, Personal und Ausrüstung. Es ist einfacher,
jeden als gefährlichen Kriminellen zu behandeln. Auf dem Papier hat Julian
bestimmte Rechte. Zum Beispiel, jeden Tag Besuch zu empfangen. Und in
Untersuchungshaft zu arbeiten. Aber in Wirklichkeit wird er wie ein
Sträfling behandelt. Er hat die Einschränkungen eines Schwerverbrechers.
Wie kann man sich seinen Alltag im Gefängnis vorstellen, wie groß ist
beispielsweise seine Zelle?
Sie ist drei mal zwei Meter groß. Er muss mindestens 20 Stunden pro Tag in
der Zelle bleiben. Besucher dürfen 75 Minuten bleiben. Die Häftlinge dürfen
höchstens eine Stunde lang nach draußen. Dann muss er sich Essen holen und
es in der Zelle alleine essen. Alle paar Tage darf er duschen. Es gibt
einen gemeinsamen Fernsehraum, und er erhält Bücher. Jeden Tag darf er
telefonieren. Es gibt einen Computer, aber ohne Internet- oder
Schreibfunktion. Eine Art pdf-Reader. Einmal in vier Jahren durfte er ins
Fitnessstudio gehen. Und einmal zum Fußballspielen, als der Minister zu
Besuch kam.
Vor einem Jahr haben Sie Assange im Gefängnis geheiratet. Sie haben zwei
gemeinsame Kinder. Wie ist das für sie, dass ihr Vater so lange im
Gefängnis sitzt?
Es ist hart. Sie sind jetzt vier und fünf. Aber wir machen es so positiv
und lustig wie möglich. Sie sind alt genug, um Erinnerungen zu entwickeln.
Und wir wissen nicht, wie lange wir zusammen sein können. Denn Julian
könnte innerhalb weniger Wochen abgeschoben werden.
Dann müssten Sie ihn in den USA treffen.
In den USA wird er in extremer Isolation leben. Wir würden ihn nur einmal
im Monat sehen.
Wie unterscheiden sich die Gefängnisse in den USA von denen im Vereinigten
Königreich?
In den USA sind jeden Tag achtzigtausend Menschen in ständiger Isolation.
Das kommt oft vor, und das ist laut UNO Folter. Die Bedingungen sind
schrecklich. Es gibt medizinische Informationen aus der
Auslieferungsanhörung, dass Julians Leben in den USA enden wird.
Wie das?
Es wird dazu führen, dass er Suizid begeht. In Großbritannien kann er mich
und seine Kinder empfangen und sich gegen die Auslieferung wehren. Hier ist
er nicht zu einer schrecklichen Hölle verdammt.
Ihr Mann wird seit vier Jahren in Großbritannien festgehalten, davor war er
lange in der ecuadorianischen Botschaft mit politischem Asyl und konnte
nicht nach draußen gehen. Warum ist er weiterhin inhaftiert?
Julian ist ein politischer Gefangener. Und er bleibt so lange im Gefängnis,
wenn verschiedene Länder damit weiter durchkommen. Meine Familienmitglieder
und ich sprechen mit der Presse und finden das inakzeptabel. Kein
demokratisches oder freies Land steckt Menschen für ihre Ideen oder die
Veröffentlichung der Wahrheit ins Gefängnis.
Er hat über Kriegsverbrechen im Irak, in Afghanistan und in Guantanamo Bay
berichtet. Warum ist das den USA und Großbritannien ein Dorn im Auge?
Weil er aufgedeckt hat, was sie falsch gemacht haben. Und dann wird ein
bekannter Trick angewandt: Man lenkt von den eigenen Verbrechen ab und gibt
dem Messenger die Schuld. Natürlich sollten die Vereinigten Staaten
Personen strafrechtlich verfolgen, die für das US-Militär arbeiteten und
die zwei Reuters-Reporter und zehn weitere Zivilisten aus einem
Hubschrauber heraus töteten. Diese Kriegsverbrechen konnten auf
Videobeweisen von einer Straße in Bagdad aus beobachtet werden. Die einzige
Person, die für die Veröffentlichung von US-Kriegsverbrechen an
abertausenden irakischen Zivilisten ins Gefängnis kam, war Julian Assange.
Kürzlich haben sich führende Tageszeitungen aus aller Welt öffentlich
Sorgen um Julian Assange gemacht. Hat sich die Unterstützung für Ihren
Ehemann in letzter Zeit verändert?
Es gibt einen großen Unterschied. Es gibt eine Menge Unterstützung von
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights
Watch und Reporter ohne Grenzen. Dem Europarat, von dem UN-Hochkommissar.
Und von Staatsoberhäuptern, wie denen von Mexiko und Brasilien. Der
australische Premierminister hält Julians Haftzeit nun für zu lang. Genug
ist genug, sagte er. Der Premierminister sieht nicht ein, wozu das alles
gut sein soll. Julian sollte freigelassen werden.
Glauben Sie, dass die Pressefreiheit gefährdet ist?
Die Pressefreiheit ist immer in Gefahr. Die Zeitungen haben nur langsam
herausgefunden, was Julian eigentlich vorgeworfen wurde. Und die
Trump-Administration hat dem Espionage Act neues Leben eingehaucht. Dieser
gilt nun für den Empfang, den Besitz und die Weitergabe von
Verschlusssachen an die Öffentlichkeit. Das wird jetzt als Verbrechen
betrachtet.
Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1917.
Ja, und es war absichtlich vage formuliert. Tatsächlich hatte die Regierung
es nie gegen die Presse eingesetzt. Bis Präsident Obama es aggressiv gegen
die Quellen von Journalisten einsetzte, gegen Whistleblower wie Chelsea
Manning und Edward Snowden. Aber nicht gegen Julian Assange und
[2][Wikileaks]. Selbst während des Kalten Kriegs, als geheime
Verteidigungsinformationen an die Öffentlichkeit gelangten, war dieses
Gesetz nicht angewandt worden. Präsident Trump jedoch wollte die Presse auf
diese Weise angreifen.
Es geht um den Unterschied zwischen Whistleblowern und Verlegern.
Ja. Ein Teil der Verwirrung und Unklarheit besteht darin, dass Wikileaks
und Julian als Whistleblower angesehen wurden. Er ist kein Hinweisgeber,
kein Insider, sondern ein Verleger. Er hat Informationen von Whistleblowern
erhalten. Das ist der Kern des journalistischen Geschäfts, Informationen zu
veröffentlichen, wenn sie wichtig sind. Die konzeptionelle Faulheit, Julian
als Whistleblower zu sehen, seine Aktivitäten als ununterscheidbar von
anderen Medien zu betrachten, hat dazu geführt, dass sein Fall
missverstanden wurde.
Wie meinen Sie das?
Es wurde angenommen, dass Julian des Whistleblowings beschuldigt wird. Das
ist er aber nicht. Er ist als Verleger angeklagt worden. Aus diesem Grund
haben [3][Le Monde], [4][The Guardian] und [5][The New York Times] vor
kurzem eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Darin erklären sie, dass
das Verfahren gegen Wikileaks ein Verfahren gegen die Presse und die
journalistische Tätigkeit ist. Die US-Regierung betrachtet die
Kommunikation mit solchen Hinweisgebern als Verschwörung.
Wie wird es weitergehen?
Wir warten im Vereinigten Königreich ab, ob der High Court eine Berufung
zulässt. Danach gibt es noch den Obersten Gerichtshof und den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte. Aber nach dem Brexit ist unklar, ob das
Vereinigte Königreich diesen Gerichtshof noch akzeptieren wird. Auf dem
europäischen Kontinent gibt es mehr Rechtsverständnis.
Sie brauchen politische Verbündete, um Ihrem Mann zu helfen. Was ist Ihr
Plan?
Ich finde es leicht, Verbündete zu finden. Denn Julian steht für
demokratische Grundbedingungen. Die freie Presse, die Missstände
anprangert, die Regierungen beobachtet, wenn Verbrechen begangen werden,
die Beweise der Opfer zeigt. Er hat Missbrauch und Folter ertragen. Was er
getan hat, war ein Ausdruck von Demokratie und Pressefreiheit in
Reinkultur. Die Gegenreaktion gegen ihn ist das Gegenteil. Es ist nicht so,
dass wir uns mit ihm zusammensetzen können und dann wird alles wieder
normal. Nein, der Fall von Julian ist ein Präzedenzfall. Jeder muss sich
damit auseinandersetzen. Es ist ein neues Paradigma: Man kann jemanden ins
Gefängnis werfen, wenn er die Wahrheit aufdeckt. Wenn er Informationen
veröffentlicht, die zeigen, dass der Staat seine Macht missbraucht.
Der ehemalige CIA-Chef Mike Pompeo sieht Wikileaks als Staatsfeind.
Jetzt wird er [6][in der CIA], im nationalen Sicherheitsrat und in der
Regierung nicht mehr ernst genommen. Pompeo hat angeblich Pläne gemacht,
Julian zu entführen und zu töten. Aber dazu kam es nicht, weil es
Gegenkräfte gab, auch in der Trump-Administration. Die sagten, das sei
geistesgestört. In allen amerikanischen Regierungen war dies sehr
umstritten und unpopulär.
Muss sich die Regierung Biden zu diesem Fall positionieren?
Ja, in der Tat. Denn dieser Fall stellt eine wichtige Veränderung in den
USA dar. Es gab einen Konsens über die Pressefreiheit. Aber jetzt gibt es
Präzedenzfälle, und man darf nicht vergessen: Die USA sind eine Supermacht.
Aber es gab wichtige Schutzmechanismen für die Presse- und
Meinungsfreiheit. Dieser Fall reißt ein großes Loch in den Ersten
Verfassungszusatz. Bidens Regierung muss sich entscheiden, ob sie der
Trump-Linie folgt und die Pressefreiheit untergräbt, oder der Obama-Linie,
bei der die Presse nicht geknebelt wird. Aber jetzt stehen Wahlen an, und
die Dinge laufen nicht gut für die Demokraten. Dieser Fall wird immer als
Druckmittel eingesetzt werden. Die Existenz dieses Falles hängt wie ein
Damoklesschwert über der Presse.
Was ist die Konsequenz?
Schon jetzt sagen Anwälte den Medien, wenn es um sensibles Material von
Whistleblowern geht: Ihr könnt das nicht veröffentlichen. Kümmert euch
einfach um den Fall Assange. Sie riskieren eine Gefängnisstrafe oder teure
Gerichtsverfahren. Das ist das neue Umfeld für die Presse, in dem wir
leben.
Passiert das bereits oder ist es nur eine Drohung?
Die Existenz der neuen Vorschriften, die eine Anklage wegen einer
Veröffentlichung vorsehen, ist eine Bedrohung. Jeder Verleger muss eine
Risikoanalyse machen, ob es sich lohnt. Das bestimmt die Entscheidungen in
den Redaktionen.
11 Apr 2023
## LINKS
[1] /Klage-gegen-Wikileaks/!5897267
[2] https://wikileaks.org/
[3] https://www.lemonde.fr/
[4] https://www.theguardian.com/international
[5] https://www.nytimes.com/subscription/all-access?campaignId=8HHXJ&ds_c=7…
[6] /USA-gegen-Wikileaks-Gruender-Assange/!5871968
## AUTOREN
Rob Savelberg
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