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# taz.de -- Ex-Spion zu Pentagon-Leaks: „Ein Desinformationsprogramm“
> Whistleblower John Kiriakou zweifelt an der Echtheit der Pentagon-Leaks.
> Für ihn haben die veröffentlichten Papiere keinen Wert.
Bild: Das Pentagon in Arlington, Virigina
taz: Herr Kiriakou, Sie haben Erfahrungen als Spion und als Whistleblower.
[1][Welche Enthüllungen sehen Sie in dem Pentagon-Leck?]
John Kiriakou: Ich bin nicht sicher, ob es neue Enthüllungen gibt.
Einerseits scheint die Regierung es sehr ernst zu nehmen. Auf der anderen
Seite haben sowohl die Russen als auch die Ukrainer gesagt, dass es
Bullshit ist.
Die US-Regierung spricht von „schwerem Schaden“ für die nationale
Sicherheit.
Der Begriff „schwerer Schaden“ ist für eine Anklage wegen Spionage nötig.
Aber die Dokumente enthalten doch Details, die in der Öffentlichkeit
unbekannt waren.
Ein paar Details sind neu. Aber ich sehe keine bahnbrechenden neuen
Geschichten. Es war kein Geheimnis, dass wir ukrainische Spezialeinheiten
und Armeeangehörige trainiert haben – sowohl hier in den USA als auch in
Polen.
Aber die Papiere enthalten auch Informationen darüber, dass die USA ihre
Alliierten ausspionieren.
Das sind alte News. Wir haben auch bei Angela Merkel spioniert. Wir tun das
seit Jahrzehnten.
Warum warnt dann das Verteidigungsministerium, dass die bisher
veröffentlichten Daten erst die Spitze des Eisbergs sein könnten?
Sollte dies tatsächlich ein Leck sein, wäre das sehr beunruhigend. Aber
wenn es Berichte über den russischen und den ukrainischen Status im Krieg
gibt und beide Seiten sagen, das seien Lügen, denke ich eher an ein
Desinformationsprogramm.
Was meinen Sie damit?
Geheimdienste führen oft Operationen durch, mit denen sie versuchen, die
Politikgestaltung in anderen Ländern zu beeinflussen. Wir tun das, indem
wir Informationen in Umlauf bringen, die nicht korrekt sind. Man kann dafür
aber nicht einfach etwas erfinden. Man muss versuchen, die inkorrekten
Informationen mit korrekten zu mischen. Verdeckte Aktionskampagnen
enthalten 90 oder 95 Prozent wahre Informationen und hineingemischte
Desinformationen.
Sehen Sie in diesem Fall amerikanische oder russische Desinformation?
Amerikanische.
Wie kommen Sie zu dieser Annahme?
Weil das Format und die Schrifttypen in den Kopf- und Fußzeilen der
Dokumente korrekt sind. Ich glaube, hier hatte jemand Zugang zu echten
Informationen und zu den Vorlagen, die von US-Geheimdiensten benutzt
werden. Falls dies ein Desinformationsprogramm ist, muss es von der CIA
gemacht worden sein. Schauen Sie sich die veröffentlichten Dokumente an.
Sie enthalten keine streng geheimen Informationen. Sie enthüllen weder
Quellen noch Methoden.
Das klingt nach großer Verschwörung. Und es würde auch bedeuten, dass jene,
die sich das Leck ausgedacht haben, es jetzt verurteilen.
Das ist Geheimdienstarbeit. Das ist ihr Lebensinhalt. Ich habe das 15 Jahre
lang gemacht.
Wem nutzt so etwas?
Den USA.
Inwiefern?
Es verwirrt unsere Feinde. Einer der Berichte sagt, dass die USA das
russische Militär infiltriert haben. Stimmt das? Auf jeden Fall ist es
jetzt in Umlauf. Und was tun die Russen? Werden sie Generäle verhaften? Das
ist der Sinn einer Desinformationskampagne.
Werden diese Enthüllungen die Politik und den Krieg verändern?
Ich bezweifle das. Die CIA will ihre Drucker abschaffen, um das Drucken von
Dokumenten zu erschweren. Darüber kann ich nur lachen. Dieses Leck ist so
klein, dass die meisten Leute sich nicht darum scheren.
Die USA sind nur ein Teil der Welt. Der Krieg findet anderswo statt.
Die USA setzen sich so stark für das Ausbluten der Russen ein, dass mit
oder ohne Enthüllung die Ukrainer alles bekommen werden, was sie wollen.
Die USA haben eine lange Liste von Whistleblowern. Sehen Sie in diesem Fall
eine neue Handschrift?
Mir widerstrebt es, hier von Whistleblowing zu reden.
Warum?
Whistleblower bringen Betrug und Missbrauch an die Öffentlichkeit. Sie
enthüllen Informationen im öffentlichen Interesse. Ich habe mit mehreren
anderen Whistleblowern über die jetzt veröffentlichten Dokumente
gesprochen, darunter Daniel Ellsberg (der 1971 die „Pentagon Papers“ über
Lügen im Vietnamkrieg enthüllt hat; d. Red), und mit Tom Drake (der 2005
Details über die Schnüffelei der NSA enthüllt hat; d. Red). Keiner von uns
sieht, was hier der öffentliche Nutzen ist.
13 Apr 2023
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[1] /Pentagon-Leaks/!5927138
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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