Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Claudia Roth über Julian Assange: „Freilassung wäre ein gutes S…
> Dass Angriffe auf Journalisten zunehmen, bereite ihr Sorgen, sagt
> Kulturstaatssekretärin Roth. Sie würde die Freilassung von Assange
> begrüßen.
Bild: Stella Assange kämpft für die Freilassung ihres Mannes, hier mit Claudi…
taz: Frau Roth, die Generalversammlung der UNO hat 1994 den 3. Mai zum
Internationalen Tag der Pressefreiheit erklärt. Deutschland wird im
vergangenen Jahr von der Lobbyorganisation Reporter ohne Grenzen nur auf
Platz 16 gelistet, die neue Listung kommt am Mittwoch. Warum sind wir nicht
weiter vorne?
Claudia Roth: [1][Reporter ohne Grenzen] und auch mir macht Sorgen, dass
immer häufiger Journalist*innen bei Demonstrationen angegriffen werden;
das war vor allem bei den Demos der Corona-Leugner*innen der Fall. Eine
ganz gefährliche Entwicklung. Wer Journalist*innen verbal und physisch
angreift und damit einschüchtern will, der hat keinen Respekt für die
Demokratie. Demokratie funktioniert nur mit Pressefreiheit.
Wie kann sich Deutschland in puncto Freiheit der Medien verbessern?
Wenn es um die Angriffe auf Journalist*innen geht: Die Polizei vor Ort
muss ganz unmissverständlich das Recht der Journalist*innen schützen,
Demonstrationen zu beobachten und über sie zu berichten. Hier sind vor
allem die Bundesländer gefragt, das Personal der Polizei zu sensibilisieren
und zu schulen. Mein Haus unterstützt mit einem Förderprogramm unter
anderem ein Projekt des Deutschen Presserats, der gemeinsam mit
Journalist*innen an Polizeischulen über die Aufgabe von Medien, deren
Arbeitsweisen und Berufsethik informiert.
Es gibt aber noch weitere Kritikpunkte von Reporter ohne Grenzen …
Ja, zum Beispiel dass die Auskunftsrechte der Presse gegenüber Bundeshörden
noch nicht geregelt sind. Wir haben uns als Bundesregierung vorgenommen,
diese auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Es gibt zwar
Landesmediengesetze, und ein Auskunftsrecht wird auch direkt aus dem
Grundgesetz abgeleitet. Dennoch braucht es hier auch eine Rechtsgrundlage
auf Bundesebene.
Wenn ein mächtiger [2][Medienmanager wie Mathias Döpfner], Geschäftsführer
beim Axel-Springer-Verlag, den Chefredakteur der größten Zeitung des
Landes, der Bild-Zeitung, eindringlich auffordert, im Wahlkampf etwas für
die FDP zu tun: Sehen Sie darin eine Verletzung der Pressefreiheit?
Hier versucht nicht der Staat die freie Berichterstattung zu verhindern,
sondern ein Eigentümer und Verleger will offenkundig direkt Einfluss auf
die journalistische Arbeit nehmen. Es geht um die Rolle von Medien in
Wahlkämpfen in einer Demokratie. Da ist vor allem die Presse gefragt, sich
damit kritisch auseinanderzusetzen, wenn das in ihren Reihen vorkommt – was
viele Medien in diesem Land ja auch zu Recht getan haben.
In Ländern wie Russland oder China existiert keine Pressefreiheit. Wie
steht es um die Pressefreiheit weltweit?
Die Pressefreiheit ist leider weltweit zunehmend unter Druck.
Journalist*innen werden immer häufiger zur Zielscheibe von Diktatoren
und Antidemokrat*innen. Sie sind für die potemkinschen Propaganda-Dörfer in
Moskau, Kabul, Teheran und anderswo eine Gefahr. Gerade weil die
Medienfreiheit die Lebensgrundlage der Demokratie ist, stehen wir auch in
einer besonderen Verantwortung für die Journalist*innen. Wir haben das
Thema unter der deutschen G7-Präsidentschaft auf die Tagesordnung gesetzt.
Was tun Sie noch?
Wir haben gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen, der Rudolf-Augstein- und der
Schöpflin-Stiftung einen Fonds, den JX-Fund, geschaffen für
Journalist*innen, die hier bei uns in Deutschland Aufnahme finden und ihrer
journalistischen Tätigkeit in den Herkunftsländern weiter nachgehen wollen.
Wir müssen beim Thema Pressevielfalt und Pressefreiheit auch die
Entwicklungen in Deutschland und in Europa sehr wachsam verfolgen. Deswegen
unterstütze ich zum Beispiel auch den aktuell durchaus kontrovers
diskutierten Entwurf eines European Media Freedom Act. Denn auch wenn er
noch verbesserungswürdig ist, ist er doch die konsequente europäische
Antwort auf Entwicklungen, denen wir als europäische Demokraten nicht
zusehen dürfen.
Der australische Journalist und Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks,
Julian Assange, sitzt seit über vier Jahren in einem britischen
Hochsicherheitsgefängnis, weil ihn die US-Regierung ausgeliefert haben
will. Er soll wegen angeblicher Spionage vor Gericht gestellt werden –
zugleich lobt natürlich auch der amerikanische Präsident den Wert der
Pressefreiheit. Ist das nicht eine peinliche Doppelmoral?
Legitime Sicherheitsinteressen des Staates an einer Geheimhaltung sind zwar
anzuerkennen, sie dürfen aber nicht pauschal das öffentliche Interesse an
Informationen überwiegen. Julian Assange hat über Wikileaks
Kriegsverbrechen und Verbrechen der US Armee gegen die Menschlichkeit
veröffentlicht. Wie ich finde: Zu Recht! Denn die Öffentlichkeit muss von
solchen Verbrechen erfahren können. Ich kann mir kein Sicherheitsinteresse
vorstellen, das im Fall solcher Verbrechen überwiegen könnte. Auf
rechtsstaatlicher Ebene ist es derzeit Aufgabe der Gerichte, diesen Fall
juristisch zu beurteilen. Hier muss klar sein, dass die Menschenrechte von
Julian Assange gewahrt bleiben – dies gilt ebenso für seinen Anspruch auf
ein faires Verfahren vor US-amerikanischen Gerichten als auch auf
menschenwürdige Haftbedingungen in Großbritannien. In demokratischen
Staaten muss auch psychische Folter ausgeschlossen sein. Berichte wie die
des ehemaligen UN-Sonderbeauftragten für Folter, Nils Melzer, wonach Julian
Assange in der britischen Einzelhaft die für Opfer psychischer Folter
typischen neurologischen, kognitiven und emotionalen Symptome zeige,
bereiten mir deshalb Sorge.
Fordern Sie die Freilassung von Assange, wie das auch bereits die
Präsidenten von Brasilien, Mexiko und anderen Ländern getan haben?
Ich nehme das Thema sehr ernst und verfolge es stetig. Dennoch gehört zum
Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch dazu, dass ich
mich, als Teil der Exekutive, nicht zu anhängigen Gerichtsverfahren in
anderen demokratischen Rechtsstaaten äußere, wozu ich Großbritannien und
die USA zähle.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat vor der letzten
Bundestagswahl die „sofortige Freilassung“ von Assange gefordert. Wie ist
Ihre Position: Soll der Journalist Assange freigelassen werden, Ja oder
Nein?
Eine Freilassung von Assange wäre ein gutes und wichtiges Signal für die
Pressefreiheit.
Eine Gruppe von Journalist*innen, die Sie konkret unterstützen, sind nach
Deutschland geflüchtete Journalist:innenn aus Russland und der Ukraine.
Welche Auswirkungen auf die Pressefreiheit hat der Krieg in der Ukraine?
Der Angriff des Putin-Regimes ist auch ein Angriff auf die Pressefreiheit.
Mein Haus hat dabei mitgewirkt, regimekritischen – und daher besonders von
politischer Verfolgung bedrohten – russischen Medienschaffenden die
Einreise sowie einen längerfristigen Aufenthalt in Deutschland zu
ermöglichen. Sie können hier in ihrem Beruf weiterarbeiten. Ich bin froh,
dass wir ihnen in Deutschland einen sicheren Ort bieten können und sich die
Exilszene hier findet und vernetzt.
Aber können Sie damit nachhaltig helfen oder ist das nur ein Tropfen auf
den heißen Stein?
Mit der Förderung des Europäischen Fonds für Journalismus im Exil und des
Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit konnten wir 2022 über
900 Medienschaffenden Unterstützung anbieten. Das war schon mal nicht
schlecht, und das können wir in diesem Jahr fortführen und weiter ausbauen.
Wir haben zusammen mit dem Auswärtigen Amt die Hannah-Arendt-Initiative ins
Leben gerufen. Sie soll Journalistinnen und Journalisten, Medienschaffenden
sowie Verteidigerinnen und Verteidigern der Meinungsfreiheit in Krisen- und
Konfliktgebieten im Ausland und im Exil in Deutschland unterstützen und
schützen – in einem ersten Schritt geht es um gefährdete Journalistinnen
und Journalisten aus Afghanistan, Ukraine, Russland und Belarus. Das ist
ein guter Anfang, finde ich. Journalist*innen aus diesen Ländern machen
uns noch stärker bewusst: Demokratie und Medienfreiheit sind Schwestern.
Sie gehören zusammen.
2 May 2023
## LINKS
[1] /Fake-News-und-Hass-in-Brasilien/!5921970
[2] /Stuckrad-Barres-MeToo-Roman/!5928991
## AUTOREN
Michael Sontheimer
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
Julian Assange
Claudia Roth
Whistleblower
GNS
Julian Assange
Julian Assange
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Pressefreiheit
taz lab 2024
Whistleblower
Joe Biden
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wikileaks und Informationsfreiheit: Assanges letzter Rechtsweg?
Ein Gericht soll entscheiden, ob Julian Assange ein Recht auf Berufung hat.
Seine Frau erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen die CIA.
Assange-Solidarität in London: Ein Tory sagt, wie es ist
Ende Februar wird in Großbritannien über die Auslieferung von Julian
Assange in die USA entschieden. Über ein Treffen in der Conway Hall.
Annalena Baerbock und Julian Assange: Unbefriedigende elf Seiten
Im Wahlkampf setzte sich die Grüne Baerbock für Julian Assange ein. Als
Außenministerin tut sie zu wenig für den inhaftierten Journalisten.
Pressefreiheit in Deutschland: Abstieg um fünf Plätze
Im Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen rutscht Deutschland
auf Rang 21 ab. Hauptproblem sind mehr Angriffe auf Medienschaffende.
Das taz lab 2023 im Live-Ticker: „Was diese Welt mir liefert“
Robert Habeck und Saskia Esken, Harald Welzer, Igor Levit und viele andere
kamen zum taz lab 2023. Nach vielen Diskussionen geht das Forum zu Ende.
Anwältin Stella Assange über Ehemann: „Julian kämpft ums Überleben“
Seit vier Jahren ist Wikileaks-Gründer Julian Assange in England im
Gefängnis. Seine Anwältin und Ehefrau Stella Assange über die verheerenden
Haftbedingungen.
Joe Bidens Regierungsdokumente: Ein Sack Reis in der Garage
Die Aufregung um Joe Bidens Regierungsdokumente ist übertrieben. Zu viel
Material wird als geheim eingestuft – und die USA haben größere Probleme.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.