# taz.de -- Nach den Pentagon-Leaks: Der Feind bleibt Putin | |
> Die diplomatischen Verstimmungen werden schnell vergessen sein. Die | |
> Allianzen mit den USA sind zu komplex, und wer zu bekämpfen ist, ist | |
> klar. | |
Bild: Kein Land hat die Ukraine seit Kriegsbeginn so unterstützt wie die USA | |
Discord, einen Onlinedienst für Instant Messaging, der durch die | |
Pentagon-Leaks nun auch Non-Gamern bekannt sein dürfte, kenne ich als | |
Kommunikationskanal der Jugendlichen bei mir zu Hause. Meistens wird | |
parallel geschossen. Sie werden zu Ego-Shootern in grafisch realitätsnahen | |
Kriegsszenarien bei „Call of Duty“ oder simulieren Offensiven in „Arma 3�… | |
einem Spiel mit On-Screen-Hinweisen wie „Eilmeldung“ oder | |
„Liveübertragung“, die in Fake-Videos über den Ukrainekrieg benutzt | |
wurden. Das ukrainische Digitalministerium fordert das Verbot eines anderen | |
umstrittenen Videospiels, „Atomic Heart“, das die Sowjetunion als | |
Supermacht zeigt. | |
Aus diesem digitalen Milieu stammt der 21-Jährige, der mutmaßlich die | |
Dokumente aus dem Pentagon geleakt hat. Der Mitarbeiter einer | |
US-Militärbasis wurde am 13. April festgenommen und ins FBI-Büro in Boston | |
gebracht. Anders als bei Snowden, Assange oder Manning ist dies kein Fall | |
eines Whistleblowers, der Kriegsverbrechen aufgedeckt hat. [1][Hier ging es | |
mutmaßlich um Faszination für Waffen und um Aufmerksamkeit von | |
Gleichgesinnten], die Stunden in einer vom Krieg geprägten digitalen Welt | |
verbringen. Das Problem: Geleakt in dieser Online-Gamerwelt wurden geheime | |
CIA-Dokumente. Geschadet hat dies dem Vertrauen zwischen Partnerländern und | |
Alliierten. Zumindest vorübergehend. | |
Die bis zu 100 abfotografierten geheimen Unterlagen, die peu à peu an die | |
Öffentlichkeit gelangen, haben das bestätigt, was Expert:innen und | |
Journalist:innen seit Wochen von der Front berichteten: hohe Verluste | |
auf beiden Seiten, fehlende Munition für die Ukrainer:innen, versprochene | |
Panzer, die zu spät geliefert werden. [2][Die Pentagon-Leaks zeigen zudem, | |
dass wir in einer Welt leben, in der sich Realität und Fiktion, Information | |
und Desinformation vermengen]. Ein echter und brutaler Krieg tobt mitten in | |
Europa, ein Land wird zerstört, Millionen Menschen sind zur Flucht | |
gezwungen. Gleichzeitig wird eine virtuelle Kriegserzählung aufgebaut. | |
Doch Vertrauen zwischen Partnern ist ein ständiges Kalibrieren, bei dem es | |
immer auch um nationale Interessen geht. | |
Der Unmut [3][Kyjiws gegenüber den USA] wegen der Bespitzelung von | |
Präsident Wolodimir Selenski wird nur ein paar Wochen dauern, denn die | |
Ukraine braucht Washington, um gegen Russland zu gewinnen. Seit 2014 | |
liefern die USA militärische Ausrüstung. Seit dem 24. Februar 2022 hat kein | |
Land der Ukraine so viel militärische Unterstützung zugesagt wie die USA – | |
laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) circa 44,3 Milliarden | |
Euro, gefolgt von Großbritannien und Polen. | |
Dass die USA Partner ausspionieren, ist nicht neu. Die geltende Regel ist | |
die des „Five eyes“-Geheimdienstbündnisses (USA, Australien, Kanada, | |
Neuseeland und Großbritannien) – alle anderen können zu Spionagezielen | |
werden. | |
Trotz angekündigter Untersuchung wird deshalb auch Südkorea bald wieder | |
bestens mit Biden befreundet sein, beide Länder brauchen sich in ihrer | |
komplexen Chinapolitik. Das Gleiche gilt für Israel oder Ägypten, die | |
ebenfalls in den jüngsten Enthüllungen auftauchen. Dass die Türkei eine | |
potenzielle Waffenquelle für die russische Wagner-Söldnertruppe sei, ist | |
ebenfalls nicht überraschend: Ankara richtet seit Jahren seine Position je | |
nach Gusto aus – der EU-Flüchtlingsdeal war dafür ein Beispiel. | |
Auch dass die Brüderschaft zwischen Ungarn und Serbien sowie Russland | |
solide ist, steht nach den Pentagon-Leaks infrage: Budapest hätte demnach | |
heimlich westlichen Verbündeten erlaubt, seinen Luftraum zu nutzen, um | |
Waffen in die Ukraine zu schicken, Belgrad hätte Kyjiw Waffenlieferungen | |
zugesagt. Das wird ein paar Anrufe aus Moskau kosten, aber Putin hat | |
günstige bilaterale Gasdeals mit beiden Ländern gesichert. Gas bleibt eine | |
der wichtigsten Karten, die Putin spielen kann. Das hat seine Beziehung zu | |
Belarus gezeigt. 2019 hätte Alexander Lukaschenko keinen russischen | |
Luftwaffenstützpunkt in Belarus erlaubt, um russische Kampfflugzeuge zu | |
stationieren. | |
Bereits im Dezember 2022 veröffentlichte die New York Times Leaks zu | |
„Putins Krieg“: geheime Schlachtpläne, Kommunikation russischer Soldaten | |
und Kreml-Vertrauter. Auch die Cyberangriffe der russischen | |
Solarwinds-Hacker gehören in den Kontext des laufenden virtuellen Kriegs, | |
denn die Gruppe ist nach Angriffen auf EU- und US-Behörden wohl noch immer | |
aktiv. | |
Jedoch dürften die Pentagon-Leaks ein Weckruf für Moskau sein, denn sie | |
zeigen, wie dicht US-nahe Agenten an russischen Topinformationen sind. | |
Allen Vertrauensverlusten zum Trotz sollte deshalb niemand vergessen, wer | |
der autoritär geführte Staat in diesem Krieg ist. | |
16 Apr 2023 | |
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[1] /Pentagon-Leaks-in-den-USA/!5926555 | |
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## AUTOREN | |
Gemma Teres Arilla | |
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