# taz.de -- USA gegen Wikileaks-Gründer Assange: Klage gegen die CIA | |
> Wenn Julian Assange im Botschaftsasyl Besuch bekam, sollen die USA | |
> mitgehört haben. Nun klagen vier US-Bürger*innen deshalb gegen die CIA. | |
Bild: Julian Assange am Fenster der Botschaft Ecuadors 2012 in London | |
BERLIN taz | Noch immer sitzt Wikileaks-Gründer [1][Julian Assange] im | |
Londoner Belmarsh-Gefängnis und wartet auf eine endgültige Entscheidung | |
über seine Überstellung in die USA. Dort soll ihm wegen der | |
Wikileaks-Veröffentlichungen von geheimen US-Dokumenten der Prozess gemacht | |
werden – unter anderem wegen der Veröffentlichung von Beweisen für | |
US-Kriegsverbrechen im Irak drohen Assange bis zu [2][175 Jahre Haft]. | |
Jetzt haben vier Kläger*innen bei einem Gericht in New York eine | |
[3][Klage] gegen die CIA und ihren früheren Direktor Mike Pompeo | |
eingereicht. Der Vorwurf: Illegal habe die CIA mindestens zwischen Januar | |
2017 und April 2018 all jene Personen ausgeforscht, die Assange in seinem | |
damaligen Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London besuchten. Das | |
waren insgesamt mehr als 100 – viele davon US-Amerikaner*innen. | |
Die Ausforschung habe auf zwei Säulen beruht: Einerseits seien sämtliche | |
Gespräche, auch die rechtlich besonders geschützten Konversationen Assanges | |
mit Ärzt*innen, Anwält*innen und Journalist*innen, in Bild und Ton über | |
versteckte Kameras aufgezeichnet und direkt an die CIA gestreamt worden. | |
Und zweitens seien sämtliche elektronischen Kommunikationsmittel wie Handys | |
und Laptops, die Besucher*innen beim Sicherheitspersonal der Botschaft | |
abgeben mussten, auseinandergebaut, Sim-Karten fotografiert, Passwörter und | |
Speicher ausgelesen worden. | |
Denn die mutmaßlichen Sicherheitsleute der Botschaft waren mehr als das: | |
die spanische Firma UC Global – UC steht für Under Cover –, die Ecuador als | |
Security-Dienst für die Botschaft engagiert hatte, soll seit Anfang 2017 | |
einen geheimen Vertrag mit der CIA gehabt haben. Die Assange-Besucher*innen | |
teilten so ihre Informationen unwissentlich direkt mit der US-Behörde, die | |
laut Ankündigung von Pompeo selbst in einer Rede von 2017 am stärksten | |
daran interessiert war, Wikileaks als „feindliche Geheimdienstorganisation“ | |
zur Strecke zu bringen. | |
## „Die US-Behörden wussten, was in der Botschaft geschah“ | |
Alle vier Kläger*innen – zwei Anwältinnen und zwei Journalisten, | |
darunter der in Deutschland für die ARD arbeitende Investigativreporter | |
John Goetz – sind US-Staatsbürger*innen, die durch US-Gesetze vor einer | |
solchen Überwachung durch US-Behörden ohne vorherige richterliche | |
Entscheidung geschützt sind. Sie argumentieren, dass ihre Rechte durch die | |
Ausspähung massiv verletzt wurden. | |
UC-Global-Chef, der Spanier David Morales, der ebenfalls in der Klage als | |
Beschuldigter aufgeführt wird, bestreitet die Vorwürfe kategorisch – er | |
habe mit der CIA nichts zu tun gehabt, das sei alles haltlos. Die in der | |
Klage vorgebrachten Indizien sowie frühere Ermittlungsergebnisse der | |
spanischen Audiencia Nacional legen jedoch die Plausibilität der Klage | |
nahe. | |
Als etwa im Dezember 2017 ein Gesandter des ecuadorianischen Geheimdienstes | |
im vertraulichen Gespräch mit Assange – der inzwischen auch die | |
ecuadorianische Staatsbürgerschaft erhalten hatte – den Plan erörterte, ihn | |
am Heiligabend mit einem Diplomatenpass außer Landes und nach Ecuador zu | |
bringen, dauerte es keine 24 Stunden, bis die USA einen internationalen | |
Haftbefehl gegen Assange ausgestellt hatten, um den Plan zu durchkreuzen. | |
„Für uns war das ein deutlicher Beweis, dass die US-Behörden wussten, was | |
in der Botschaft geschah“, sagte John Goetz dem US-Magazin [4][Newsweek]. | |
Ob die Klage in den USA zum Erfolg führt, ist mehr als ungewiss. Denn schon | |
öfter sind US-Geheimdienste wegen der eigentlich illegalen Ausspähung von | |
US-Bürger*innen angezeigt worden – wenn sie das allerdings glaubwürdig als | |
„Kollateralschaden“ einer ansonsten aufgrund legitimer | |
US-Sicherheitsinteressen gegen Ausländer*innen gerichteten Operation | |
darstellen konnten, kamen sie damit durch. | |
Ungeachtet dessen könnte die aufgedeckte Überwachung auch einen Einfluss | |
auf die britische Entscheidung über die Auslieferung haben. Denn klar ist: | |
Wenn der um die Auslieferung begehrende Staat schon auf ausländischem | |
Territorium verletzte – etwa das Recht auf vertrauliche Kommunikation eines | |
Angeklagten mit seinem Rechtsbeistand – woher soll dann der Glaube kommen, | |
dass es in den USA selbst anders laufen könnte? | |
Mit einer Entscheidung in Großbritannien wird in den nächsten Monaten | |
gerechnet – im schlimmsten Fall könnte Assange noch dieses Jahr überstellt | |
werden. | |
17 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Wikileaks-Gruender-in-Grossbritannien/!5861808 | |
[2] /Verfahren-gegen-Julian-Assange/!5664573 | |
[3] https://www.documentcloud.org/documents/22136088-margaret-ratner-kunstler-e… | |
[4] https://www.newsweek.com/cia-spying-assange-illegally-swept-us-lawyers-jour… | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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